Autor: @abiszet

Nicht der VfB, den ich kenne

Die Erwartungen waren groß: Tabellenführer konnte der VfB nach einem Sieg gegen Darmstadt werden. Doch die Befürchtungen waren ebenfalls nicht klein: Es war alles angerichtet für den typischen VfB, dass er das verkackt. Wir kennen das aus 130 Jahren. Letztlich war es eine klare Sache, der VfB zeigte die Reife, die von den Verantwortlichen gefordert wird. Einerseits: Die beste Offensive traf auf die schlechteste Defensive. Der VfB kommt aus einem Lauf und wir wissen, was eine Euphoriemannschaft wie die der Stuttgarter dann macht: Sie berauscht sich an sich selbst, erfreut sich an den eigenen Aktionen und begeistert die Zuschauer. Schützenfest incoming. Spitzenreiter sowieso. Andererseits: Der VfB kommt aus einem Lauf und wir wissen, was eine Euphoriemannschaft wie die der Stuttgarter dann macht: Sie berauscht sich an sich selbst, erfreut sich an den eigenen Aktionen und lässt aus Arroganz oder Übermut gerne einmal die Ernsthaftigkeit vermissen – gerade gegen vermeintlich schlechtere Mannschaften. Der VfB als der ideale Aufbaugegner. Einerseits: Darmstadt kommt geknickt und alles andere als selbstbewusst nach Stuttgart, nachdem sie einen 3:0-Vorsprung gegen Gladbach nicht …

Der VfB ist fast Tabellenführer

So schnell kann es gehen: Noch vor gut drei Monaten war der VfB fast abgestiegen. Jetzt steht am Freitag der fünfte Spieltag gegen Aufsteiger Darmstadt an (bisher ein Punkt) und der VfB ist eigentlich jetzt schon Tabellenführer, zumindest bis Samstag 17.30 Uhr. Denn, dass der VfB mal wieder fünf Tore schießt, ist ja eigentlich klar, oder? Klar ist auf jeden Fall auch: Serhou Guirassy wird treffen, mindestens drei Mal, alles andere wäre enttäuschend. Alex Nübel wird seinen Kasten zum dritten Mal zu Hause sauber halten. Atakan Karazor wird wieder der stehende Sechser sein, den sich Thomas Tuchel so verzweifelt von seiner Bayern-Transferkommission gewünscht hatte. Und dann sind es immer verschiedene Spieler, die ihre Bestleistung auf den Platz bringen: Chris Führich macht wieder den Robben (oder wie man in Stuttgart sagt: den Führich). Oder Silas bricht Geschwindigkeitsrekorde. Oder Enzo Millot tanzt Tango durch die Darmstädter Abwehrreihen. Oder Dan-Axel Zagadou köpft Bierkästen aus dem Strafraum. Verabredungen und VfB-Fans klingen im Moment so: „Wir sehen uns am Freitag gegen Darmstadt?“ – „Logisch, ich will dabei sein, wenn das …

Der Spektakel-Spieler

Der VfB Stuttgart stellt bis zum vierten Spieltag die beste Offensive der gesamten Liga. Das liegt in erster Linie am Spektakel-Spieler Serhou Guirassy, der erneut den Unterschied machte gegen Mainz in einer Partie, die überhaupt kein Spektakel war. Spiele in und gegen Mainz sind meist zäh, überwiegend unansehnlich, von Zweikämpfen geprägt, echt enge Kisten. Das Auswärtsspiel am vierten Spieltag ist da keine Ausnahme. Keine der beiden Mannschaften überzeugt, beide äußerst fehlerhaft im Positionsspiel, beide ohne Esprit in der Offensive mit vielen Flipper-Aktionen. Solche Spiele werden in der Regel durch Fehler und individuelle Klasse entschieden. Die Fehler machten Stefan Bell, der unter einem langen Ball von Waldemar Anton durchtaucht. Und Edimilson Fernandes, der vor dem 1:2 grotesk ausrutscht und schließlich die gesamte Mainzer Abwehr, die sich beim 1:3 amateurhaft anstellt. Die sich bietenden Chancen muss aber auch erst einmal einer so konsequent nutzen wie Guirassy. Der Mittelstürmer hat einen echten Lauf, jetzt nach dem Hattrick in Mainz mit acht Toren in den ersten vier Bundesligaspielen. Wieder fragen sich viele, warum sich kein Team der Premier League …

