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Auseinandergehen ist schwer …

… jeder beim VfB weiß das zu sehr. Auseinandergehn tut weh.

Obwohl man zuletzt den Eindruck in der Causa Kalajdzic gewinnen konnte, dass der Trennungsschmerz von keiner Seite mehr ausging. Sven Mislintat war genervt, die Fans entsetzt und enttäuscht. Und Sasa Kalajdzic? Bei allem sympathischen Auftreten in der Vergangenheit, er ist zu sehr abgezockter Profi. Aber kann man ihm vorwerfen, dass er Falco nacheifert? “Der Mensch, der mir am nächsten ist, bin ich, ich bin ein Egoist“. Tja, so ist er nun mal, der Profifußball.

In diesem Sommer ist Kalajdzic schon zu so gut wie jedem Verein gewechselt. Bei Bayern München hat er sich angeboten, mit Borussia Dortmund hat er geliebäugelt, es gab Gerüchte um die Mailänder Vereine und um fast alle englische Vereine. Zuletzt Leeds und Manchester United, wobei man ihm einen Wechsel zur größten Lachnummer Europas nicht wünschen sollte. Geworden sind es für um die 20 Millionen Euro die Wolverhampton Wanderers, letztes Jahr Tabellenzehnter der Premier League. Ich hätte ihm und dem VfB einen Club in einem oberem Regal gewünscht, er und vor allem sein Berater sicher auch. Aber Anspruch und Wirklichkeit, ihr kennt das. Jedoch innerhalb von drei Jahren von Admira Wacker Mödling in die Premier League und das nach einem Kreuzband-, Außenmeniskus- und Innenbandriss im Knie und nach einer Schulterluxation, das kann sich sehen lassen.

Und dennoch: Der Wechsel erinnert mich an den Transfer von Wout Weghorst zum FC Burnley. Der Holländer, der auch unbedingt von Wolfsburg weg wollte und dann das Nächstbeste nehmen musste. Ich hoffe, Sasa wird in Wolverhampton eine bessere Figur abgeben als Weghorst in Burnley.

Die Rahmenbedingungen waren laut Mislintat seit Monaten klar. Nur der VfB sowie Kalajdzic und sein Berater haben sich wahrscheinlich verzockt: Der VfB war bei seiner 25 plus x Millionen Transferforderung viel zu optimistisch; Kalajdzic dachte, dass die Angebote namhafter Clubs nur so reinflattern.

Kalajdzics Motto: Hauptsache Premier League!
Auseinandergehen ist schwer, vor allem, wenn man ewig auf das richtige Angebot wartet, Kalajdzic weiß das zu sehr. Statt Mailand, München oder Manchester also „nur“ Wolverhampton. Zu mehr hat es eben nicht gereicht. Aber es ist ein Schritt in die lukrative Premier League, wie bei Orel Mangalas Wechsel zu Nottingham verbunden mit der Hoffnung, dass man Kalajdzic dort sieht und sich ab nächster Saison Top-Vereine für ihn interessieren. Deutlich mehr Geld gibt’s natürlich auch.

Wenn man den Zwei-Meter-Mann Kalajdzic sieht, dann denkt man zunächst nicht, dass er mehr kann als köpfen. Wie soll der dünne Lulatsch ohne jegliche Muskeln am Spiel teilnehmen, das ist fast wie Tango tanzen in Gummistiefeln. Feinkoordination? Schien absolut unmöglich. Aber er hat uns gezeigt, was in ihm steckt. Die Spielweise von Kalajdzic ist auf seine ganz eigene Art spektakulär, denn er überrascht mit erstaunlichen technischen Fähigkeiten und einem gutem Spielverständnis, mit einem guten Riecher für gefährliche Situationen, mit unkonventionellen Aktionen und einer Lässigkeit, die wir in Stuttgart schon lange nicht mehr erlebt hatten. Im ganzen Wechsel-Theater und dem Willen irgendwo hin zu wechseln, ist ihm diese Lockerheit verloren gegangen. Zuletzt wirkte er bemüht, aber auch gehemmt. Im Kopf nicht frei und auf dem Feld verkrampft. So dass er gegen Köln sogar darum bat, nicht nominiert zu werden.

