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Der Weg zum Himmel ist noch weit

Agierte der VfB in den ersten drei Spielen der Champions League immer mindestens auf Augenhöhe mit dem Gegner, muss man sich in Cannstatt beim zweiten Heimspiel in der Königsklasse eingestehen: Atalanta Bergamo war besser, sowohl individuell als auch mannschaftstaktisch.

Dabei musste der Abend einfach nur gut werden: Vor dem Spiel prognostizierte Felix Magath als Aperitivo bei der Live-Aufnahme des Podcasts „Sprich Stuttgart“ zusammen mit dem Intendanten Burkhard C. Kosminski im Foyer des Stuttgarter Schauspielhauses einen 3:1-Sieg des VfB. Er erzählte mit großer Zuneigung nicht nur Anekdoten über Krassimir Balakov, Zvonimir Soldo und Alex Hleb, er sprach auch über seine Spielprinzipien:
Struktur
Disziplin
Fitness

Ich denke, er würde sich mit Bergamos Trainer Gian Piero Gasperini hervorragend verstehen. Denn Magaths Prinzipien waren auch beim Gastspiel des Tabellendritten der Serie A in Cannstatt durchaus zu erkennen. (Defensiv) hervorragend organisiert, aggressive, nach vorne orientierte Manndeckung über den gesamten Platz. Jeder wusste, was er machen muss, alle extrem laufstark und konzentriert.

Dazu kommt, dass Bergamo typisch italienisch spielte:
Abgezockt steht dafür im internationalen Fußballlexikon, unter „Atalanta“ findet man dort diesen Eintrag: “kaltschnäuzig, routiniert, nur schwer zu überlisten“. Damit hatte der VfB spürbar Probleme, fand kaum Räume und wenn sich einmal eine Lücke ergab, zogen die Bergamasken ein taktisches Foul, was der nicht immer souveräne Schiri Rade Obrenovic oft ungeahndet ließ. Immer fehlte ein kleines bisschen: ein bisschen Idee, ein bisschen Timing, ein bisschen Präzision. Weil aber auch Atalanta mit ihrer kompakten Spielweise Fehler provozierte.

Raoul Bellanova und Ademoola Lookman spielten teilweise Aglio e Olio mit ihren Gegenspielern Chris Führich und Josha Vagnoman. Mario Pasalic zog die Bälle magisch an, während in der Sturmmitte das Nilpferd Mateo Retegui alleine schon mit seiner Präsenz furchterregend wirkte. „Aber wir haben lange Zeit alles ganz gut weg verteidigt“, war Maximilian Mittelstädt nicht unzufrieden.

Das ist der Unterscheid zwischen dem VfB und Atalanta:
Bergamo blieb am vierten Spieltag der CL-Ligaphase zum vierten Mal ungeschlagen und zum vierten Mal ohne Gegentor. Die Italiener sind gottlos defensivstark und nutzten gnadenlos zwei ihrer vier Torchancen. Der VfB dagegen ließ seine guten Gelegenheiten von Anthony Rouault, Deniz Undav, Ermedin Demirovic und Jarzinho Malanga (Glückwunsch zur Profi-Premiere!) aus.

„Die Göttliche“ aus Bergamo sorgt dafür, dass die Bäume nicht in den Himmel wachsen in Stuttgart.
Der VfB machte kein wirklich schlechtes Spiel, aber auch kein so gutes, um gegen den amtierenden Europa League Sieger etwas Zählbares zu erzielen. Um zu punkten, musst Du Dein Prime zeigen, müssen Fehler minimiert werden – und wenn sie passieren, müssen sie gemeinsam verteidigt werden. Dies gelang beim 0:1 durch Lookman überhaupt nicht: Ein unsauberer Pass von Enzo Millot brachte Mittelstädt in die Bredouille. Dessen Zuspiel in den Druck auf Führich führte zum Ballverlust. Mit gedanklicher Schnelligkeit, Cleverness und einem Foul hätte sich dies verteidigen lassen. Am Ende muss Lookman den Pass von Charles de Ketelaere nur einschieben, obwohl Anrie Chase und Millot in seiner Nähe waren.

Das Tor auch die Folge des mutigen Spielaufbaus des VfB: trotz permanenter Manndeckung sich über das Spielfeld kombinieren zu wollen. “Ich muss Fehler machen wollen“, sagte Felix Magath im „Sprich Stuttgart“-Podcast. Und er meinte damit, dass die Spieler angstfrei auftreten sollen, weniger an Fehler, sondern an das Gelingen denken sollen. Ein anspruchsvolles Spiel für den VfB, dem die Mannschaft nicht in allen Phasen der Begegnung gewachsen war. Sie ist spielerisch nicht ganz auf der Höhe des Vorjahres, zugleich muss sie in der Champions League neue Herausforderungen bestehen.

