Mini-Feature, VfB
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Wer wird der Derby-Held 2019?

Wer in die jüngere Derby-Vergangenheit schaut, der kommt an Takuma Asano nicht vorbei. Der schnelle Japaner, auch Usaino genannt, traf eigentlich nur gegen den KSC. Fünf Tore schoss er in seiner Zeit beim VfB, drei davon gegen Karlsruhe. Aber wir müssen ehrlich sein, viel mehr als schnell rennen konnte Asano nicht. Das war bei Fredi Bobic ganz anders: Er schoss die meisten Derby-Tore: sieben Stück Stück in neun Spielen. Auf den Plätzen in der Derby-Torjägerliste folgen Walter Kelsch und Karl Allgöwer mit je vier Treffern. Bobics spektakulärstes Tor war sicher der Siegtreffer in der 90. Minute beim 1:0 in der Saison 1996/97.

Rund zweieinhalb Jahre zuvor kann man mit Blick auf die Aufstellung nostalgisch werden: der krummbeinige Carlos Dunga, der wuselige Wiggerl, der sein Spiel beim VfB spielte, die Prototypen für schlechtes Benehmen Axel Kruse und Thomas Berthold.
Immel – Foda, Berthold, Buck – Dunga, Kienle, Kögl, Poschner, Strunz – Bobic, Kruse

Das 4:0 in der Saison 1994/1995 war ein absolutes Highlight: Klar, Bobic traf und mit ihm Kruse, Kögl und Dunga. Aber ganz ehrlich, das KSC-Tableau liest sich auch nicht schlecht:
Reitmaier – Wittwer, Bilic, Metz, Reich – Bonan, Häßler, Tarnat, Fink – Kirjakov, Knup

Aber genug Historie. Die Frage ist doch: Wer wird Derby-Held 2019?
Wir wagen eine Prognose und die geht so:

Das Spiel beginnt mit zehn Minuten Verzögerung, weil aus dem Gästeblock Raketen aufs Spielfeld geschossen werden. VfB-Co-Trainer Rainer Ulrich (338 Spiele für den KSC) höchstpersönlich geht in die Kurve, um seine Landsleute zu beruhigen. Man muss es so sagen: Die Aktion trägt nicht wirklich zur Beruhigung der Gemüter bei. Aber wer hätte gedacht, dass man mit 70 Jahren noch so schnell laufen kann? Große Überraschung dann beim Anpfiff: Um sich gegen die gefährlichen Umschaltmomente des KSC zu wehren, hat sich Tim Walter eine besondere Taktik ausgedacht. Er spielt mit Libero! Und der ist kein Geringerer als Mario Gomez. „Auch wenn er vorne nicht mehr so torgefährlich ist, so möchte ich seine Erfahrung, seine Mentalität und auch seine Kopfballstärke auf dem Platz haben“, so Walter.

Das Spiel ist alles andere als ein Feuerwerk. Der VfB zwar mit 92 Prozent Ballbesitz, der KSC verteidigt aber clever und vor allem rustikal. Nicht nur das, in der 29. Minute wuchtet sich Philipp Hofmann nach einer Ecke in die Luft und köpft zur Führung ein. Er ist so frei am Fünfmeterraum, es sah so aus, als ob die VfB-Abwehr noch nie von der Standardstärke des KSC gehört hätte. So viel zum Thema „Derbysieg ohne Gegentreffer“, wie es sich VfB-Trainer Tim Walter in der Pressekonferenz vor dem Spiel wünschte. Was sein Gegenüber wiederum respektlos fand.

Kein Wunder, dass es plötzlich zwischen den beiden Trainern funkt: Alois Schwartz und Tim Walter sind unterschiedlicher Meinung, was ein Handspiel von KSC-Verteidiger David Pisot im eigenen Strafraum angeht. Walter ist wie 55.000 Zuschauer der Meinung, dass das ein klarer Elfer ist, Schwartz macht eine eindeutige Handbewegung, dass Walter dringend zum Augenarzt gehen sollte. Bevor es zu Handgreiflichkeiten kommen kann, wird Schwartz allerdings von Günther Schäfer humorlos umgegrätscht und dafür von den Fans gefeiert. Schiri Tobias Stieler lässt den Teambetreuer nach Videobeweis mit einer Verwarnung davon kommen. Glück gehabt! Jetzt ist wirklich Feuer drin in der Partie und Santiago Ascacibar ist für solche Spiele geboren worden. Er brennt, er rennt, er grätscht, er grabscht, er rempelt und er ist der personifizierte Pain in the Ass für die KSC’ler. Ascacibar hat begriffen, um was es bei diesem Spiel geht und wird direkt nach Abpfiff zum Schwabe ehrenhalber ernannt und zum Stuttgarter des Jahres gewählt.