Mit seiner Körpergröße von zwei Metern gab Kalajdzic dem VfB-Spiel eine neue Dimension: Natürlich ist er der König des Strafraums und der Herr der Lüfte. Im Strafraum ist er am gefährlichsten, aber nicht nur mit dem Kopf, sondern auch mit beiden Füßen. Ganz sicher wird ihm Borna Sosa fehlen, sein Tischtennis- und Flanken-Buddy, der ihm mit seinen Tor-Vorlagen Liebesbriefe schrieb. Dem Vernehmen nach formuliert Sosa die in Zukunft für Luis Muriel und Duvan Zapata von Atalanta Bergamo.

Bricht bei Sven Mislintat jetzt die erste allgemeine Verunsicherung aus, weil er einen Nachfolger für Kalajdzic verpflichten will und muss? Er musste mit einem Wechsel rechnen und sollte darauf vorbereitet sein. Der Name Mergim Berisha machte seit einigen Tagen die Runde, er wechselt jedoch zum FC Augsburg. Kann der Wechsel von Kalajdzic sogar eine Chance sein? Wirklich challenging ist, dass Mislintat wenig Zeit hat, aber er hat es selbst gesagt: Challenges mag er.

Schade Sasa, dass du gehst, ich habe wegen Dir einige österreichische Begriffe gelernt:
A Gurkerl schieben – tun­neln
Fer­serl – Hackentrick
Eiergoalie – schlechter Torhüter
Auf­geigen – attraktiv spielen
Ka Lei­berl haben – keine Chance haben

Schade Sasa, wenn jemand fragt, wofür du stehst, dann ganz sicher nicht für Amore. Auch wenn du dem VfB viel zu verdanken hast, das wäre zu viel verlangt im heutigen Fußball Business. Dennoch bleibt ein unangenehmes Gefühl beim Abschied. Das hohle Geschwätz „Ich kann es nicht alleine entscheiden“ und zuletzt die Aktion vor dem Köln-Spiel beschädigen sein Ansehen nachhaltig. Auch wenn Mislintat sicher ein harter Verhandlungspartner ist, den Wechsel hätten er und sein Berater deutlich respektvoller durchziehen können. Letztlich ein Abgang ohne Stil, wobei dies Kalajdzic wenig kümmern wird.

Auseinandergehen mit Niveau ist schwer, das wissen wir jetzt zu sehr.

Trotzdem:
Vielen Dank für 24 Tore in 60 Spielen, für viele erfreuliche Auftritte abseits des Platzes und viel Erfolg bei den Wolfes, Sasa!

Bild: Thomas Kienzle/AFP via Getty Images

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11 Kommentare

  1. Von 3 Jahren vielleicht 1,5 Jahre gespielt und dann über den Berater verlauten lassen, dass man zu einem Spitzenverein wechseln wird und nun tut man so, als wären die Wolves die sportliche Weiterentwicklung.
    Ich denke es sind nur finanzielle Aspekte. Das ist auch okay, man sollte dann aber nicht so tun, als wäre man mit dem Herzen beim VfB.
    Sasa hat uns in der letzten Phase seiner VfB Zugehörigkeit enttäuscht und das bleibt.

  2. Clemens sagt

    Ich bin froh, dass dieses Wechseltheater endlich ein Ende gefunden hat. Schade, dass Kalajdzic bei seinem Abgang so viel Geschirr zerschlagen hat. Vor diversen Wochen nach dem Köln Spiel hatte ich noch geschrieben, dass uns eine Kausa Lewi erspart bleiben wird. Nun, ich habe mich geirrt, das war nämlich ziemlich dicht am Bayern Theater dran.

    Und obwohl jetzt eigentlich die Erleichterung überwiegen sollte, frage ich mich, wer einen Kalajdzic (selbst in der zuletzt gezeigten Form) beim VfB ersetzen soll. Seine Abschlüsse werden dem Team am Ende nämlich doch fehlen, nicht zu vergessen seine Assists. Die wenigen Tage bis zum Ende des Transferfensters werden möglicherweise nicht mehr reichen, einen adäquaten Ersatz zu bekommen. Und nicht zu vergessen, dass vielleicht auch noch ein Sosa-Ersatz erforderlich ist.

