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Zu Risiken und Nebenwirkungen …

Augsburg, die letzten beiden Spiele: 2:1 (Siegtor in der 91. Minute) und 3:2 (Siegtor in der 85. Minute). Beides Freakspiele mit Last-minute-Toren für den VfB, aber es waren auch Heimspiele. Am Freitag geht’s jetzt nach Augsburg, also an dem Tag, an dem die Fuggerstädter in dieser Saison besonders gerne gewinnen. Es ist damit zu rechnen, dass wir nicht nur in Augsburg, sondern bei allen sechs bis acht folgenden Bundesliga-Partien unseres Herzenvereins Herztropfen oder zumindest Baldrian benötigen werden. Ansonsten kommt es zu unabsehbaren Risiken und Nebenwirkungen. Wann gibt’s das endlich im VfB-Shop?

Wir sollten davon ausgehen, dass das Saisonfinale ähnlich aufregend werden wird wie 2022, dort mit den knappen Siegen gegen Gladbach, Augsburg und dem emotionalen Finale gegen Köln. Das hat damit zu tun, dass Sebastian Hoeneß die (taktischen) Fesseln von Bruno Labbadia gelöst hat – die FAZ schrieb unlängst noch von “irgendwie gelähmt wirkenden Stuttgarter Spielern“ – und der Mannschaft Leitplanken gegeben hat, in denen sie frei agieren kann. Was im Idealfall bedeutet, vorne ein Tor mehr zu schießen als hinten rein zu bekommen. Das Torverhältnis nach drei Hoeneß-Spielen: 7:5. Der neue Trainer weiß: Die Abwehrfehler wird er so gut wie nicht verhindern können, also dann in der Offensive auf sie mit Gebrüll. Oder wie die ZEIT schreibt: “Statt blutleerem Defensivfußball wie sein Vorgänger Bruno Labbadia lässt Hoeneß stürmen. Zum einen, weil Stuttgart eh nicht verteidigen kann, zum anderen, weil der Hurrastil auch das phänomenale Stuttgarter Publikum zuverlässig abholt.“ Ob das bis Saisonende gut geht? Selbst der Arzt oder Apotheker wird es uns nicht sagen können.

Die Voraussetzungen am 29. Spieltag sind nicht die schlechtesten: Der VfB fährt mit der Euphorie des 3:3 gegen Borussia Dortmund ins bayerische Schwabenland und Augsburgs Kapitän und Abwehr-Chef Jeffrey Gouweleeuw ist nach der zehnten gelben Karte gesperrt. Dazu fällt womöglich mit Stürmer Mergim Berisha der beste Scorer weiterhin verletzt aus.

Zynisch, fies, dreckig.
Gegen Augsburg wird es ein anderes Spiel werden, da wird keiner in der Nachspielzeit gemütlich zurück traben. Es wird anstrengend werden, wir werden weiter leiden müssen. Denn die Spielweise des VfB geht echt an die Substanz. Die Jungs aus Cannstatt haben zwar den Glauben wiedergefunden, was allerdings nicht bedeutet, dass die defensive Schusseligkeit und Fehleranfälligkleit deshalb abgestellt worden wäre. Was Augsburg entgegen kommen könnte, deren Fußballspiel oft zynisch ist. Wobei sie mit ihren Winter-Transfers wie Dion Beljo, Kelvin Yeboah, Irvin Cardona oder Arne Engels ihre lästige Kratzbürstigkeit mit ein bisschen Spielkultur kombinieren wollen. Sonst stand dafür nur Arne Meier, einst Spieler des Turniers beim Junior Cup in Sindelfingen.