Nach der Pause hat sich der VfB warm geschossen und sich den KSC zurecht gelegt. Nur: Ein Tor will nicht fallen. Silas Wamangituka trifft sieben Mal Aluminium, Hamadi Al Ghaddioui verschießt zwei Mal völlig freistehend und Philipp Klement verstolpert wie auch in den letzten Spielen beste Torchancen. In der 70. Minute geht ein Raunen durchs Stadion. Kann das wirklich sein? Entgegen seiner Ankündigung steht Thomas Hitzlsperger am Spielfeldrand – im Trikot mit der Nummer 11. Tim Walter will ihm noch Anweisungen geben, aber „The Hammer“ winkt ab. Schließlich ist er der Chef. Ein CEO muss tun, was ein CEO tun muss. Bei seiner Einwechslung erheben sich erst die Zuschauer, dann hebt das Stadion auf einem gigantischen Lärmteppich ab. Hitzlsperger schießt bei seiner ersten Ballberührung aus 30 Metern aufs Tor (vier Meter drüber) und das ist das Signal an seine neuen Mitspieler.

Kapitän Marc-Oliver Kempf ist statt in der Innenverteidigung nur noch auf der zehn und im gegnerischen Strafraum zu finden. Gonzalo Castro entwickelt plötzlich eine Dynamik, die man ihm nicht mehr zugetraut hätte, Philipp Förster rennt auf der rechten Seite alles in Grund und Boden und schlägt eine Flanke nach der anderen in den Strafraum. Der Ausgleich fällt schließlich glücklich durch eine Standardsituation: Eine abgefälschte Ecke von Klement landet auf dem Oberschenkel von Holger Badstuber und prallt von dort unhaltbar ins Netz. Das ganze Stadion brüllt „Derbystuber“ und will noch mehr. Euphorisiert rennt alles nach vorne, einzig Mario der Libero verharrt an der Mittellinie und konzentriert sich auf seine defensiven Aufgaben. Der Routinier legt überhaupt eine blitzsaubere Partie auf ungewohnter Position hin und wird ab sofort von seinen Mitspielern nur noch „Franz“ genannt.

Hitzlsperger versucht es immer wieder mit Weitschüssen, jedoch ohne Erfolg. Entweder geht ihm die Kraft aus oder er hat es selbst eingesehen, dass es mit einem Tor nicht mehr klappen wird. Aber mit einem letzten verzweifelten Versuch in der 87. Minute macht der spielende Sport-Vorstand und kickende Vorstandsvorsitzende Nicolas Gonzalez zum Matchwinner:

Ein als brachialer Flachschuss gedachter Ball wird zum genialen Vertikalpass für den Argentinier, der während der gesamten Partie die meiste Zeit liegend auf dem Rasen verbrachte. Der versucht gar nicht erst, die Kugel zu stoppen. Er ist zu entkräftet und die Gefahr groß, dass er den Ball entweder verdaddelt oder ihm ein Karlsruher in die Beine tritt. Er tritt deshalb mit der Picke völlig unkontrolliert auf den Ball. Das Ergebnis ist eine absurde Flugbahn, die in allen Jahresrückblicken „die magische Kugel” genannt wird. Anfangs sieht es so aus, als ob der Ball zentral aufs Tor kommt. Dann dreht die Kugel nach links, um schließlich an den rechten Innenpfosten zu klatschen, von dort zum linken Innenpfosten zu rollen und endlich hinter die Linie zu gehen. KSC-Keeper Benjamin Uphoff muss mit einem Schleudertrauma behandelt werden, weil er mit seinem Kopf die Flugbahn des Balles verfolgte. 2:1, das Stadion explodiert, Tim Walter dreht eine Ehrenrunde – oberkörperfrei versteht sich. Und den Pfostentreffer der Karlsruher in der 93. Minute lächelt er später einfach weg.

Was. Für. Ein. Derby!

(Foto: imago images / Pressefoto Baumann)

Wer sich mit noch mehr VfB-Historie beschäftigen möchte, dem sei unser “Vertikalbuch” empfohlen! Darin arbeiten wir uns anhand des 19. Mai 2007 durch die VfB-Geschichte

Alle Infos zur VfB Stuttgart Fußballfibel findet ihr auch hier.

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12 Kommentare

  1. Rudi Fritz sagt

    Super geschrieben, der Text läuft runter wie Öl. Hoffentlich nehmen sich unsere Brustringkicker ein Beispiel an der Schreibensleidenschaft des Autors und holen gegen den KSC drei Punkte. Sonst droht Ungemach von den Fans……..