Bevor es in die Länderspielpause geht, folgt am Sonntag mit der Begegnung gegen die formstarken Frankfurter und deren Wundersturm Omar Marmoush und Hug’o Ekitiké das nächste Highlight. Es wird interessant werden, in wieweit Sebastian Hoeneß rotieren lässt. Wobei für Felix Magath die Mehrfachbelastung der Spieler kein Thema ist: „Bei mir hat die Mannschaft sowieso lieber gespielt als trainiert“.

Zum Weiterlesen:
Unser VertikalGIF sieht ein gutes Spiel des VfB, fragte sich aber: “Wie wollte der VfB zum Torerfolg kommen?“

Die Süddeutsche Zeitung spricht von “einer Lehrstunde”.

Bilder: Alex Grimm/Getty Images

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15 Kommentare

  1. Ronny sagt

    Ich fand uns gar nicht so schlecht wie manche Medien das jetzt in Noten für die Spieler ausdrücken. Fakt ist halt, wenn man gegen eine abgewixte Mannschaft wie Atalanta die wenigen Chancen nicht konsequent nutzt, dann geht das Ding verloren. Viel mehr Sorgen macht mir, daß sich jetzt nach und nach immer mehr Spieler verletzen und die Belastung weiterhin sehr hoch bleiben wird. Diese nutzlose Nations League gehört schnellstmöglich abgeschafft.

    • @abiszet sagt

      “Immerhin” gibt’s die Verletzungen weitgehend in der folgenden Länderspielpause.

  2. drhuey sagt

    Ich muss zugeben: Mir gefällt Atalanta. Soviel Disziplin, soviel kluges Positionsspiel und soviel Leistungswille. Es war das erwartet schwere Spiel mit dem verdienten Sieger und einem VfB, der auf diesem Niveau noch nicht mithalten kann. Dafür haben wir auf manchen Positionen einfach zu wenig Erfahrung und vielleicht auch zu wenig Qualität. Mir gefiel auch Undav, als einer der älteren Spieler, von seiner Haltung und Handlungsschnelligkeit gar nicht. Interessant wie auch Gasperini aufkommende VfB-Offensive in der 2. Halbzeit gleich wieder ersticken konnte. Er trainiert Atalanta schon 8 Jahre und konnte die Mannschaft zu einem Europa-League-Sieger entwickeln. Ich wäre über einen ähnlichen Verlauf mit Hoeness und dem VfB nicht allzu unglücklich.

  3. bacardihardy sagt

    Super geschrieben. Für mich war das gestern eine Lehrstunde in Puncto Fitness. Hab schon viele Spiele von Bergamo verfolgt. Vor allem die Fitness und Laufstärke ist für mich ein Klassenunterschied. Unser VfB bzw auch Hoeness kann hier noch lernen.
    Denke Gasperini macht eine ganz andere Saisonvorbereitung.
    Undav als Beispiel hat kein Land gesehen gestern. Das ganze Team in vielen Szenen viel zu pomadig. Da konnten alle beim VfB was lernen.
    So laufstark wird die Eintracht nicht sein

  4. @abiszet sagt

    @drhuey
    Ich muss zugeben: Mir gefällt Atalanta nicht. So viel Disziplin, so viel kluges Positionsspiel und so viel Leistungswille. ;-)

    @bacardihardy
    Ich fand, an Fitness oder Energie hat es überhaupt nicht gefehlt. An offensiven Lösungen dagegen schon, an Zweikampfhärte und Cleverness und an einem Schlüssel, wie der VfB die Hardcore-Manndeckung aushebelt.

  5. bacardihardy sagt

    Nicht dass der VfB schlecht gespielt hätte, aber in Punkto intensives Freilaufen und Attakieren konnten sie Bergamo nicht das Wasser reichen.
    Undav zum Beispiel hat eine halbe Sttunde nichts auf die Rille gebracht
    Er war nur am Luft holen und dem Rest des Teams gings ähnlich
    Klar war das nicht immer so, aber über weite Strecken
    Gefühlt hat Bergamo mehr im Tank gehabt
    Der VfB lebt vom Ballbesitz
    gegen schwächere laufstarke Teams hat er Vorteile

  6. Marcus Fichter sagt

    Man hat gegen Atalanta schon deutlich erkennen können, was dem VfB noch fehlt. Ein bisschen mehr Cleverness, ein bisschen mehr Biss und Aggressivität, ein bisschen mehr Wille, ein bisschen mehr Laufbereitschaft. Überall ein bisschen…es fehlte nicht viel, aber man konnte es sehen, das Bergamo reifer und gefestigter in seinen Abläufen war.

    Unsere Stürmer ( alle, nicht Undav ) haben kaum Zweikämpfe gewonnen ( wie in Leverkusen ), und somit auch kaum bzw. gar keine Torchancen gehabt. Die besten hatten Führich und Rouault. Da muß bei allen drei mehr kommen. Das waren jetzt zwei Spiele gegen Topteams und man generiert kaum Torchancen. Hier gilt es m.E. anzusetzen.

