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Breaking Bad Cannstatt

Noch vor wenigen Monaten war die Welt in Bad Cannstatt in Ordnung. Der VfB Stuttgart feierte Highlights in der Champions League, spielte eine mehr als ordentliche Hinrunde und lag am 18. Spieltag auf Platz vier. Die Spielweise nicht ganz so begeisternd wie in der Vizemeister-Saison, aber doch weiterhin fluide, mutig und dominant. Es schien so, als ob der VfB seine herausragenden Leistungen bestätigen könne.

Doch nach dem Ausscheiden aus der Champions League gegen Paris St. Germain ging es bergab. Die Rückrunde liest sich wie ein Kapitel, das man am liebsten überspringen möchte: 12 Punkte aus 14 Spielen, sechs Heimniederlagen in Folge – Vereinsnegativrekord. Aus einer Mannschaft, die erneut auf dem Weg nach Europa schien, ist ein Team geworden, das ohne Führerschein oder zumindest mit angezogener Handbremse in die wichtigsten Wochen der Saison fährt.

„Breaking Bad Cannstatt“ – das trifft es sehr gut.

Es ist etwas verrutscht, der VfB ist vom rechten Weg abgekommen. Vor allem das, was ihn so stark gemacht hat: Die Spielfreude, das Finden von Freiräumen, ein gewisses Tempo, das vertikale Passspiel, das saubere Positionsspiel – es ist nur noch teilweise erkennbar. Spieler wie Chris Führich, Ata Karazor und Jamie Leweling wirken gehemmt, überspielt, formschwach. Wenn ihre Leistungen in der letzten Saison nicht sogar ein einmaliger Ausschlag nach oben waren. Wirklich in Form sind eigentlich nur Maxi Mittelstädt und Nick Woltemade – der irritierenderweise gegen Heidenheim zunächst auf der Bank Platz nehmen musste.

Auch strukturell hat sich das Gesicht der Mannschaft verändert.
Mit Konsequenzen für das Spielsystem.

Die Leistungsträger Hiroki Ito, Waldemar Anton oder Serhou Guirassy verließen den VfB und wurden hinsichtlich des Spielerprofis nicht entsprechend ersetzt. Ermedin Demirovic und Jeff Chabot haben ihre Qualitäten, sind aber komplett andere Spielertypen. Finn Jeltsch ist dazu gekommen und wird in Zukunft ein absoluter Unterschiedsspieler sein. Ein kommender Nationalspieler, aber er braucht Zeit. Die ebenso Ameen Al-Dakhil benötigt, auch wenn man befürchten muss, dass er aufgrund seiner Verletzungsanfälligkeit sehr selten stabil spielen wird. In der Summe hat der VfB einen Teil seines sportlichen Fundaments verloren, auch weil Spieler wie Yannik Keitel, Fabian Rieder und Enzo Millot über weite Strecken der Saison ihren Platz faktisch beziehungsweise spieltaktisch in der Formation nicht gefunden haben.

Mittlerweile ist auch so, dass alle Selbstverständlichkeiten verloren gegangen sind. Das Selbstvertrauen schwindet mit jedem Fehlschuss, besonders Demirovic ist das förmlich anzusehen. Es ist wirklich „breaking bad” – die Überzeugung ist nicht mehr vorhanden, jeden Gegner auseinander spielen zu können, jeden Zweikampf gewinnen und jeden Ball zurückerobern zu können.

Und doch steht Stuttgart vor einem historischen Erfolg mit dem Einzug ins Pokalfinale gegen Bielefeld. Die erste Titel seit 2007 (oder wollen wir ersthaft die Zweitligameisterschaft 2017 mitzählen?). Niemand sollte so tun, als ob man „den Pokal schon holen“ würde. Zuversicht, ja. Begeisterung, unbedingt. Aber auch Ernsthaftigkeit.

Der VfB braucht die letzten drei Spiele, um sich zu stabilisieren, um in den Rhythmus zu kommen und Selbstvertrauen zu tanken. Die Eigendynamik des Negativlaufs muss gestoppt werden. Die Mannschaft muss Spannung aufbauen und sich wieder an die Spielprinzipien erinnern – die nicht nur aus vielen Pässen und schönem Spiel bestehen, sondern dass dazu auch Intensität, Haltung, Leidensfähigkeit, Geschwindigkeit sowie Flexibilität in Beinen und im Kopf gehören.

Sebastian Hoeneß sollte weiterhin nicht alles gut finden, dafür ist das Auftreten des Teams seit Wochen wirklich alles andere als gut. Sondern er sollte mehr Klartext sprechen, er sollte Lösungen finden und sie seinen Spielern an die Hand geben, um nicht beim Saisonhöhepunkt der Mannschaft zwar wieder keinen Vorwurf machen zu wollen, aber das Finale verloren zu haben.

