Mini-Feature, VfB
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Der Strafraum-Cop

Wir saßen in Nürnberg auf den Plätzen von Thomas Ziemer und Dieter Eckstein (wer sie nicht mehr kennt, siehe hier und hier) – mein Freund Kai, mehr Ice Tigers-Fan als Clubberer, hatte uns die Tickets besorgt. Gegentribüne, mit direktem Kontakt zur VfB-Kurve. Neben uns, vor uns, über uns (und beim 2:3 zwischen uns) nur VfB-Fans. Ab Minute eins schrie einer bei jeder Ballberührung Timo Baumgartls “Tiiiiiimoooo“. Dies ergänzte er wahlweise mit „Beschder Mann“ oder „Mei Sohn will Dei Triko’“ oder „… für Deutschland“. Am Anfang war das lustig, dann brüllend komisch, als der ganze Block bei jeder Baumgartl-Ballaktion “Tiiiiiimoooo“ schrie. Der Spaß war vorbei nach dem 2:0: „Halt’ Dei bleedes Maul!“ Erfolgsfans halt, oder?? ;-)

Dabei kann Timo Baumgartl nicht oft genug gefeiert werden. Er trägt seine Hose so baggy wie Anthony Modeste, er hat ein Engelsgesicht wie Karlheinz Förster beim Aufstieg 1977 und er spielt so unaufgeregt in der Innenverteidigung wie seit Marcelo Bordon keiner mehr beim VfB. Timo Baumgartl ist unser Strafraum-Cop: Er macht keine Gefangenen, drischt auch mal den Ball aufs Tribünendach und behält gerade im Sechszehner die Nerven, wenn er sich im Zweikampf clever zwischen Ball und Gegner stellt.

In Nürnberg erwischt er allerdings keine gute erste Halbzeit. Unnötig das Diskutieren vor dem ersten Gegentor, unerklärlich der Nichtangriffspakt vor dem 2:0 und das Abdecken eines nicht existenten Gegenspielers. Aber ansonsten trifft er fast immer die richtigen Entscheidungen und strahlt eine bemerkenswerte Ruhe aus. Als Abwehrchef schert Baumgartl oft aus, stört somit den Spielaufbau des Gegners, schließt Passwege, antizipiert und stiehlt Bälle. Gute Abwehrspieler zeichnen sich dadurch aus, dass sie die Gefahr sehen, bevor sie entsteht. Und dass sie sie durch clevere Laufwege gar nicht erst entstehen lassen.

Der 21-jährige weiß, wann er auf den Boden gehen und die Grätsche auspacken muss. Bei hohen Bällen auf kräftige Wandspieler wie Polter, Sukuta-Pasu oder Zoua steht Baumgartl wie ein Schatten hinter den Gegenspielern und kurz bevor der Ball runter kommt, schiebt er sie mit der Brust nach vorne und macht die Ballannahme für seinen Gegenspieler damit so gut wie unmöglich. Obwohl er im Strafraum bei scharfen und hohen Hereingaben noch hin und wieder Timing-Probleme hat (siehe Union, siehe Dresden) sollen Arsenal London und der FC Liverpool sich mit ihm beschäftigen. Wir müssen vermutlich nicht mehr lange warten bis Gerüchte um RB Leipzig aufkommen, bei denen Innenverteidiger Marvin Compper nicht mehr den höchsten Ansprüchen genügt. Und auch Jogi Löw wird für den Confed-Cup bestimmt noch auf Innenverteidiger-Suche gehen müssen, wenn die Stammkräfte mal wieder spontan erkranken.

Obwohl es also jeder weiss, brüllen wir gegen Aue: „Tiiiiiimoooo! Beschder Mann“.
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5 Kommentare

  1. drausvomLande sagt

    Langsam mit den jungen Pferden, insbesondere mit TB. Ja, er ist einer der besseren Abwehrspieler in Liga 2 und einer der besten des VfB und in Bestform unverzichtbar für den Aufstieg und er hat auch meinen Dank und meine Anerkennung, und Eier hat er auch.
    Ist er auch lernfähig? Es wird nämlich auf Liga 1 -Niveau nicht reichen, da muss dann deutlich mehr kommen, das hat er im Abstiegsjahr und auch in der U21 schon mehrfach erfahren müssen. Und eigentlich hätte ich erwartet, dass er in Liga 2 zulegt, weil mehr Zweikämpfe, weniger Pressing vom Gegner usw., aber irgendwie warte ich bei seinen Spieleröffnungen doch oft auf den Pfiff vom Schiri wegen Spielverzögerung …

    • @buzze sagt

      Dass mit der Spielverzögerung ist gemein! ;-) Wir sehen bei Baumgartl durchaus eine Lernkurve. Er weiß mittlerweile z.B. ganz genau, wann er Situation spielerisch lösen kann und wann nicht. Und er wächst in die Rolle des Leaders rein. In den gut zwei Jahren von der Heimniederlage gegen Dortmund, nach der er von den Fans getröstet wurde, bis heute hat er sich stark entwickelt.

  2. drausvomLande sagt

    Gebe ich ja alles gerne zu und hoffe inständig, dass er so weitermacht. Dann wird er richtig gut, und das betone ich noch mal: “dann wird er …” und das wird uns allen nutzen.
    Nicht nutzen wird uns aber eine unkritische Aufstiegs-Euphorie-gesteuerte-Wir-haben-die-Besten-Orgie, weil die wird nämlich nur die altbekannte Zufriedenheit befeuern und das können wir in den nächsten 3 Spielen wahrlich nicht gebrauchen.

  3. distefano sagt

    Ui, ui, ui – sehe ich absolut nicht so. Timo stagniert (bestenfalls) in seinen Leistungen in den letzten 6 Monaten. Nicht nur die erste HZ gegen Nürnberg, auch das Gegentor gegen Berlin geht auf seine Kappe. Ich habe inzwischen ernsthafte bedenken, dass er die Entwicklung nimmt, die sich alle von ihm vor 12 Monaten erhofft haben. Auf lange Sicht halte ich Parvard für den besseren IV und wäre ich Jan S. würde ich mich im Sommer nach einem überdurchschnittlichen IV umsehen.

    • @abiszet sagt

      Lieber dvL, ich schreibe es so, wie ich es erlebe und empfinde. Eine unkritische Aufstiegs-Euphorie-gesteuerte-Wir-haben-die-Besten-Orgie löse ich damit wohl kaum aus. Dass gerade gegen den Glubb nicht alles gut war, ist wohl jedem klar und zu allererst Timo Baumgartl, der ganz sicher kein Typ ist, der abhebt, weil er in der zweiten Liga ganz ordentlich spielt.

      Hi distefano, ja, das kann man genau so sehen wie Du. Ich sehe es anders, Baumgartl ist mE ein absoluter Fixpunkt in der Mannschaft. Klar, hat er zuletzt ein paar Wackler gehabt (was ich nicht unerwähnt ließ). In wieweit Baumgartl, Pavard, Kaminski und der mit dem Dächle erstligatauglich sind, darüber können wir nach dem 34. Spieltag sprechen (Slim Shindy denkt darüber sicher jetzt schon nach!)

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