Hoeneß kann eine Mannschaft aufstellen, die durchaus eine beachtliche offensive Kraft entwickeln kann, so dass auch emotionale Comebacks immer drin sind. Ich brauche das nicht unbedingt und auf Baldrian würde ich auch gerne verzichten, aber es ist gut zu wissen, dass sich der VfB in der Form von Dortmund nicht von Rückständen unterkriegen lässt und sich wehren kann mit Leidenschaft und Emotion. Was auch notwendig werden wird gegen Augsburger, die immer schwer zu spielen sind. Die blicken zwar auf eine Serie von fünf sieglosen Spielen zurück, aber jeder weiß, was sie können: fies sein, Widerstandsfähigkeit zeigen, Fouls ziehen, das Publikum mitnehmen, dreckig spielen. Sie sind die Meister des einfachen Tors, die Könige des Zweikampfs und unübertroffen im Schauspiel. Gerade zu Hause ist das Team von Enrico Maaßen fast auf 1:0-Siege am Freitag Abend spezialisiert.

Jung, wild, dramatisch.
Kann der VfB den emotionalen Höhepunkt gegen Dortmund nutzen oder wirft er wie nach Köln am letzten Spieltag 2021/2022 diese Chance einfach weg? Es wird spannend werden, ob wir den „neuen VfB“ in Augsburg sehen werden oder ob sich nach drei ordentlichen Spielen schon wieder eine gewisse Selbstgefälligkeit breit macht. Wir kennen das: Euphorie ist eigentlich nie angebracht, der Mannschaft, dem ganzen Club ist nicht zu trauen.

Man könnte dem VfB einen Hang zum Drama diagnostizieren. Jung, wild, dramatisch. Einfach geht es bei diesem Club nie, sowohl auf dem Platz als auch daneben. Wie wir das überstehen sollen? Es hilft nur Zuversicht, Hoffnung und die beste Beruhigungspille ist immer noch ein Sieg, egal unter welchen Umständen. Was ich wohl antworte, wenn mich am Samstag morgen jemand fragt: “Wie geht’s uns denn heute?“

Zum Weiterlesen:
Der kicker meint, „Es geht scheinbar, wenn man denn will“ und zeigt dabei auf die Mannschaft, da die Ideen von Bruno Labbadia doch gut gewesen seien – denn mit Blick auf das Dortmund-Spiel macht Hoeneß das vermeintlich unpassende System 4er Kette auf einmal passend. Das kicker-Fetisch 4er Kette wird in einem zweiten Text als mögliche Formation gegen Augsburg ins Spiel gebracht.

Bild: Thomas Kienzle / AFP via Getty Images & Mark-Robert-Ferenczi

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14 Kommentare

  1. soundzecke sagt

    Am Freitag gewinnen wir dreckig 1:0 in der 90sten.
    Und der Kicker ist nur noch ein Flachblatt, was die nur mit dem Labbadia haben.

    • Hobbycamper sagt

      @soundzecke
      Diesen Gedanken hatte ich tatsächlich auch schon, warum soll es nicht auch mal umgekehrt sein ? Schön wär’s, für unsere Nerven, für den VfB hinsichtlich der Tabellenposition.

      Ich bin nicht ohne Hoffnung.

      • soundzecke sagt

        @Hobbycamper
        Das würde auch mal richtig gut tun so ein dreckiges Ding, vor allem gegen Augsburg.
        Würde nochmal das Selbstvertrauen steigern und die Sinne schärfen.

  2. Dirty Harry sagt

    “denn mit Blick auf das Dortmund-Spiel macht Hoeneß das vermeintlich unpassende System 4er Kette auf einmal passend.”

    Wir haben diese Saison lediglich 2x gegen Bochum mit einer 3er-Kette gewonnen. Alle anderen Siege wurden mit einer 4er-Kette eingefahren. Dabei übrigens 3x mit Waldemar Anton auf der RV-Position. Auch letzte Saison war die 3er-Kette irgendwann von Matarazzo aufgegeben worden. Die 3 Siege zum Saisonende wurden alle mit einer 4er-Kette eingefahren.

    Vagnoman macht es gerade zumindest offensiv auf der rechten Schiene ziemlich gut. Das war zu Saisonbeginn noch nicht so. Als RV in der 4er-Kette hat er in den vergangenen Spielen viele Fehler gemacht.
    Hoffen wir, dass er seine Form halten kann und uns offensiv weiterhin so viel geben kann, wie in den vergangenen Spielen. Die rechte Schiene war letzte Saison und zum Saisonbeginn die absolute Problemzone.