Sonst wird Berlin kein krönender Saison-Abschluss, sondern wirklich bad.

Darf gerne geteilt werden:

7 Kommentare

  1. Matthias sagt

    Ein guter Artikel, der die schwer zu akzeptierende Entwicklung des letzten halben Jahres bilanziert.

    Ich finde auch, dass es langsam Zeit wird für ein Donnerwetter oder zumindest Klagetext!!
    Keine Ahnung, ob das nach innen schon läuft aber ein Leweling hat sich von einem Jahr noch die Lunge aus dem Leib gelaufen, um einen Vertrag zu bekommen.
    Jetzt ist er Lichtjahre von dieser Performance entfernt.
    Wenn du nach Platz 2 wirklich zu 90% satt sind, wird es Zeit, dass jemand einigen in den Allerwertesten tritt. Das sind hochbezahlte Profis, die auch den Fans und dem Verein gegenüber in der Bringschuld sind. Pomadiges Ballgeschiebe und Herumtraben auf dem Platz verbieten sich von selbst.
    Es braucht wieder diese Schärfe und Gier, eine neue Zielstrebigkeit, ein gesunder Ehrgeiz, um auf ein anderes Level zu kommen.
    Die Chance ist wirklich unglaublich groß einen Titel nach all den Seuche Jahren zu holen.

    Haut rein – aber so was von. Und SH, bitte, bitte, lass die Spieler spielen, die wirklich heiß und in Form sind. Sind wahrscheinlich nicht zu viele. Ansonsten Mal ein paar Junge dazunehmen…

  2. bacardihardy sagt

    Finde der VfB sollte im Sommer keine verrückten Transfers tätigen
    sondern aus der 2.Liga
    machbare Transfers tätigen
    für Positionen wo der Schuh drückt
    zB Florian Le Joncour von Elversberg als Linker IV oder Ragnar Ache für den Sturm
    müssten beide bezahlbar sein
    dazu Ulrich und Catovic aus der Zweiten hochziehen
    vielleicht auch noch gleich Laurin Penna
    das ist auch ein Riesentalent
    oder Ahamada zurückholen für wenig Geld, er hatte gute Talente als Mittelfeldspieler und traf auch ab und zu aus 20 Metern
    der VfB sollte mutig auf junge Spieler setzen
    die Sicherheitstransfers von erfahrenen Profis wie Brun Larsen , Keitel, Al Dhakil oder Rieder
    gingen alle in die Hose
    da ist keine Entwicklung zu erwarten
    Ausserdem hat man das Gehaltsgefüge derart erhöht in der Mannschaft
    dass man demnächst wieder gezwungen ist, Spieler zu verkaufen
    sollte man international nicht dabei sein
    der VfB kann einfach nicht mit Geld umgehen
    sehe da noch Verbesserungspotential bei Wohlgemuth und Gente
    aber auch von Hoeness erwarte ich diesen Sommer eine bessere konditionelle Vorbereitung
    wünsche mir eine VfB Mannschaft, welche in der letzten Viertelstunde nicht abbaut, sondern nochmals Gas gibt
    mein Frust muss raus

    • Ronny sagt

      Ich fürchte dein Frust wird vorerst weitergehen falls Millot mit Tiefpreisgarantie innerhalb der Bundesliga für 18 Millionen den Verein wechselt.
      Das das Gehaltsgefüge zerschossen wurde hast Du gut erkannt, denn man hat mittlerweile den Eindruck das jeder für sich spielt, und nicht mehr miteinander gekämpft wird, was auch die Laufleistung gegen Heidenheim bestätigt.

  3. Konny sagt

    Gestern gelesen Flug nach Japan… fände ein längeres intensives Trainingslager sinnvoller als schon wieder diese Marketingreise. Muss das jedes Jahr sein 🙄?

    Wir haben mit Daxo und Al Dakihl zwei permanent verletzte IV im Kader. Letzter Risikotransfer haben wir ja schon früh kritisiert. Das verstehe wer will… wenn einer schon instabil ist.

    Bei Rieder und Keitel sehe ich es anders. Eher so wie bei Krätzig. Der spielt bei Heidenheim super und echt griffig, während er bei uns keine Chance bekommt. Ich glaube eher, wenn so wie Silas jemand nicht gleich passt wird er aussortiert. Es wird nicht nach Stärken der Spieler, sondern nach Spielsystem aufgestellt. Letztes Jahr ging sich das aus. In diesem Fehlen die Spieler dazu.

    Demirovic bekommt zu wenig Input, Undav braucht einen Guirassy und Woltemade einen kongenialen Mitspieler. Leider fehlt es Millot an geistiger Frische, wahrscheinlich fehlt auch ihm Guirassy.