  3. drhuey sagt

    Ohne die Verletzungen hätten wir sicher einen viel grösseren Fundus an Sasas Wirken, an dem wir uns erfreuen könnten und er hat ja die Gabe in Interviews mit seinem Golden Retriever-Blick zu suggerieren, dass er ein VfBler ist. Ich hätte ihm und uns gegönnt, dass er noch mehr Spielen mit seinem kongenialen Partner auf der linken Seite seinen Stempel aufdrückt. Vielleicht hätte es dann auch für ein Regal weiter oben gereicht, wobei das sicher kein schlechter Move ist. Kann er sich bei und mit den Wolves durchsetzen, kann es für ihn auch weiter zu einem CL-Club gehen. Es ist natürlich schade, dass die gängigen Gepflogenheiten nun auch bei ihm gegriffen haben, aber auch klar, dass er jetzt in dieses Schaufenster muss. Objektiv betrachtet sind Spieler, die das Potential haben schneller in der CL zu spielen als der VfB, nicht zu verurteilen, wenn sie entsprechend handeln.
    Servus, ba ba und alles Gute!

  4. Konny sagt

    Oh ein extra Artikel. – Ist eigentlich schon geschrieben worden, wie hoch sein neues Gehalt ist?

    Im letzten Jahr hatten wir nicht so wahnsinnig viel von ihm und in diesem die letzten paar Monate hauptsächlich Theater. Meine Gefühlslage ist: Gott sei Dank! Abgesehen vom höheren Gehalt fehlt mir jedwede Empathie für diesen Wechsel. Abstiegskampf ohne Europawettbewerb im deutlich kälteren England mit deutlich sehr schlechterem Wetter plus höhere Wettkampfhärte. (bei seiner Verletzungsanfälligkeit…)

    Für mich müsste ein Verein eine gewisse Strahlkraft haben und als nächster Schritt würde ich ein Mitspielen in einem europäischen Wettbewerb sehen. Und vor allem ein Club, der öfter gewinnt als verliert. Zu 85 Prozent aller Spiele verlieren nervt doch, das wird so weiter gehen. Der Wechsel kommt mir genauso nicht nach vollziehbar vor wie der Massimo Wechsel in die zweite Portugal Liga.

  5. Bacardihardy sagt

    Sasa war halt ein echter Typ, vor allem mit seinem Charme und österreichischen Schmäh vor der Kamera, und halt ein echter Stürmer im Strafraum. Er wechselt natürlich, da er das 3fache an Gehalt bei den Wolfes bekommt. Klar würde ich auch wechseln, besser 3 Mio als 1 Mio im Jahr, logisch. Alles andere drumherum ist Show und die hat er sehr sympathisch abgeliefert. Ich wünsche ihm das Beste, und für den VfB, dass er verletzungsfrei gross aufspielt in England. Alles andere sei ihm verziehen.
    Jetzt ist Platz für die Jungs aus der zweiten Reihe.

  6. Ronny sagt

    Ich denke nicht, dass der Körper von Kalajdzic der härteren Gangart in der Premier League gewachsen ist, aber sein Vertrag ist ja langfristig und sein schmieriger Berater kassiert auch fett ab. Denn bei diesem Transfer geht es einzig und allein um die Kohle, und ein sportlicher Mehrwert ist zumindest für mich nicht erkennbar. Der Streik gegen Köln hat sein Ansehen stark beschädigt, wobei er sicherlich den ein oder anderen Fan verloren hat !

  7. Jörn sagt

    Es ist echt schade, wie das Ende kam. Der Artikel ist gut geschrieben und ich wünsche Sasa alles Gute für seine Zukunft. Wenn er aber weiter so oft verletzt ist, wie bei uns, wird es schwer für ihn. Und ich sehe schon kommen, das er in zwei Jahren nach Hoffenheim, Köln, Wolfsburg oder Berlin ausgeliehen wird…weil es einfach dann nicht reicht. Daher alles Gute Sasa bei den Wolves

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