Autor: @abiszet

Hergespielt und aus dem Stadion geschossen

Vor dem Spiel hatte ich befürchtet, dass der TSG Hoffenheim eine Überraschung gegen den VfB gelingen könnte: Schließlich ist der Club aus dem Kraichgau in dieser Saison auswärts stärker als zu Hause. Letztlich war meine Sorge unbegründet: So wie die Fans das Stadion dominiert haben, beherrschte das Team das Spielfeld. Das 3:0 spiegelt die Machtverhältnisse nicht wirklich wider, ein 5:0 oder 6:0 wäre angemessener gewesen. Es war ein Klassenunterschied zu sehen gegen überforderte Hoffenheimer, die vor allem in der Abwehr dem VfB nie gewachsen waren. Der VfB kontrollierte das Spiel nach Belieben, der Gegner wurde regelrecht auseinander gespielt, wenn es nicht die Hoffenheimer gewesen wären, sie hätten einem leid tun können. Führich, Millot, Guirassy, Undav, Millot: Die Passfolge zum 1:0 war mindestens großes Kino, eher poetisch wie ein Gedicht, komponiert wie eine Sinfonie, ein Kunstwerk, gemacht dafür, international ausgestellt zu werden. Auf alle Fälle war es die pure Spielfreude, eine aufsehenerregende Kombination. Auch die Torvorlage von Deniz Undav auf Serhou Guirassy vor dem 2:0, mit durchgedrücktem Kreuz locker aus dem Fußgelenk gespielt, sah so leicht …

Die Fantastischen Vier

Jetzt also VfB Deutschland. Es war klar nach dem bisherigen Saisonverlauf, dass Bundestrainer Julian Nagelsmann an Deniz Undav, Waldemar Anton, Maximilian Mittelstädt und Chris Führich nicht vorbei kommt. Denn die Welt liegt ihnen zu Füßen, sie stehen drauf. Erstmals wurden damit seit 14  Jahren wieder vier VfB-Spieler nominiert (2010: Cacau, Serdar Tasci, Christian Träsch und Sami Khedira). Und wo eigentlich Josh Vagnoman, Angelo Stiller und Alexander Nübel? Ok, die werden dann eben in den EM-Kader berufen. VfB Deutschland eben. Drei von vier Nominierten haben es über den zweiten oder gar dritten (Aus)Bildungsweg in die Nationalmannschaft geschafft. Undav, Mittelstädt und Führich wurden lange für zu leicht (bei Undav wars anders rum) befunden und nicht für höhere Aufgaben befähigt. Das Trio musste immer Widerstände überwinden und ist deshalb vielleicht so bissig und ehrgeizig, es allen denen zu zeigen, die nicht an sie geglaubt haben. Sie ernten endlich, was sie säen. Anton dagegen wurde (ohne Einsatz) U21-Europameister, stieg früh bei Hannover zum Führungsspieler und Kapitän auf. Im nachhinein muss man sagen: zu früh. Heute ist er beim VfB …

Mitglieder-Mitsprache für 40 Millionen verkauft

Anlässlich der Fan-Proteste in den Stadien rund um den sich anbahnenden DFL-Deal wurde nicht selten gefragt: Müssten die Fans nicht eigentlich  jedes Wochenende gegen ihren eigenen Verein protestieren? In den meisten Clubs hat doch schließlich ein Investor das Sagen. Und überhaupt: Haben die echt nicht mitbekommen, dass Geld und Sport zusammengehören? Natürlich. Die Kurven und Geraden sind nicht blöd. Sie schauen auch bei den eigenen Clubs genau hin, gerade wenn sich Investoren über Umwege Einfluss sichern wollen. Damit sind wir beim VfB. Denn beim VfB kommt zu es einer “schwäbischen Version jener Debatte, die zuletzt bundesweit mit beträchtlicher Schärfe geführt wurde.“ Alle haben das Weltmarkenbündis bejubelt. Auch wir. Porsche bzw. MHP steigen beim VfB ein, coole Marken, coole Macher auch in den Führungspositionen, die bei der Bekanntgabe des Deals sehr deutlich machten, dass sie etwas beim VfB bewegen wollen. Das war inspirierend. Dieser Willen war auch erkennbar an den Statements von Porsche-Vize Lutz Meschke als der VfB den Wettanbieter Winamax auf die Brust nahm: Das wäre mit ihm nicht möglich gewesen, so der Tenor. Er …