    Da muss ich die Idee ändern und den Spielstil an das Können der Spieler anpassen, deren Stärken herausstellen. Das macht der Trainer m.E. derzeit nicht. Man kann dann im Sommer ja wieder Spieler suchen, jetzt sollte die Idee geändert werden und den Fokus eher auf eine längere Vorbereitung gelegt werden. Dann wissen wir ja noch gar nicht, was Stiller und Co. machen….?

    • Ronny sagt

      Der VfB geht ins Trainingslager an den Tegernsee, eine Reise nach China, Südkorea oder Indien ist bisher nur im Gespräch, aber man hätte aus der Vergangenheit nichts gelernt, wenn wieder so eine anstrengende Ländertour auf dem Programm stünde.

  4. drhuey sagt

    Mein Herz habe ich qua Geburt an den VfB verloren, aber ich bin, zumindest was den Fussball betrifft, polyamourös. Das bedeutet, dass der Frühling mit der KO-Phase in der CL eine anstrengende Zeit im Dauer-Verliebtsein ist. Ich liebe die Einzelkönner mit speziellen, kreativen Fähigkeiten, oder Verteidiger, die so smart sind, dass sie das ungleiche Duelle, bei dem der Angreifer die nächste Aktion bestimmt, zu ihren Gunsten umdrehen. Und ich liebe Mannschaften, die über 90 Minuten so clever sind, unterschiedliche Phasen erfolgreich zu gestalten. Stuttgart hat ganz andere Voraussetzungen, aber ich frage mich, ob man nicht von Paris lernen kann, bei dem ein Vitinha mal als Solist Räume schafft oder in dieselben läuft und ein anderes Mal den Takt zum Verschieben des gesamten Mittelfelds gibt. Wie sich die Mannschaft über den Platz bewegt, machte im Neckarstadion nach 5 Minuten klar: heute ist für die Heimmannschaft nichts drin. Oder Inter gestern: Eine Mannschaft, die sich dem Jugendwahn entzieht, aber so viel Erfahrung und Resilienz hat. Es ist das Spiel ohne Ball, das bei beiden schlicht exzellent ist. Dass jeder Spieler nicht nur vor Vertragsverhandlungen, sondern erst recht danach, eine Gier an den Tag legt, ist auch Trainersache. “Love is in the air”, wenn Barcelona den Ball wieder zurück haben möchte.
    Erfahrung kostet Geld, aber ich würde für eine erfahrene Achse plädieren, die den entsprechenden Spirit in die Mannschaft bringt. Wir haben junge Spieler mit enormem Potential (gebe euch uneingeschränkt recht im Fall Jeltsch: das wird ein Boss, aber das dauert eben noch). Unser Fussball ist träge und einfallslos und reicht eben derzeit richtigerweise auch nur fürs Mittelfeld in der Bundesliga. Präzision und Geschwindigkeit im Passspiel gepaart mit Variabilität muss stark verbessert werden. Möglicherweise liegt es auch an der fehlenden Fitness, dass ein hoch bewegliches Spiel nicht möglich ist. Hoeness ist an der Stelle stark gefragt, aber auch unsere gesamte sportliche Leitung. Die Transferpolitik für diese CL-Sasion ist schon mal gescheitert.

  5. Marcus Fichter sagt

    Immer wieder lustig, wie manche hier glauben, es wieder besser zu wissen, aber das ist ja auch der Sinn an der Diskussion.

    Ich bin voll bei Euch, die restlichen drei Spiele sind für mich Bewerbungsspiele für das Pokalfinale. Hier sollte es auf dem Platz krachen.

    Trotzdem würde ich für meine Person nicht anmaßen, Wehrle, Wohlgemuth und Gentner, den verlässlichen Umgang mit Geld abzusprechen. Dafür bin ich viel zu weit weg und kenne die Internas zu wenig. Aber zumindest Wehrle, der den Porsche-Deal eingefädelt hat und der im Moment im Begriff ist den VfB auf solide Beine zu stellen, sollte man zutrauen, das er weiß, was er tut.
    Und deshalb wird auch über eine erneute Asienreise diskutiert, die das Bugdet des VfB sicher mehr vergrößert als verkleinert. Und andere Profis schaffen eine solche Belastung auch, deshalb sollte man auch unsere Jungs weiter an solche Belastungen gewöhnen. Die Ausrede CL und tlw. 4-fach Belastung galt noch diese Saison, aber ab sofort auch bei mir nicht mehr !
    Wenn der Pokal gewonnen werden sollte, wovon ich mal ausgehe, tut man sich auch leichter neue Spieler zu verpflichten. Aber ewig nur Talente aus der zweiten Liga zu verpflichten wird nicht helfen. Da muß schonmal in ein etwas höheres Regal gegriffen werden. Spielet von einer Klasse eines Itakura oder R. Reitz von Gladbach fände ich nicht schlecht.

    Jetzt hoffen wir mal auf den Pokalsieg, dann steigt auch wieder das Selbstbewusstsein und das Selbstvertrauen.

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