Die Spektakel-Mannschaft

In den letzten Jahren hat sich der VfB den Ruf einer Drama-Queen erarbeitet: Frühe Rückstände, späte Tore, umgedrehte Spiele, Klassenerhalt auf den allerletzten Drücker. In dieser Saison bietet der VfB zuverlässig Spektakel. Sport-Direktor Fabian Wohlgemuth meint dazu in seiner bekannt nüchternen Art: “Wenn man zu unseren Spielen kommt, kann man sicher sein, dass man viele Tore sieht.“ Man kann es auch etwas emotionaler ausdrücken: Der VfB bietet seinen Fans im zweiten Heimspiel das zweite Fußballfest. Euphorie und La Ola inklusive. Aber man ist geneigt, nach dem 5:0 gegen Bochum auch dieses 5:0 gegen Freiburg mit der Schwäche der Gegner zu erklären. „Wir müssen froh sein, dass wir in der Anfangsphase nicht hinten liegen“ Dabei kam SC selbstbewusst nach Stuttgart, schließlich gewann er die letzten sechs Duelle gegen den VfB und in der Anfangsphase sah es danach aus, als ob ein siebter Erfolg hinzu kommt. Der Europa League-Teilnehmer sofort im Spiel mit vier Torschüssen in den ersten fünf Minuten und zwei dicken Torchancen: Erst blockt VfB-Keeper Alexander Nübel einen Kopfball von Michael Gregoritsch nach schöner Halbfeldflanke …

Borna Fanboy for Life

Markus Elmer is nice, aber schon lange her. Ludovic Magnin allright, aber hat keinen Vibe. Ich bin und bleib’, Borna Sosa Fanboy for life. Ich habe das Gefühl, die meisten wollten Borna Sosa am Ende einfach nur noch los werden. Der kicker, der Rudi Völler unter den Fußballmagazinen, schrieb diese Woche sogar: „Es wird höchste Zeit zu gehen“. Was genau hat er sich zu Schulden kommen lassen? Dass er Ambitionen hat und nicht immer gegen den Abstieg spielen will und das auch öffentlich sagte? Dass er in 115 Spielen 35 Assists gab? Dass er fünf Jahre beim VfB war, genauso lange wie Jürgen Klinsmann, und länger als Legenden wie Marcelo Bordon oder Giovane Elber? Der VfB betonte in seiner Saisonanalyse, dass er künftig die Spieler länger im Club halten wolle. Sosa war so einer. Und er gab dem VfB viel, sehr viel. Zum Ende der Saison 2021/2022 spielte er unter Schmerzen, um seinen Beitrag zum Klassenerhalt zu leisten. In der Winterpause 2021 hatte er die Möglichkeit, den Verein zu wechseln, entschied sich aber für den …

Hey Boss, ich brauch’ mehr Geld!

Schwaben wird nachgesagt, dass sie sparsam seien, dass sie ihr Geld zusammen halten. Nur ein Fußballverein aus der schwäbischen Hauptstadt, bei dem scheint das nicht zu stimmen. Obwohl einerseits immer wieder davon gesprochen wird, dass der VfB „voll handlungsfähig“ sei durch sein „Weltmarkenbündnis“ und nicht gezwungen sei, Spieler zu verkaufen, werden andererseits Transferumsätze von über 40 Millionen gefordert. Und auf dem Transfermarkt agiert der VfB bei Neuzugängen sehr defensiv, obwohl er mit Wataru Endo, Borna Sosa und Dinos Mavropanos massiv Substanz verloren hat. In der Süddeutschen Zeitung gibt es freitags immer im Wirschaftsteil ein Interview mit dem Thema „Reden wir über Geld“. Vielleicht befragt die SZ einmal Alexander Wehrle: Er sprach von 90 Millionen für den Stadionumbau, die der VfB an den Gesamtkosten von 130 Millionen tragen muss. Nur: Wie setzt sie sich das zusammen? Es kursieren 30 Millionen, die der VfB für den Innenausbau (Digitalisierung, Hospitality, Küchen, „Tunnel-Club“) bezahlt. Die Stadt Stuttgart beteiligt sich mit 37,5 Millionen, während der VfB weitere 24,75 Millionen am Gesamtumbau übernimmt. Dazu kommen 36,25 Millionen, die die Stadion NeckarPark …

Der totale Abriss

Unter Sebastian Hoeneß hatte sich der VfB stabilisiert, verlor in 14 Spielen lediglich zwei Mal. Bis auf die Niederlage bei Hertha BSC spielte die Mannschaft stets konzentriert und ernsthaft, trat nicht mehr so wankelmütig auf wie unter Pellegrino Matarazzo und auch Michael Wimmer. Dass es zu so einem Einbruch kommt wie am 2. Spieltag war nicht zu erwarten. Vor allem nicht nach der ersten Halbzeit. Als ich die Aufstellung las, kam der innere „kicker“ in mir noch: Warum ist Enzo Millot nicht dabei? Disziplinprobleme? Hat er sich tätowieren lassen oder das Hosenbein hochgeschoben? Es waren dann Wadenprobleme, so dass Millot auf der Bank Platz nahm und Li Egloff für ihn begann. Dass der VfB in der zweiten Halbzeit völlig einbrach und mit 1:5 unterging, hatte mit diesem Personalwechsel nichts zu tun. Der VfB imponierte mit einer sehr guten ersten Halbzeit, kombinierte sich clever und mutig durch das gegnerische Pressing und erarbeitete sich gute Torchancen (Chris Führich, 2x Guirassy) und stand defensiv stabil, weil das Zentrum verdichtet wurde. Aber gegen Ende der ersten Halbzeit wuchs der …

Dinos: Immer mitreißend!

