Querpass, Schlagzeilen, VfB
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The Nowhere Man

Seit Gotoku Sakai beim Hamburger SV zum Mannschaftskapitän berufen wurde, wissen wir: Das Amt ist total überschätzt. Bisher dachten wir, der Spielführer wäre eine Persönlichkeit, der in der gesamten Mannschaft mit Respekt begegnet wird. Ein Spieler, der wegen seiner Leistung unantastbar ist. Einer, der Verantwortung übernimmt in kritischen Phasen eines Spiels. Einer, der andere mitreisst und führt. Die ZEIT meint dagegen auch, dass ein Kapitän nicht mehr wichtig sei. Aber ok, vielleicht sollten wir uns nicht am Tabellenletzten der Bundesliga und an den Guardiolanern einer Wochenzeitung orientieren.

Der Kapitän des VfB heisst seit Sommer 2013 Christian Gentner. Er ist eine Integrationsfigur im wahrsten Sinne des Wortes: Er kommt aus der Jugend des VfB, wurde 2007 Meister und 2009 gleich nochmal (allerdings mit Wolfsburg) und nach Aussage von Serey Dié kümmert er sich um die Neuzugänge: Hilft ihnen beim Einleben, erklärt ihnen die Kehrwoche, unterstützt sie beim Auto-Kauf. Klar, das ist wichtig, aber entscheidend ist auf dem Platz.

Wir wollen kurz beleuchten: Wie sieht das Aufgabengebiet von Kapitän Gentner aus und wie gut füllt er die folgenden vier Rollen aus?

Der Dirigent
Der ideale Kapitän redet viel, er sortiert, er verschiebt, er korrigiert als verlängerter Arm des Trainers. Wenn ich die Taktik-Kollegen richtig interpretiere, dann ist Gentner auf dem Feld eher überall und nirgends. Um taktisches Fehlverhalten zu erkennen, ist er selbst zu sprunghaft. Als ordnende Hand ist Gentner blass, geredet wird bei ihm vor dem Spiel, aber das wars dann auch.

Der Arschtreter
Wenn das Team nachlässt und das Spiel nicht läuft, sollte der Spielführer derjenige sein, der die anderen antreibt. Der auch mal dagegen hält und voran geht. Zumindest von außen betrachtet ist Gentner kein emotionales Korrektiv. Gerade in schwierigen Phasen – wie zuletzt gegen Union Berlin – ist er eher nowhere. Da kommt von ihm kein erkennbares Signal, er rüttelt nicht auf, er bleibt meist unsichtbar.

Der Buddy
Der Kapitän muss ein Gespür für die Gruppe haben, alle mitnehmen und integrieren. Von der Nummer 1 bis zur Nummer 30. Strömungen innerhalb der Mannschaft sollte er rechtzeitig erkennen (Stichwort „Grüppchenbildung“) und den Zusammenhalt stärken. In den letzten drei Jahren war allerdings immer wieder die Rede davon, dass der Mannschaftsgeist fehle und zu sehr Egoismen ausgelebt werden (derzeit nicht!).

Der PR-Mann
Der Spielführer repräsentiert die Mannschaft in der Öffentlichkeit und sollte clevere Statements in (Field-)Interviews abgeben. In der Disziplin „Viel reden, wenig sagen“ ist Gentner fast so gut wie Philipp Lahm, ein Matthias Sammer, der auch unbequeme Wahrheiten ausspricht und die Spannung im Team hoch hält, wird aus ihm jedoch nicht mehr.

Fazit:
Keine der vier zentralen Aufgabengebiete erfüllt Gentner zu 100 Prozent. Wenn er die richtigen Sidekicks hätte, wäre dies auch nicht zwingend notwendig. Aber außer Kevin Großkreutz als Assistenz-Arschtreter und Hajime Hosogai als stellvertretender Taktik-Leader ist niemand in Sicht. Simon Terodde? Ein wichtiger Spieler, aber noch zu kurz beim VfB. Florian Klein? An Führung ist bei ihm nicht zu denken, er muss erstmal selbst Leistung bringen und sich nicht verstecken. Mitch Langerak? Kann durchaus etwas bewegen, ist als Keeper aber auf dem Platz meist zu weit weg. Emiliano Insua? Der Gute-Laune-Onkel im Team, aber kein Führer in kritischen Situationen.

Gentner ist ein Ehrenmann, der den mitverschuldeten Abstieg korrigieren will. Denn nach dem Abstieg ging er nicht nowhere wie Rupp, Kostic, Didavi oder Dié. Er rief “now here!” und verlängerte seinen Vertrag. Diese beherzte Art braucht der VfB auf und neben dem Platz. Vielleicht ist Gentner einfach zu nett für den VfB? Come on Gente, be more harter Hund!

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10 Kommentare

  1. Trashkob sagt

    Ich stimme nicht ganz zu und möchte eine Lanze für Gente brechen. Wenn man die letzten Jahre anschaut, hat er nicht ein richtig schlechtes Spiel gemacht. Unglückliche waren dabei, aber in Sachen Einsatz und Wille ist er ein Vorbild. Und zum Thema ‘harter Hund’: Wie ist das mit den anderen Kapitänen in der Bundesliga? Lahm ein harter Hund? Schmelzer bzw Bender bzw Reus? In der Nationalelf: Neuer, Khedira? Das sind alles keine ‘harten Hunde’ mehr. Warum? Weil diese Sorte von Spieler vom Aussterben bedroht ist. Warum? Weil Fußball immer mehr zur Wirtschaft wird und immer weniger Sport bedeutet.