“Der dritte Wettbewerb” kann nur Champions League heißen

Als Chris Führich nach dem 2:0-Sieg gegen Union Berlin zum Spieler des Spiels gekürt wurde, kam Stadionsprecher Holger Laser an Serhou Guirassy vorbei und fragte ihn: „Ok, oder?“. Der Torschütze zum 1:0 antwortete auf deutsch: „Hundert Prozent verdient“. Er meinte damit sicher nicht nur die Wahl seines Mannschaftskollegen, sondern auch den weitgehend ungefährdeten Sieg gegen die Köpenicker. Mitte der zweiten Halbzeit wurde auf der Anzeigetafel die Statistik der angekommenen Bälle gezeigt bis zu diesem Zeitpunkt: 722 für den VfB, unter 200 für Union. Der VfB hatte sehr lange Ballbesitzphasen, Union lief ständig hinterher, musste ununterbrochen verschieben und kam minutenlang nicht an den Ball. Das erinnerte mich an Ex-Trainer Tim Walter: „Borna, Kontrolle!“. Spielkontrolle war ihm in seiner Zeit beim VfB am wichtigsten und die hatte der Tabellendritte, definitiv. Bei Walter war dies ein Mittel, um den Gegner vom eigenen Tor fern zu halten, aber oft wirkte es als Selbstzweck. Der VfB hatte zwar viel Ballbesitz, verlor aber dann doch gegen Wehen Wiesbaden und Osnabrück. Unter Sebastian Hoeneß ist dies anders. Auch wenn der VfB in …

VfB – das V steht für Vertragsverlängerung

Die Geschichte von vorzeitigen Vertragsverlängerungen bei VfB-Trainern ist eine tragische. Aber die Zeichen stehen gut, das sich Geschichte diesmal nicht wiederholt. Vorzeitige Vertragsverlängerungen bei Trainern: Da war doch was. Genau, mit Bruno Labbadia, schon längst auf dem absteigenden Ast, verlängerte Fredi Bobic ohne Not den Vertrag. Um ihn wenige Monate später zu entlassen. Tayfun Korkut, von Freunden Captain Kork genannt, spielte eine Rückrunde, dessen Erfolg sich keiner erklären konnte. Und genau deshalb verlängerte Michael Reschke seinen Vertrag in „Stuttyacht”. Auch hier: Kurze Zeit später war Schluss. Als Pellegrino Matarazzo im Kampf um den Aufstieg mit dem Rücken zur Wand stand, war es wieder Zeit dafür: VfB doing VfB things, Thomas Hitzlsperger und Sven Mislintat verlängerten seinen Vertrag vorzeitig, um “ein Zeichen zu setzen”. Keiner verstand es, weil die meisten sowieso ahnungslos sind, am Ende stand nach einem sensationellen Sieg gegen den HSV jedenfalls der (mühevolle) Aufstieg. Es folgte ein rauschaftes Jahr in der Bundesliga, eine Last-Minute-Rettung und schließlich erst nach über 1.000 Tagen die Trennung. 1.000 Tage Sebastian Hoeneß. Das würde ich nehmen. Die Voraussetzungen …

Der VfB isch stabil, Junge

Serhou Guirassy sprach nach dem 3:2-Auswärtssieg des VfB vor den Mikrofonen und auf X (vormals Twitter) von „a very important victory“ und einem „warrior match“. Frei übersetzt, von einem Kampfspiel, bei dem die Mannschaft vor allem gegen Ende alles reinwarf, um den siebten Auswärtsdreier der Saison zu sichern. Sieben! Das ist auch der Vorsprung, den der VfB auf den fünften Platz hat. In unserer Vorbereitung auf das Spiel fragten mein Freund Sammy und ich uns, wie der Wolfsburger Mittelfeldspieler heißt, der eigentlich auf alles tritt, was sich in seiner Nähe befindet und sich ununterbrochen beim Schiedsrichter beschwert. Muss an der vorgerückten Stunde gelegen haben, dass uns sein Name nicht einfiel. In der 3. Minute des Spiels wussten wir es: Maximilian Arnold, als er eine gelbe Karte nach einem Foul an Enzo Millot bekam. Und sich natürlich darüber beschwerte. Es gibt vieles, worüber man sich lustig machen kann bei Wolfsburg. Zum Beispiel über die „Kinderdisco“ vor dem Spiel. Oder über Nico Kovacs Aussage nach dem Spiel:„Wenn wir das 1:1 ein bisschen länger gehalten hätten, hätten wir …

Nach dem Remis ist vor dem Lerneffekt

Ein Glückstor, ein unbeholfener Fehler, eine falsche Schiedsrichterentscheidung (wofür Patrick Ittrich immer gut ist), eine überragende Einzelaktion. Dann kann so ein enges Spiel auch zu einem Sieg werden. Ein Glückstor, ein unbeholfener Fehler, eine falsche Schiedsrichterentscheidung (wofür Patrick Ittrich wirklich immer gut ist), eine überragende Einzelaktion. Und dann kann man schnell auch einmal mit leeren Händen da stehen. Aber nichts davon trat ein, so blieb es beim 1:1 gegen die abstiegsbedrohten Kölner mit ihren beschränkten Mitteln. Im Abstiegskampf der letzten beiden Jahre wären wir mit dem Remis nicht zufrieden gewesen. “Warum fehlt gerade gegen so einen Gegner die Genauigkeit, die letzte Gier, die Leidenschaft?”, hätten wir uns gefragt. Sebastian Hoeneß meinte dagegen, den Punkt müsse man einfach mal akzeptieren, Sport-Direktor Fabian Wohlgemuth war mit der Punkteteiling gar zufrieden, ganz im Gegensatz zu Waldemar Anton und Angelo Stiller. “Nach der Führung haben wir zu arrogant gespielt“, sagte der eine und „nach der Führung haben wir nachgelassen, wir hätten sie killen müssen. Solche Spiele müssen wir auf unsere Seite kriegen“, der andere. Es spricht für das Team …

Game, Set, Match.

