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Der Cheffe

Anfang der 2000er Jahre, da war Schalkes Manager Rudi Assauer in etwa so beliebt in Stuttgart wie Winnie Schäfer. Es kursierte jede Woche ein neues Gerücht:
Kuranyi: Was läuft da mit Schalke?
Wechselt Hinkel in den Pott?
Assauers Plan: Bordon neuer Abwehr-Chef auf Schalke!

Und so kam es dann 2004. Auch wenn wir Bordon in unser Herz geschlossen haben, der Brasilianer ist ein echter Königsblauer geworden.

2000 war Bordon für rund 4,5 Millionen Mark aus Sao Paulo an den Neckar gewechselt. Ohne Übertreibung kann man sagen, dass er eine Zeit lang der beste Abwehrspieler der Bundesliga war. Nach einer kurzen Anlaufzeit entwickelte er sich in Stuttgart zum unumstrittenen Abwehrchef. Er hatte besondere Führungsqualitäten und war Fixpunkt in der Mannschaft, an dem sich seine Mitspieler orientieren konnten. Er hatte das Talent zum Zweikampf mit Signalwirkung, wenn er einen Gegner in beeindruckender Art ablief oder zu einem Tackling heranflog. Wenn er eine Flanke im Strafraum klärte, dann köpfte er den Ball so weit wie andere ihn nicht schießen konnten.

Bordon verkörperte den absoluten Siegeswillen auf dem Platz. Seine Ausstrahlung und seine imposante Statur wirkten furchteinflößend auf die gegnerischen Stürmer. Er war ein Kraftpaket, die Fußballsprache erfand für ihn den Begriff “Abwehrhüne“. Die taz dagegen nannte ihn „der elefantenohrige Brasilianer” und der kultivierte in seinen viereinhalb Jahren beim VfB eine sehr körperbetonte aber nie unfaire Spielweise, mit seinem muskulösen Oberkörper und seinen Tattoos hätte er auch in Gangsta-Rap-Videos eine gute Figur gemacht. Sein Spielstil war resolut, aber sachlich. Das spektakulärste war der enorme Umfang seiner Oberschenkel – und natürlich sein Fernschuss, ihn waffenscheinpflichtig zu nennen, ist eine Untertreibung.

Auf dem Platz zeigte er sich unerbittlich, schonte weder sich noch Gegen- oder Mitspieler. Abseits trat er scheinbar eher sanft auf, seine ruhige Art zu sprechen und seine fast melancholische Stimme unterstrichen dies noch. Bordon ist sehr gläubig und auf Schalke kursierte das Gerücht, er hätte Beef gehabt mit Frank Rost. Der Torhüter meinte, Bordon habe Stimmung gegen ihn gemacht, weil er nicht mit ihm habe beten wollen. Trainer und Manager habe Bordon angeblich gesagt, Rost bringe ihn durcheinander, denn er sei vom Teufel besessen. Bordon bestritt das, und obwohl beide total unterschiedliche Charakter waren, hielten der Brasilianer und Rost letztlich die Knappen-Abwehr zusammen.

In Stuttgart wird Bordon gerne auf das legendäre 4:4 gegen Werder Bremen reduziert. Zwei hammerharte Freistöße, drei Tore, in der Tat unvergesslich. Ebenso wie das Line-up 2004:
Hildebrand – Lahm, Zivkovic, Bordon, Gerber – Meira, Soldo, Hleb, Meißner (52. H. Yakin) – Kuranyi, Streller (82. Szabics)
(auf der Bank: Rui Marques, Tiffert, Heldt, Cacau)

Ein halbes Jahr zuvor stand Bordon natürlich auch beim 2:1 gegen Manchester United auf dem Feld. Ruud van Nistelrooy machte keinen Stich und sagte nach Spiel: „Wenn Du den Atem von Bordon im Nacken spürst, denkst Du, es wäre ein Orkan“.

Mit Bordon war nicht alles gold, was glänzt, auch wenn es in seiner Ära goldene Trikots gab. Der VfB befand sich auch im Abstiegskampf, mit dem Happy-End und Tor von Krassimir Balakov am 33. Spieltag 2001. Da waren viele trostlose Spiele dabei, gewürgte Siege wie gegen Bremen, als Adhemar zwei Tore schoß und den Werder-Keeper mit Anlauf umsenste. In dem Spiel verwechselten Sebastian und ich noch Timo Wenzel und Andi Hinkel, die in dieser Saison von Felix Magath das Vertrauen geschenkt bekamen.

Bordon fiel in Stuttgart mit fast preußischer Disziplin auf und war beim VfB stets Vorbild für jüngere Spieler. Womöglich hat sich Fernando Meira einiges bei ihm abgeschaut. 2007 stemmte er als Kapitän die Meisterschale in den Himmel, während auf Schalke nicht nur Bordon und Kevin Kuranyi trauerten. Wären sie doch nur in Stuttgart geblieben.

Zum Weiterlesen:
Die Nachfolger von Bordon auf Schalke – Yoshida und Jenz – haben bei weitem nicht die Qualität des Brasilianers, verteidigen aber die ideenlosen Angriffe des VfB recht locker (Spieltagsbericht).

Foto:
Imago/Pressefoto Baumann

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6 Kommentare

  1. Clemens sagt

    Bordon und Kuranyi hatten beide grundsätzlich das Zeug, in Cannstatt zu Legenden zu reifen. Ihre Abgänge nach Gelsenkirchen habe ich ihnen daher nie verziehen. Ausgerechnet zu einem Verein, der damals gezielt in Bremen und Stuttgart die Leistungsträger aufgekauft hat und bereits zu dieser Zeit ganz offenkundig über seine Verhältnisse gelebt hat. Selbst Magath wollte man zum S04 holen. VfB Nostalgie kommt bei diesen Namen zumindest bei mir nicht auf.

    • @abiszet sagt

      Genau, Schalke holte sich gezielt Spieler vom VfB und vor allem aus Bremen. Bordon war fast fünf Jahre da und hat hier Spuren hinterlassen – zumindest auch bei mir. 😉

      • Clemens sagt

        Anfang des neuen Jahrtausends ging es los mit Reck, Rost, Krstajic, Ailton, Ernst. Selbe Zeit bei uns eben Bordon und Kuranyi. Speziell die Deichstube hat einige Artikel hierzu im Repertoire. Özil war der einzige, der den umgekehrten Weg nach Bremen gegangen ist.

  2. Christian Mauch sagt

    Naja, kann mich an die Geschichte noch sehr gut erinnern, beide haben in der Schalker Zeit allerdings nie die Schale hochgehalten, wir schon 😎

    • Der Groundhopper sagt

      Vielleicht sucht der VfB ja noch einen weiteren Berater! (Frei nach der Sendung mit der Maus: „Das war: Sarkastisch“)

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