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Die Autorität

Soldo bei Köln in der Startelf? Ich hatte mich nicht verlesen. Es ist Nikola, der Sohn von Zvonimir, der auch eine Vergangenheit beim 1. FC Köln hatte: als wenig beliebter Trainer, der einfallslosen und sehr defensiv geprägten Fußball spielen ließ. Mit dem VfB Stuttgart war Zvoni deutlich erfolgreicher, gewann unter Jogi Löw 1997 den DFB-Pokal und erreichte 1998 das Finale im Europapokal der Pokalsieger gegen Chelsea. Er führte die Mannschaft als Kapitän im Champions League-Spiel gegen Manchester United 2003 auf das Feld.

Soldo war nicht schnell. Er begeisterte nicht mit technischen Kabinettstückchen. Er hatte in etwa den Aktionsradius von der Größe eines Bierdeckels, meinte man. Aber er stand immer richtig im Raum, gab der Mannschaft Stabilität und Struktur, Führung und Format. Er verstand sich immer als Arbeiter und als Dienstleister für die Mannschaft. Bot sich in schwierigen Situationen bei seinen Mitspielern an, spielte die einfachen Pässe, die so lapidar aussahen, aber große Wirkung im Spielaufbau hatten.

Gegnerische Angriffe prallten an ihm ab, seine Grätschen waren fruchterregend, in Kopfballduelle wollte mit ihm sowieso keiner gehen. Soldo war nicht unbedingt ein Lautsprecher, aber sein Wort hatte Gewicht. Er verlangte von seinen Mitspielern den gleichen Einsatz, wenn das nicht der Fall war, konnte er richtig sauer werden – und laut. Aber immer in der Kabine, nie nach außen.

Seine Ruhe auf dem Spielfeld gab den Mitspielern Halt. Davon profitierten auch die Trainer, von Löw über Felix Magath bis zu Matthias Sammer. Ralf Rangnick bekam es dagegen nicht gut, dass er Ärger mit Soldo anzettelte. Giovanni Trapattoni setzte den Kapitän zum Ende seiner Karriere sogar vermehrt auf die Bank. Bei beiden ging es nicht gut aus. 2001 hatte Magath gesagt: “Balakov und Soldo spielen immer – egal was sie machen!“ Er wusste, auf wen er sich verlassen kann.

Timo Wenzel, neben Andreas Hinkel, Philipp Lahm, Kevin Kuranyi und Alex Hleb einer der jungen Wilden unter Soldos Führung, sagte über seinen Kapitän: “Seine Autorität auf dem Platz war förmlich greifbar. Soldo hat nicht sonderlich viel geredet, aber wenn er den Mund aufgemacht hat, war das inspirierend. Er hat sehr einfach gespielt: ganz klar, mit wenigen Kontakten, mit sauberen Pässen und ohne Risiko, aber mit vollem Einsatz im Zweikampf.”

301 Bundesliga-Spiele absolvierte Soldo für den VfB. Dabei sollte er 1995 eigentlich zu Borussia Dortmund wechseln. Die Westfalen nahmen Soldo mit auf eine Testspiel-Reise, wo sich ein Gegenspieler nach einem Zweikampf mit Soldo einen Wadenbeinbruch zuzog. Geleitet hatte dieses Spiel Schiedsrichter Bernd Heynemann, der den Dortmundern danach von einem Transfer abriet: “So wie der spielt, kriegt er pro Saison zwei rote Karten – Minimum“. Soldo wechselte schließlich zum VfB, bekam nie eine rote Karte, musste nur zwei Mal in zehn Jahren mit gelb-rot vom Platz.

Dortmund ärgerte sich noch lang über de verpasste Gelegenheit, beim VfB dagegen kam Hektik auf, als Soldo seine Karriere 2006 beendete: Wer soll die dominante Führungsfigur im Mittelfeld ersetzen? Ein Mexikaner womöglich? Wer ist dieser Pavel Pardo? Schon im Verlauf seiner ersten Saison wussten wir es. In seinem kurzen Wirken ist Pardo fast eine ähnliche Legende geworden wie sein Vorgänger Soldo.

Zum Weiterlesen:
Die Rückkehr an seinen Geburtsort war für Nikola Soldo bei der 3:0-Niederlage eher ernüchternd.

Bild:
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5 Kommentare

  1. Bacardihardy sagt

    Soldo war einer meiner absoluten VfB Lieblingsspieler. Die Geschichte mit dem BVB kannte ich nicht. Super Typ.

  2. Clemens sagt

    Danke für diesen historischen Rückblick. Endlich bin ich mir mit Bacardihardy mal in einer Sache einig. Soldo steht auch in meiner VfB All-Star Elf im Mittelfeld. Und in der Tat war auch mir die BVB Anekdote gänzlich neu.

  3. @abiszet sagt

    Schön 👍
    Wusste ich auch nicht, habe ich nachgelesen und bin drauf gestoßen, als Soldo Trainer in Köln war.

  4. Harald Christner sagt

    Das waren noch Zeiten! Ich durfte als kleiner Bub 2003 beim Spiel gegen Wolfsburg als Einlaufkind an Soldos Hand aufs Spielfeld laufen. Da krieg ich heute noch Gänsehaut. :’)

    Wir hatten damals so eine unglaublich geile Mannschaft mit Meira, Hleb, Kuranyi, Hinkel, Hildebrand, Tiffert, Szabics, Lahm, Amanatidis und natürlich Soldo. Bin sehr froh, dass ich mit so einem VfB groß werden durfte. In den letzten 10-15 Jahren liefert der VfB dem schwäbischen Nachwuchs leider nicht viele Argumente…

    Auch auf Wolfsburger Seite waren damals einige Kicker mit Kultstatus dabei mit D’Alessandro, Klimowicz senior, Stefan Schnoor oder Maik Franz.

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