  2. @abiszet sagt

    Hallo Trashkob, vielen Dank für Dein Feedback. Es ist in der Tat schwierig und mein Text sollte das Thema ein wenig zuspitzen. Lahm ist ein stiller Führer, der aber auch klare Kante (sprechen) kann, zudem hat er weitere Spieler um sich rum, die führen können und wollen (zB Boateng, Hummels, Müller, Neuer). Alle sind “harte Hunde”, wenn es darum geht, Erfolg zu haben. Wenn etwas diesen Erfolg in Gefahr bringt, dann steuern sie dagegen. Ebenso Khedira, der nicht nur nett ist. Reus ist als Kapitän ungeeignet, der ist einer, den jeder im Team mag, der aber andere nicht führen und mitreissen kann, als Spieler natürlich Bombe (hoffentlich bleibt er mal gesund).

    In Sachen Einsatz & Wille im Abstiegsjahr ist Gentner leider mit allen anderen untergegangen, er war immer nur derjenige, der sich dann den Interviews stellte.

    Ich finde Gente auch sympathisch und mein Absatz zur Vertragsverlängerung drückt meine Wertschätzung ihm gegenüber aus. Überdies ist er ein torgefährlicher Mittelfeldspieler mit einem feinen Füßchen, wenn ich alleine an die Szene in KA denke, wie er aus dem Fußgelenk die Pille an die Latte zwirbelt. Führung muss nicht laut sein, aber soweit ich das erkennen kann, gibt es Defizite: Es kommt (im Moment) zB immer wieder zu Spielsituationen, in denen die Mannschaft nachlässt, obwohl sie auf die Entscheidung drängen müsste. Dem steuert Gente nicht (erkennbar) entgegen, auch die immer wieder diskutierte fehlende Geschlossenheit der letzten Jahre (so das denn stimmt), spricht nicht unbedingt für ihn als Kapitän. Der Hinweis „harter Hund“ war gemeint in Richtung „Zeig’ Dich, tu’ was!“.

  3. Blabla sagt

    Gentner schrie beim Abstieg nicht “now here” sondern wollte den Verein wechseln, da seine Freundin ihren Arbeitsplatz/Ort wechseln wollte. Da dies nicht klappte verlängerte Gentner notgedrungen seinen Vertrag und der Verein verkaufte dies natürlich dementsprechend als Aufschwung.

  4. Blabla sagt

    Habs aus dem Transfermarkt Forum vor 1-2 Monaten mal aufgeschnappt. Finde es auch plausibel. Gentner ist für mich die Personifizierung des Abstiegs. Bin froh wenn er weg ist.

  5. Also für mein Dafürhalten sieht man bei Gente ganz gut, dass er eher zu den besseren Zweitligaspielern gehört. Es ehrt ihn auch, dass er trotz Abstieg bei uns geblieben ist. Andererseits gehört er eben auch den Spielern, der für den Abstieg mitverantwortlich ist. Sein Charakter scheint auch einwandfrei zu sein. Aber ich schreibe hier vom Menschen bzw. dem Fussballer Gente und nicht dem Kapitän. Aus meiner Sicht ist er eher vom Typ her der “Lieblingsschwiegersohn” aller Schwiegermütter, aber im Amt des Kapitäns scheint er mir weniger geeignet. So jemand wie Großkreutz wäre da halt besser geeignet. Kann mir schwer vorstellen, dass es jemand von verreinsseite aus wagen würde, Gente freiwillig seines Amtes zu entheben oder ihn gar vom Hof jagen zu wollen. Da gabs keinen Trainer bei uns, der, als wir noch in Liga kickten, mal die Eier in der Hose hatte und ihn auch mal nicht aufgestellt hat. Ich kann und will mir einfach nicht vorstellen, dass kein Trainer gesehen haben möchte, was er seinerzeit für “Leistungen” abgeliefert hat. Da kann man ur spekulieren, aber vielleicht hätte das dann Ärger gegeben. Bleibt dann nur die Frage mit wem. In Liga 2 zeigt er auch mal Leistungen, die das Wort auch mal verdienen und die ich mir letzte Saison von ihm in Liga 1 gerne gewünscht hätte. Daraus leite ich dann aber auch für mich ab, dass es für ihn in Liga 1 zumindest in Stuttgart nicht mehr reichen wird.

  6. Florian sagt

    Guter Text,
    Mir geht es mit Gente ähnlich. Und was Marc schreibt, stimmt fast. Großkreutz wäre allerdings nicht der richtige, zuviel Kind! Gente bräuchte wie bei Bayern noch weitere Spieler um sich. Eine Gruppe, zu der jeder andere dazu gehören will. Eine Achse vom Torwart bis zum Stürmer damit auf dem Platz jeder andere Spieler erreichbar ist. Sobald einer Gas gibt, müssen die Führungsspieler mitziehen und somit die ganze Mannschaft! Harnik war so einer, der ihm half, aber aktuell sehe ich keinen weiteren Spieler, der zum engen Kreis um den Kapitän zählt.

    • @abiszet sagt

      Sehe ich ähnlich, Florian. Nur bei Harnik bin ich nicht bei Dir. Gerade die “Achse”, zu der er letzte Saison gehörte, hat die größte Verantwortung am Abstieg.

  7. Marc sagt

    @ Florian
    deswegen schrieb ich auch besser geeignet. Und ja, manchmal ist der Kevin auch einen Ticken zu provokant. Mich persönlich stört das jetzt nicht, aber es gibt bestimmt genug Leute, bei denen das überzogen rüberkommt. DEN Kapitän haben wir – für ein Empfinden – eh nicht in Stuttgart.

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