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Endlich wieder Fußball!

Hallencup_1987_komplettEs gab mal eine Zeit, da war Hallenfußball richtig fresh. Kurz zuvor hatten Cool & The Gang ihren gleichnamigen Hit und Foreigner sangen „I Wanna Know What Love Is“, was mich wirklich brennend interessierte. Ich riss mir an den Knien und am Hintern die Jeans auf, um in den „Club Tropicana“ von Wham! zu kommen, in dem die Drinks umsonst waren. Als ich mich fragte, wie ich aus meinen dünnen Locken so eine steile Friese machen kann wie bei den Jungs von Depeche Mode, gründete Mercedes-Benz das erste internationale Hallenfußball-Turnier in Stuttgart. War für mich eher so die zweitwichtigste Nachricht, aber ein paar Jahre später ging ich mit meinem Vater in die Schleyer Halle und da gab’s mehr zu sehen als im Pop Rocky-Heftle. Jürgen Klinsmann, Asgeir Sigurvinsson, Karl Allgöwer, Günther Schäfer, Guido Buchwald; mir wird gerade schlecht vor Wut, wenn ich an die heutige Mannschaft denke.

Auch ein gewisser Hansi Müller lief auf – allerdings für Wacker Innsbruck und er wurde abgefeiert. Welcher ehemalige VfB’ler würde denn heute bejubelt bei seiner Rückkehr nach Stuttgart? Sven Ulreich? Mario Gomez? Ok, Sami Khedira ganz sicher. Und auch Thomas Hitzlsperger, klar. Müller jedenfalls würde heute viel für die Zuneigung der VfB-Fans geben, er spielte in der Halle groß auf, auf dem deutlich kleineren Feld musste er nicht so viel laufen, er ist einer der Erfinder des Stehfußballs. Die Kickers waren auch dabei, wurden meist derbe ausgepfiffen, was auch an ihrer Spielweise lag, eher die Beine zu attackieren als den Ball. Holzing statt Pressing. Die Blauen waren aber 1987 immerhin Mit-Veranstalter neben dem VfB.

Es war nicht nur die Hochzeit der weißen Socken und des Blue Curacao, sondern auch der Anfang des gnadenlosen Kommerzes, wie im Eintracht-Archiv von Frankfurt von 1986 nachzulesen ist:

“Der Veranstalter setzt auf die pekuniäre Motivation: Es geht vor allem um Bargeld. Neben den Startgeldern – Eintracht Frankfurt erhält 25.000 Mark – gibt es 15.000 Mark für den Sieger, 7.000 Mark für den Zweiten, 3.000 für den Dritten. Pro Tor erhält der Schütze 100 Mark, der Torschützenkönig am Ende des Turniers noch mal 500. Die Mannschaft mit den meisten Treffern erhält 1.000 Mark.”

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Nachfolger des Profi-Hallenturniers ist der Mercedes-Benz Junior Cup. Was man damals Budenzauber nannte, heißt heute #mbjc2016. Die 26. Auflage im Jahr 2016 gewinnt im Sindelfinger Glaspalast etwas überraschend die U19 von Rapid Wien. Ist das die Wanda-isierung des Fußballs? Ist Österreich das neue Belgien? Kein Wunder jedenfalls, dass Robin Dutt mit Martin Hinteregger oder Kevin Wimmer (Leihe von Tottenham) die Ösi-Connection am Wasen verstärken will.

Neben vielen professionellen Scouts hat sicher die Mehrzahl der über 10.000 Zuschauer den Ehrgeiz, den nächsten Leroy Sané, Mesut Özil oder Joshua Kimmich zu entdecken – über 90 spätere Nationalspieler spielten schließlich seit 1991 beim Junior Cup vor. Wobei der internationale Nachwuchs mittlerweile gläsern ist. Jeder kennt jeden. Den 17-jährigen Callum Gribbin kannte sogar Fredi Bobic, wenn auch nicht mit Namen. Er ist in England shit hot, schlug zuletzt ein Angebot über 15.000 Euro pro Woche von Manchester City aus, um bei ManUnited zu verlängern, in deren U21 er bereits spielt. Ex-VfB-Spieler Nils Schmäler, Scout für Tottenham Hotspur und ManUnited, hat sicher auch Johannes Bender von Hoffenheim auf dem Zettel, ebenso wie Torschützenkönig und MVP Julian Schüssler von Rapid Wien oder Offensivverteidiger Juliert Vanlandschoot vom FC Brügge.