Die letzten Wochen glichen einem Tennismatch. DFL-Präsidium, Clubs, Presse und Fans lieferten sich einen end- und atemlosen Ballwechsel bestehend aus Statements, Artikeln, TV-Shows, Tweets und Bannern. Und gerade als alle dachten, der fünfte Satz würde in den Tiebreak gehen, kam am Mittwoch Nachmittag die überraschende Meldung: Das DFL-Präsidium hat den Deal mit einem möglichen Investoren aka strategischem Vermarktungspartner gestoppt. Das kommt auch dem VfB sehr entgegen, hat er doch in dieser Sache weder in der Kommunikation mit seinen Mitgliedern und Fans noch in der öffentlichen Debatte ein besonders gute Figur abgegeben. Erst stimmt der VfB im Dezember durch seinen Vertreter Alex Wehrle mit „Ja“ für den DFL-Deal, ohne vorher dieses Votum auf eine möglichst breite Basis gestellt zu haben. Mit dem Fan-Ausschuss wurde der Deal zwar besprochen, aber man ging auseinander, ohne einer Meinung zu sein. Dann wagte Präsident Claus Vogt im Februar auf seinem Privataccount in den sozialen Medien den Vorstoß, die Abstimmung im Sinne der “Demokratie und Transparenz“ zu überdenken. Eine “erneute transparente Abstimmung aller 36 Vereine“ würde nach Meinung von Vogt die …

Der Fight Club

Arbeitssiege, dreckige Siege, glückliche Siege: Dafür steht der VfB nicht unbedingt. Aber der VfB zeigt in dieser Saison sowieso Qualitäten, die man mit ihm traditionell eher nicht in Verbindung bringt. Neben Spielfreude und intelligenter Spielauffassung vor allem Widerstandsfähigkeit, Leidenschaft, Einsatz und unbedingten Siegeswillen. Dafür gibt es keinen Schönheitspreis in Darmstadt, aber drei Punkte. Wenn man oben bleiben möchte, muss man auch einen nicht gerade schönen und eher unverdienten Sieg mitnehmen, zumal in Unterzahl. Hektisch und hitzig ging es am Böllenfalltor zu. Spätestens nach der ziemlich uncleveren gelb-roten Karte von Pascal Stenzel war klar: Das Feinfüßige und Samtpfotige war nicht gefragt in Darmstadt. Dass der VfB das Kampfspiel demütig annahm, den Schwerpunkt aufs Kämpferische legte und zeitweise sogar Befreiungsschläge einstreute, zeigt die Reife der Mannschaft. Denn sind wir ehrlich: In der Vergangenheit hätte irgendein Darmstädter mindestens den Ausgleich reingewürgt und man hätte gesagt: „Schon ok, wir sind zwar Dritter und die Letzter, aber wir waren sehr lange in Unterzahl“. Der VfB wäre mit weniger zufrieden gewesen, auch gegen einen vermeintlich schwächeren Gegner. Die Selbstzufriedenheit stand den …

Meins bleibt meins

Es ist die neue Qualität des VfB, Spiele wie gegen den FSV Mainz 05 unspektakulär zu gewinnen. Die neue Qualität als Spitzenmannschaft. Der überraschend aufgebotene Fabian Bredlow bringt es nach dem Spiel auf den Punkt: “Wir haben heute nicht unseren besten Fußball gespielt und dennoch ziehen wir solche Partien an Land.“ Me and my monkey Es sitzt bei mir immer noch der Affe auf der Schulter, der mir irgendwas von „Kraftverlust“ und „Aufbaugegner“ ins Ohr flüstert. Schließlich hatte der VfB eine aufregende und mitreissende Pokal-Partie gegen Leverkusen in den Beinen und musste gegen den Tabellen-17. antreten, der in den letzten zehn Spielen lediglich vier Tore schoss (aber auch nur sieben bekam). Nach dem Spiel trollte sich der Affe, wie er es fast immer in dieser Saison tut: Der VfB ist nicht immer souverän, aber nach Anlaufschwierigkeiten bleiben die drei Punkte in Stuttgart. An das Spiel wird sich nach der Saison niemand mehr erinnern. Aber wenn Du genau diese Spiele gewinnst, humorlos, letztlich ungefährdet, dann bist Du eine Spitzenmannschaft, die zu Recht auf Platz 3 der …