    Nun zu zwei anderen Punkten, die mich nach dem Spiel beschäftigen. Punkt 1: Auf anderen Plattformen hab ich gelesen, das viele Fans angepisst waren, weil nach dem 0:2 eine wahre Stadionflucht begonnen hat. Hier gilt es zu bedenken, das einige Fans nach dem Treffer nicht dran geglaubt haben, man können noch was bewirken und dazu haben viele Fans auch eine längere Anfahrt. Schaut man auf die Uhr, kann man die Reaktion durchaus verstehen. Und dann kam noch ein dritter Fakt zum Tragen und dann bringt zum zweiten Punkt. Diese unsägliche Pyroshow hat die Fans auf dem Oberrang der Cannstatter Kurve mehr genervt als das man es toll fand. Alle haben viel Geld bezahlt für ein Spiel, das man meist kaum gesehen hat.
    Ich weiß, das CC97 und den Schwabensturm wird das kaum interessieren, die ersticken wahrscheinlich in Ihrer Selbstbeweihräucherung, aber es war z.T. einfach respektlos gegenüber den Fans auf dem Oberrang. Ich kann das ja akzeptieren, wenn es ab und zu ne Pyroshow gibt, aber das ganze Spiel gegenüber finde ich frech. Es gab Leute, die wollen vom VfB ne Erklärung und ggf. ihr Geld zurück. Keine Ahnung, ob das möglich ist, aber es ist an der Zeit, hier mal ein Zeichen zu setzen.

    Es ist offiziell verboten ( interessiert bloß keinen ), mal sehen ob ein Anwalt dem VfB und dem Ordnungsdienst an den Karren fährt !

  7. Konny sagt

    Mir hat gestern selbst ein bisschen die Energie gefehlt… „früher“ hab ich N11 gar nicht, CL nur wenig geguckt und mich immer voll auf unsere VfB Spiele am WE gefreut. So viel schauen bin ich gar nicht gewöhnt und hab mich trotz des riesen Hypes und Freude um CL im Besonderen bei Real gerade irgendwie satt gesehen. Für das „normale“ VfB Herz ganz schön viel Input auf einmal.

    Vielleicht gehts den Spielern ja auch so… von daher kann ich total verstehen das immer Vollgas und Energie da sein können.

    Undav braucht vielleicht Pause, viele unnötigen Ballvertändeleien. Demirovic kaum auf dem Platz und schon gelb, auch unnötig. Waren schon einige Ungenauigkeiten dabei…
    Mal sehn obs auf Tabellenplatz 24 reicht?

    Gestern wäre öfter mal aus der Distanz geknallt sicher sinnig gewesen.

    Frankfurt am Sonntag der nächste Knaller, so langsam wär mir mal nach Bochum oder sowas in der Art 😅

    Das Pyrogezündel ist nervig 🙄
    Wie sagt Marcel Reif, wir kommen wegen Fußball ins Stadion und nicht wegen Rauchwolken… mir macht man damit keine Freude, finde es unnötig 12 von 10.

  8. Jochen sagt

    Bergamo hat drei Chancen, macht zwei Tore. Wir vier und machen keines. That’s it. Es war der dritte der italienischen Liga und der Gewinner der Euro League. Gerade fehlt auch ein wenig das Glück. Wir sind 8. in der Liga, im Pokal weiter und spielen CL. Wo ist da irgendein Problem? Sportlich nicht. Bei den Fans leider ja. Es muss erst ein Jugendlicher verletzt werden, damit man gegen die Pyroteottel vorgeht. Ich denke die Polizei findet diese Antifans. Anklagen, abstrafen 20 Jahre Stadionverbot. Was soll der Scheiss?

  9. Roland K. sagt

    Bergamo richtig abgezockt. Sie haben unsere Kreativen im Mittelfeld so oft wie möglich eng gedeckt und mit Fouls dabei nicht gegeizt. Unsere Aussen wurden sofort massiv bearbeitet.
    Zugegeben war das richtig gut gemacht von Bergamo. Zudem sind die ballsicher und machen hinten kaum Fehler.

    Eine sehr gute Truppe. Für jeden Gegner ausgesprochen unangenehm. Von denen können wir hoffentlich etwas lernen.

  10. Achim Herzblutfan sagt

    Hi Konny, hi V.passler,
    Ja man koennte aus der 2.Reihe durchaus mal abziehen wie früher Hitz the Hammer. bissle weniger Schönheit, dafür mal wieder Ekligkeit und Frankfurt. Den Spaß am Kontern verderben.
    Die Hessen das Spiel machen lassen und im richtigen Moment den Pass in die Tiefe von Ange, Millot oder Karazor und dann eiskalt verwandeln.
    Die Aeppelwoi- Kicker kochen auch bloss mit Wasser.
    Marmoush und Etikite kalt stellen, dann ist Frankfurt abgesagt. Mein Tip: 3:1 für unsere Cannstatter Jungs.💪💪

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