Bei der Miss-Wahl meines Lebens ist er die Nummer Eins. Er ist der Mann, der mir den Atem raubt und mir die Sprache klaut. Ich dreh’ durch wie nen Reifen im Schnee, wenn ich ihn auf dem Spielfeld seh’: Dinos Mavropanos ist einfach ein Hammertyp, der vor allem eines in seinen drei Jahren beim VfB konnte … Er konnte mitreißen. Die Kollegen auf dem Feld, aber auch die Zuschauer im Stadion und das Publikum vor dem Fernseher. Seine Energie war auf dem Feld, der Tribüne und im Wohnzimmer stets zu spüren. Er hatte eine mitreißende Spielweise, emotional, mit spektakulären Aktionen, vorne wie hinten, wie das 50-Meter-Eigentor im Pokalspiel gegen Paderborn. Der griechische Schrank absolvierte seit 2020 89 Pflichtspiele für den VfB und schoss acht Tore. Seine wichtigsten Treffer: Das 2:1 gegen Hertha BSC in der Nachspielzeit und das 1:0 in der Relegation gegen den Hamburger SV. Der optimale Start in die Entscheidungsspiele und wahrscheinlich der entscheidende Faktor, warum die Hanseaten in der Relegation nie eine Chance hatten. Am Anfang war mein Vertrauen in den mächtigen …

Ein Pflicht-Dreier

So schnell kann‘s gehen: Am Donnerstag und Freitag schien die VfB-Welt wegen des Wechsels von Wataru Endo nach Liverpool unterzugehen, am Samstag dann alle in weiß, Riesen-Stimmung, 5:0-Sieg und Tabellenführer. Wobei man sagen muss: Der Sieg gegen Bochum war nichts anderes als ein Pflichtsieg. Wer eine stabile Saison spielen will, muss gegen den Club aus dem Ruhrpott gewinnen. Euphorie ist also total unangebracht. Nicht nur weil der VfL an diesem Spieltag kein ernst zu nehmender Gegner war, sondern weil bis zum Ende der Wechselperiode noch reichlich Bewegung in den Kader kommen wird. Und es ist zu befürchten, dass sich die Qualität der Mannschaft nicht erhöhen wird, auch weil für Transfers nicht das entsprechende Budget bereit gestellt wird. Es gibt dazu widersprüchliche Aussagen von Alex Wehrle und Fabian Wohlgemuth. Der kicker schreibt von der irrwitzigen Zahl von 45 Millionen Transferüberschuss, die der VfB erzielen will oder muss. Kann aber auch sein, dass Umsatz und Überschuss verwechselt wurde. Kann vorkommen bei einem Medium, das in der hochgeschobenen Hose von Enzo Millot ein Zeichen mangelnder Disziplin sieht. Der …

Unbezahlbar. Unersetzlich. Unvergessen.

„Und Endo wird Schwabe!“, Wolff-Christoph Fuss übertrieb nicht, als er dies nach Endos Treffer zum 2:1 gegen den 1. FC Köln in der Nachspielzeit des 34. Spieltags der Saison 2021/2022 sagte. Wataru Endo ist der schwäbischste Spieler seit Jahrzehnten beim VfB. Ein echter Schaffer, einer, der immer bescheiden blieb, aus seiner Person und seiner Rolle für Mannschaft und Club nie großes Aufhebens machen. Jetzt erfüllt sich der Kapitän des VfB seinen Traum von der Premier League. Und dann auch noch der Liverpool FC. Geht es noch besser? Geht es noch schlechter für den VfB? Zwei Tage vor dem Bundesligastart den Spieler zu verlieren, ohne den er in den letzten beiden Jahren abgestiegen wäre? Endo ist für den VfB unersetzlich. Der Einzige, auf den immer Verlass war. Die einzige echte Verbindung zwischen Offensive und Defensive. Balleroberer, Ballverstecker, pressingresistente Anspielstation für seine Mitspieler, Schütze von wichtigen Toren, Vorangeher, Überallspieler, Mitreisser, Respektsperson. Er schloss Räume mit seinem Herz und seiner Antizipationsfähigkeit und er öffnete sie mit seiner Spielintelligenz. Er war derjenige, an dem sich alle orientieren konnten. Er …