  3. KA7 sagt

    In jedem Artikel und in vielen Kommentaren Labbadia-Bashing. Das ist nicht nur langweilig, sondern ist mir zu undifferenziert und zu populistisch. Ich finde das auch menschlich ziemlich Panne, ständig gegen Labbadia nachzutreten.!

    Was wäre, wenn Akut-Held Vagnoman in Minute 90 das leere Tor gegen Mainz getroffen und Kramaric 90+4 nicht den Ausgleich für Hoffenheim gemacht hätte. Dann wäre die Wahrscheinlichkeit groß, dass die Geschichte mit Labbadia einen anderen Lauf genommen hätte. Ohne die positiven Veränderungen schmälern zu wollen, Hoeneß hat nun auch das Glück, das Labbadia nicht hatte, und einen Guirassey.

    Und bleibt doch alle insgesamt etwas mehr bei den Fakten – Beispiele:
    – Unter Materazzo waren die VfB-Spiele nicht erfolgreich und alles andere als hübsch anzuschauen.
    – Die Auswärtsspiele unter Wimmer waren spielerisch und ergebnistechnisch unterirdisch (0:5; 1:3; 0.2)
    – Warum regt sich niemand auf, wenn Hoeneß „positionsfremd“ aufstellt: Gegen Dortmund spielte Anton linker IV und Silas wurde als 9 eingewechselt.
    – Ein Millot hatte auch unter Labbadia seine Einsätze – auch in der Startelf (Union). Und wie oft hat Millot unter Materazzo gespielt?

    Fußball hat auch viel mit Glück zu tun. Hoffentlich bleibt es dem VfB erhalten.

    • @abiszet sagt

      Alles als bashing zu bezeichnen ist mir zu undifferenziert und zu populistisch. Ich finde das auch menschlich ziemlich Panne. Bashing ist “heftige, herabsetzende Kritik“

      Fußball ist kein Konjunktiv. Hätte der VfB am 2. Spieltag nicht das 2:2 in der Nachspielzeit bekommen, hätte der VfB gegen Köln nicht 0:0 gespielt, hätte wäre wenn, dann wäre Matarazzo noch Trainer. Und dann hätte Dortmund am Samstag gewonnen, hätten sie nicht 2x an die Latte geschossen und hätten sie nicht so nachgelassen und hätte Terzic nicht so komisch ausgewechselt.

      Der Hinweis auf Guirassy ist völlig richtig, Anton als linker IV hat mich auch irritiert. Die Anmerkungen zu Silas und Millot sind mir zu unterkomplex und undifferenziert, um in Deinem Duktus zu bleiben.

    • Marcus Fichter sagt

      Und wenn dr Hund ned geschissa hed, no hedd er dr Has verwischt…

      Diese “hätte wenn und abers” zählen im Fußball eben nix ! Wenn wir danach gehen würden, dann wäre Felix Magath oder sonst wer noch Trainer.

      Und es wurde hier schon ausreichend geschrieben, Labbadia fehlte Guirassy, das stimmt. Aber die schlechten Leistungen nur an dem Fehlen von einem Spieler festzumachen, ist mir zu einfach. Aber ich hab eigentlich auch keine Lust mehr über Labbadia zu schreiben, er ist Geschichte, Punkt !

      Bisher ist es nur ein Strohfeuer, aber die Mannschaft hat gezeigt, das sie zu was fähig ist. Das hat man ( u.a. Wehrle ) ihr ja lange abgesprochen. Erfolgserlebnisse beflügeln meistens. Manch einer geht bzw. läuft einfach den entscheidenden Schritt mehr als vorher.
      Ich glaube, das das mit der 4er-Kette eben nur gegen den BVB geklappt hat, weil man in Unterzahl war. In Augsburg geht das Spiel wieder anders und wenn Du einen Gegner offensiv unter Druck setzen willst, dann sollte der VfB mit 3er Kette agieren und bei gegnerischen Ballbesitz die offensiven Außen in die Defensive zurückziehen, in eine dann 4er Kette. Und ich denke, man sollte Augsburg permanent beschäftigen, das die gar nicht auf dumme Ideen kommen. So würde ich das Spiel angehen, aber was bin ich schon…,

      kein Fachmann, schon gar kein Trainer, einfach nur Fan ( der wieder ein bisschen hofft ) !

