Mini-Feature, Querpass, VfB
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VfBeziehungskrise

Seit wir hier 2014 angefangen haben, mussten durften wir schon so einiges mit dem VfB Stuttgart erleben: Einen Fastabstieg, die wilde Zorniger-Zeit, die Kramny-Katastrophe, das Dutt-Desaster und den unnötigsten Abstieg aller Zeiten. Die kurze Luhukay-Ära, die überraschenden Engagements von Jan Schindelmeiser und Hannes Wolf. Die  Großkreutz-Affäre, den Aufstieg, die Ausgliederung, den Rauswurf von Schindelmeiser und vieles mehr. Wahnsinn eigentlich. Aber alles andere wäre ja auch langweilig.

Jedenfalls ist es nicht das erste Mal, dass sich die VfB-Fans in zwei Lager teilen. Und verglichen mit den Anfeindungen rund um die Ausgliederung ist der Ton unter ihnen diesmal sogar sehr gemäßigt. Aber vielleicht ist genau das das Problem. Ist aus einer leidenschaftlichen Affäre ein pragmatische Zweckehe geworden? Dieses Gefühl konnte man jedenfalls am vergangenen Sonntag im Stadion bekommen.

Dass der VfB Stuttgart selbst entweder völlig unsensibel gegenüber den Befindlichkeiten seiner Fans ist, oder dass es den Verantwortlichen schlichtweg egal ist, ist auch nichts neues.  Und wurde auch in der vergangenen Woche wieder eindrucksvoll unter Beweis gestellt.

Während die Fans am “Deadline Day” flehentlich auf dringend benötigte Neuzugänge hofften, präsentierte der VfB lieber ein Angebot zum Valentinstag.

Zwei Tage später folgte dann das Super-Duper-Wibi-Ginni-Angebot. Inklusive Fotoshooting am Tag von Wolfs Rauswurf und mit falsch geschriebenem Spielernamen. Klar, kann mal passieren. Genauso wie eine fehlende Arbeitserlaubnis für einen Spieler. Professionalisierung auf allen Ebenen eben.

Auch, dass Präsident Wolfgang Dietrich seine Version der Wahrheit ohne kritische Nachfragen verbreiten darf, ist nichts neues. “Mehr Zuspruch als Gegenwind” habe man bekommen, sagte er dem kicker. Und da fragte man sich schon, warum man ihn bei der Gelegenheit nicht mal mit der Umfrage konfrontiert hat, die man selbst durchgeführt hatte. Da waren nämlich knapp 60.000 von 90.000 Befragten der Meinung, dass die Vereinsführung schuld an der Misere ist. Da muss in der Mercedesstraße einiges los gewesen sein bei so viel Zuspruch.

Und auch Michael Reschke wiederholte gebetsmühlenartig, dass man mit Tayfun die absolute Toplösung für den Trainerposten gefunden habe. So lange bis er es vermutlich selbst glaubte. Warum Korkut ausgerechnet mit dem unausgewogenen Kader eines Aufsteigers erfolgreicher sein soll als bisher in seiner Karriere fragte niemand.

Aber wie gesagt: Das ist nichts neues. Das kennen wir. Brustring-Business as usual sozusagen. Dennoch mache ich mir Sorgen. Uwe-Seeler-mäßige Sorgen.

Denn im Gegensatz zu den bisherigen Krisen hat diese eine neue Qualität. Denn diesmal ist die Mannschaft nicht von der Kritik ausgenommen. Ganz im Gegenteil: Sie stand nach den völlig blutleeren Auftritten in Mainz und gegen Schalke in ihrem Zentrum. Jetzt pfeifenFans gegen Spieler, Spieler kritisieren die Pfiffe. Fans schreiben sich ihren Frust von der Seele, Spieler sprechen von einem Shitstorm. Das ist etwas neues. Und es teilt die Fans gleich in drei verschiedene Lager:

Die Linientreuen
Finden alles perfekt, so wie es ist. Sind der Meinung, Fans haben nicht das Recht, Kritik zu äußern – außer auf der Mitgliederversammlung.

Die Gemäßigten
Finden es nicht gut, wie die Vereinsführung agiert. Sind aber gleichzeitig der Meinung, dass die Fans die Pflicht haben, immer alles für das Team zu geben. Finden Pfiffe gegen die eigene Mannschaft beschämend.

Die emotionalen Bruddler
Finden, dass das Team eine Mitschuld an der Krise hat. Sind der Meinung, dass die Mannschaft erstmal liefern muss, bevor sie das gleiche von den Fans fordern sollte.

1, 2, oder 3: Habt ihr euch wiedergefunden? Der aktuelle Konflikt hat jedenfalls das Potenzial, nicht nur einen Keil zwischen die Fanlager zu treiben, sondern auch zwischen Supporter und Team. Und das wäre verheerend. Denn – wenn überhaupt – geht es nur gemeinsam zum Klassenerhalt.

Andererseits kann man auch nicht akzeptieren, dass die Vereinsführung bedingungslose Unterstützung einfordert, während sie gleichzeitig immer wieder beweist, dass ihr Mitglieder und Fans nicht wichtig sind. Ein echtes Dilemma.

Aber es gibt vier Gründe, warum der VfB Stuttgart trotzdem nicht absteigt:
1. FC Köln (Abgeschlagener Letzter, Trainer und Sportchef getauscht, verheerende Außendarstellung zum Ende der Hinrunde), Mainz 05 (Theater in Vorstand und Aufsichtsrat, dicke Luft zwischen Fans und Team) und den HSV (der HSV eben). Denen geht es ähnlich, aber sie haben noch weniger Punkte. Der VfL Wolfsburg steht zwar in der Tabelle (noch) vor dem VfB, hat aber ebenfalls die gleichen Probleme – und bereits den zweiten Trainer. Alle vier stecken also ebenfalls nicht nur sportlich in der Krise.

Doch bei einem Klassenerhalt ist zu befürchten, dass es in Stuttgart genau so weiter geht wie in den letzten Jahren. Und ist das wirklich gut? Denn ganz offensichtlich werden Fans, Zuschauer und Mitglieder langsam müde, diesen ewigen Kreislauf aus Hoffnung, Ernüchterung, Wut und Enttäuschung mitzumachen.

Diese Beziehung hat schon bessere Zeiten gesehen – ganz unabhängig vom sportlichen Erfolg. 

Lesenswerte Texte zur Beziehungskrise gibt es auch bei
Brustring1893-Ron, BrustringTalk-Martin, Blutgrätscher-Jakob und Franky.

 

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1 Kommentare

  1. Ich wurde damals in Augsburg gefragt warum wir gegen unsere Jungs pfeiffen, die junge Dame als Augsburg fan hatte es nach dem Spiel auch leicht. Damals war das kein gutes Spiel und keiner hatte das Gefühl das sich die Jungs ihren Hintern aufreisen.

    Dennoch war die Stimmung damals anders als heute. So stelle ich mir die Stimmung vor wenn mal 50+1 weg ist und wir dann nicht mehr der VfB sondern der was weiß ich sein könnten.

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