  2. “Bobics spektakulärstes Tor war sicher der Siegtreffer in der 90. Minute beim 1:0 in der Saison 1996/97.”

    Auch wenn das bei Toren ja immer Geschmackssache ist, seid ihr sicher, dass ihr nicht die Tore verwechselt? Bobics besagtes 1:0 im Rückspiel 96/97 war sicher vom Spielverlauf her sehr dramatisch und wahnsinnig wichtig, nachdem man aus den vier vorausgegangenen Spielen (winterpausenübergreifend) nur einen Punkt geholt hatte, aber es war eigentlich ein ziemliches Stolpertor nach einem Eckball.

    Das spektakulärste (bestätigt durch die Wahl zum Tor des Monats Mai 96) war wohl eher sein Fallrückzieher zum 1:0 am letzten Spieltag der Saison 95/96 (Endstand 3:1), womit man dem KSC in Rolf Fringers letztem Bundesliga-Spiel als VfB-Trainer den sicher geglaubten Einzug in den UEFA-Cup versaute. Ich meine ungefähr 12. Spielminute, ein Einwurf von Marco Haber auf Straufraumhöhe hoppelt an Freund und Feind vorbei in den Karlsruher Strafraum, Bobic schwingt sich vor der Cannstatter Kurve zum Fallrückzieher auf und…. Bäm! Ich mittendrin im alten Block 32, damals noch nicht mit Sitzschalen, sondern Bänken. Hach…

    • @abiszet sagt

      Hi Paul, das ist von mir nicht präzise genug formuliert: ich meine Bobics spektakulärster Derby-Treffer … mir im Gedächtnis blieb, dass er in seinen ersten fünf Bundesliga-Spielen immer traf (ist, glaube ich, immer noch Rekord).

  3. Hatte ich schon so verstanden, das Du von seinen Derbytreffern sprichst, ich meine aber wie gesagt, Bobics spektakukärster Derbytreffer war nicht das 1:0 in der 90. Minute beim 1:0-Sieg 96/97 sondern das 1:0 in der 12. Minute beim 3:1 Sieg 95/96.

    Ob sein Start-Tore Rekord noch hält weiß ich nicht aus dem Stand, aber es ist richtig, dass er in seinen ersten 5 Spielen (die Spieltage 1 – 5 der Saison 94/95) immer traf, da war aber kein Derby drunter. Das in eurem (sehr gelungenen!) Text erwähnte 4:0 ereignete sich nach meiner Erinnerung erst um Oktober 94. Du siehst, ich überkompensiere hier, dass ich es heute Abend nicht zum MeinVfB-Pub-Quiz schaffe und werde jetzt aufhören, eure Kommentarfunktion mit VfB-Historie zuzuspammen ;-)

    • @abiszet sagt

      Stimmt. Ist eben Ansichtssache, kann Deine Argumente gut nachvollziehen.

      Kein Problem mit der VfB-Historie in den Kommentaren. Ist ja was Schönes, zurück zu blicken, habe ich auch gemerkt beim Schreiben des Buches.

      Ich habe beim PubQuiz drei Mal mitgemacht. Einmal gewonnen und zwei Mal komplett versagt. Was Philipp da immer wieder rauskramt, ist schon Hardcore.

  4. Phil (nicht Maisel) sagt

    Und nochmal bisschen Nostalgie. Es gab ja mal tatsächlich einen “Topstürmer” als Libero (deshalb hast du es vermutlich eingebaut).
    Bobic musste doch auch mal kurzfristig als letzter Mann ran.
    Wisst ihr noch wann das war? Hatte sich da Verlaat beim warmmachen verletzt!?
    Ich war damals als Jugendlicher im Neckarstadion, bekomme es aber nicht mehr ganz zusammen.

    • @abiszet sagt

      Ja, genau. War gegen Leverkusen, Verlaat verletzt, Thomas Schneider gesperrt und so lief Bobic als Libero auf. Der VfB verlor zu Hause gegen Leverkusen, gegen Ende rückte Bobic allerdings wieder in den Sturm, um den Ausgleich zu erzwingen.

  5. Die ganze Stimmungsmache gegen den KSC von Seiten einiger Fans und die Großmäuligkeit des Cheftrainers sind nicht gut fürs Karma. Würde mich nicht wundern, wenn wir morgen erneut gegen ein Mentalitätsmonster auf die Fresse fliegen. Fragt sich nur wie lange wir dann noch diesen Trainer ertragen müssen mit seinem Guardiola-Fussball für arme. Sorry Freunde, hab den gefressen – ich geb’s ja zu. Nehmt es mir nicht Übel.

  6. Joerg Leins sagt

    Gomez als Libero und ein Holger als Goalgetter unterschrieb ich sofort Ergebnis 4:3 in der 98.

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