    • Clemens sagt

      Sicher sprechen einige Punkte dafür, dass es für BL in seiner Zeit beim VfB nur semi-optimal gelaufen ist. Als da z.B. die diversen Schiedsrichter Fehlentscheidungen wären, ohne die gemäß https://www.wahretabelle.de/statistik/wahretabelle der VfB heute ansonsten auf einem mit 30 Punkten deutlich stabileren Tabellenplatz stehen würde.

      Und natürlich ist der VfB mit Guirassy eine andere, bessere Mannschaft.

      Und ebenfalls richtig, auch die hier vielzitierte Viererkette ließ Matarazzo bereits im letzten Saison Endspurt schlussendlich erfolgreich praktizieren.

      Entscheidend ist ein ganz anderer Punkt: Wenn ich als Trainer über 4-5 Spiele hinweg sehe, dass meine möglicherweise guten Ideen bei den mir zur Verfügung stehenden Spielern nicht funktionieren, dann ändere ich etwas. Habe ich keinen Guirassy (und auch kein adäquates Backup), dann stelle ich im Sturm nicht positionsgetreu einen Spieler wie Silas dorthin, welcher a.) nicht funktioniert und b.) sein eh nicht üppiges Selbstvertrauen zusätzlich verliert. Selbstverständlich kennen wir alle auch die diversen anderen Beispiele, wonach Spieler positionsfremd spielen mussten.

      Es geht schlussendlich um Selbstreflektion des Trainers bzgl. seiner Entscheidungen, es geht um einen Plan B, den es bei BL scheinbar nie gab. Dass es scheinbar auch anders geht, beweist Hoeneß gerade mit seiner Variabilität in den situationsbedingten Aufstellungen.

  4. Konny sagt

    Meiner Ansicht nach liegt zwischen Beobachten und Bashen schon ein sehr großer Unterschied.

    Was wir hier im allgemeinen über BL geschrieben haben, ist es lediglich die Beobachtung dessen, was auf dem Platz zu sehen war.

    Wir haben eine Mannschaft gesehen, die keine Energie mehr hatte, weil sie in eine zu enge Schablone gepresst wurde, in dieser sich die meisten nicht wohlgefühlt haben. Das ist einfach das, was “wir” gesehen haben. Niemand hat BL persönlich beleidigt, sondern nur frei nach SM ausgedrückt, dass BL und “die Mannschaft” kein perfect Match ist und nie geworden wäre.

    Höneß hat das Problem erkannt, seine Schlüsse daraus gezogen. Er macht immer einen sehr reflektieren, lösungsorientierten, megaseriösen Eindruck. Sein Meisterstück wird morgen Abend gegen die “schrecklichen” Augsburger sein.

    Ich hab da auch so meine Skepsis (jüngere Vergangenheit, nach gut kommt grottenschlecht), traue es ihm aber zu. Hab aber auch Bluthochdruck :-)

    • @abiszet sagt

      Au weh, Bluthochdruck.
      „Klassische Blutdrucksenker“ sind ja Olivenöl, Knoblauch, Meerrettich, Spinat, Spargel (gerade Saison!) und Siege des VfB. Aber ich bin ebenfalls skeptisch. Aber das war ich auch vor Dortmund. Das bin ich eigentlich seit Dezember ;-)

  5. Konny sagt

    Ich hab jetzt mal mit der Antwort bis nach dem Spiel gewartet… die typisch (verpeilte) erste Halbzeit nach so einem Bombe Dortmund Spiel war tatsächlich zu erwarten. Chapeau vor Höness, dass er dann in HZ2 umgestellt, drauf reagiert und wenigstens den einen punkt gerettet hat. Wobei der zu wenig ist. Mir aber nach Augsburg immer wieder klar wird, wie schrecklich (unsportlich) die sind 🙄 und ähnlich wie bei Union froh, wenns rum ist 😬

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