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Beim Nachwuchs des VfB Stuttgart drängt sich keiner so richtig auf. Das Team wird nur Fünfter und auffällig ist nur dessen Unauffälligkeit. Allenfalls Berkay Özcan macht auf sich aufmerksam, aber auch er ist schon längst kein Unbekannter mehr (siehe ausführlich hier). In der Spielweise eine Mischung aus Emre Can und Sami Khedira gehört er mit dem 18-jährigen Kapitän Sercan Baloglu noch zu den besten Stuttgartern beim JuniorCup.

Hier geht es zu den 5 Players to watch von FUPA.

Der Trend beim Junior Cup geht zu immer jüngeren Spielern, denn die 18- und 19-jährigen wie Arianit Ferati oder Timo Baumgartl müssen in diesem Alter schon längst in der Bundesliga spielen. Der Portugiese Angel Gomes von Manchester United ist gerade einmal 15 Jahre alt. Das wissen die Zuschauer spätestens, nachdem es der Hallensprecher gefühlte 25 Mal wiederholt hat. Das Wonderkid bringt den VfB mit zwei Toren um die Halbfinalteilnahme. Auffällig ist die körperliche Spielweise, in der Verteidigung wird auf Manndeckung gesetzt, nur “unsere chinesischen Freunde” – wie sie der unsägliche Hallensprecher immer wieder nennt – überraschen ab und zu mit einer Art Libero. Erfolgreich ist das nicht, sie werden Letzter.

Die heimlichen Stars den Turniers sind allerdings die Schiedsrichter. Knut Kircher, dank seines Wohnsitzes (Rottenburg) und seines Arbeitgebers (Mercedes-Benz) fester Bestandteil des JuniorCups, pfeift sein letztes Finale, bevor er zum Saisonende altersbedingt seine Karriere beendet. Und dass Bibiana Steinhaus die beste Schiedsrichterin der Welt ist, weiß man nicht erst, seit es der Hallensprecher mindestens so oft erwähnt hat wie die Tatsache, dass Angel Gomes der jüngste Spieler des Turniers ist. Aber dass die Kids sich gegenseitig über den Haufen rennen, um ein Autogramm und ein Selfie mit einem Referee zu bekommen, ist neu. Wenn der DFB auch nur einen Funken Geschäftssinn hat, nutzt er Steinhaus’ Popularität und löst so seine Nachwuchsprobleme: Bibis Schiri-Schule – demnächst auf Youtube und dfb.tv.

Das Allerletzte ist der Sound: Überraschend wird das Musikkonzept aus den 80er Jahren auch heute noch gefahren. Aber das ist das Einzige (neben den kleinen Bieren von Bitburger), was bei dem Turnier auf den Nerven geht. Das Ambiente und die Stimmung sind trotz Globalisierung und Kommerzialisierung erfreulicherweise familiär geblieben. Im Glaspalast gibt es Maultaschen in der Brühe mit Kartoffelsalat und einen ordentlichen Wurschtsalat. Auf Wunsch auch mit Zwiebeln.

Dank der Einladung von Mercedes-Benz war die “Weltmeisterschaft der Jugendmannschaften” (O-Ton Guido Buchwald) auch ein Blogger-Stammtisch mit vfbegeisterung.de, Collinas Erben, Lizas Welt, Sportkultur, Spielverlagerung, Rasenfunk, Königsblog und Glückauf-Pils. An der Wurstbude mit angeschlossenem Bierstand vor der Halle haben wir uns allerdings nicht getroffen. Sie wurde nur für die zahlreich angereisten Schalke 04-Fans aufgestellt, um für sie so ein bisschen Stadionatmosphäre zu simulieren. Immerhin, der königsblaue Nachwuchs wird nach verheerendem Turnierstart noch Vierter. Ein zweiter Leroy Sané war nicht dabei, aber um den den 17-jährigen Russen Maximilian Pronichev zu verpflichten, würden die meisten Bundesligamanager einiges auf sich nehmen: sich sogar Löcher in die Hosen reißen oder sich eine 80er Jahre-Friese on Depeche Mode schneiden lassen.

Viele, viele Fotos vom Turnier gibt es bei FuPa.net und vfb-exklusiv.de

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