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Zu brav für den Hexenkessel in Istanbul

Der VfB verliert sein zweites Auswärtsspiel der Europa League in Istanbul, ohne die schlechtere Mannschaft zu sein. Weil er zwar den äußeren Umständen trotzt, jedoch international zu wenig aus seinen Möglichkeiten macht. Nicht zum ersten Mal.

Das Şükrü-Saracoğlu-Stadion ist eine Herausforderung.
Fairness und Respekt kennt es nicht. Sportsgeist ein Fremdwort. Aber der VfB nahm den Battle an, hielt der hitzigen Atmospähre Stand, nahm den Dauerkrach und das Dauerpfeifen hin. Musste am Ende aber auch erkennen: Das war ok, aber zu wenig. Denn dreckig kann die Mannschaft nicht. Genau das wäre womöglich notwendig gewesen. Nichts anderes konnte Fenerbahce. Instanbul war nicht besser, sondern cleverer. Fener war direkter, wilder, theatralischer, cleverer, fieser.

Der VfB wollte sich von den äußeren Umständen nicht aus der Ruhe bringen lassen. Wollte die Nerven behalten. Wollte sich nicht auf das Niveau des Gegner begeben, „bei sich bleiben“ heißt das im Fußball-Sprech. Das gelang, der VfB blieb weitgehend stabil. Nicht unwahrscheinlich, dass ein bisschen mehr kalkulierte Emotion dem Stuttgarter Spiel gut getan hätte. Erst in der Nachspielzeit und nach Abpfiff zeigte das Team, dass es sich nicht alles bieten lässt, rudelte, provozierte. Zu spät.

Aber diese Art des Fußballs ist nicht die von Sebastian Hoeneß: „Wir haben mutig gespielt, genauso, wie wir spielen wollten“. Ein wildes Hin und Her, ein Kampfspiel, das wollte er nicht und das liegt seiner Mannschaft auch nicht. Wohingegen Sportvorstand Fabian Wohlgemuth meinte, dass es in Istanbul an Dingen gefehlt hätte, “die unangenehm sind für den Gegner und die der Schiedsrichter vielleicht gar nicht sieht.“ Ist das Team also zu brav? Meint er, die Mannschaft sei zu brav für den Hexenkessel in Istanbul?

Lange Zeit sah bis zum Strafraum vieles ansehnlich aus.
Aber dann: viele Schleifchen im Spiel. Hier eine vermeintlich schöne Ablage, da ein Hackentrick, dort ein unnötiger Schnörkel. Ergebnis: Kaum Durchsetzungsvermögen. Das Fehlen eines eindeutigen Neuners machte sich bemerkbar, der VfB besaß zu wenig Überzeugung, es fehlte ihm an Klarheit.

Außer bei zwei Szenen: Atakan Karazor hämmert einen Ball frei stehend von der Strafraumgrenze in den Instanbuler Himmel. Der Wille war da, überzeugt von seinem eigenen Schuss war er selbst nicht. Kurz vor Ende schiebt der eingewechselte Deniz Undav einen Querpass von Bilal El Khannouss neben das Tor – zurückhaltend, fast schüchtern. Hätte er doch in der Szene ähnlich druckvoll agiert wie beim Rudel am Spielende.

Das VfB-Team hat ohne Frage viel Talent.
Macht aber in Spielen wie gegen Instanbul (ebenso in Basel) zu wenig daraus. War in den entscheidenden Szenen dämlich (Stiller-Foul vor dem Elfer) oder hatte Pech, als der Schiri den Elfer für die Brustringträger zurücknahm. Eine vielleicht irgendwie noch vertretbare Entscheidung nach der fünften Slomo, der Elferpfiff aber niemals eine klare Fehlentscheidung.

Zu positiv bewerten sollte der VfB den Auftritt nicht.
Karazor sagte im Vorfeld, alle sollen das Auswärtsspiel genießen. Was mir deutlich zu wenig ist. Genießen heißt belohnen, genießen bedeutet zurücklehnen. Aber genießen beginnt für mich nach dem Spiel – wenn man es erfolgreich bestritten hat. Das gelang dem VfB nicht, weil sich dieses Mal keiner in der Top-Form der letzten Spiele befand. Weder Tiago Tomàs, noch El Khannouss oder der blasse Badredine Bouanani schwangen sich zum Unterschiedspieler auf.

So gelang VfB nach dem Rückstand kein Comeback gegen einen ekligen Gegner, der mit seinen Zuschauern die Grenzen der Unsportlichkeit austestete und darüber hinaus ging. Dass der VfB genau an dieser Ekligkeit scheitert, ist keine Überraschung. Er muss lernen, solche Spiele erfolgreich zu bestreiten.

Der VfB versuchte es auf seine Art, ließ sich nicht einschüchtern und auch nicht auf das Niveau des Gegners runter ziehen. Konzentrierte sich auf seine Stärken, versuchte es mit Coolness gegen die Leidenschaft von Fener. Aber so cool und vor allem so reif, seine eigenes Spiel in Zählbäres umzuwandeln, war es nicht. Nach Basel und Instanbul muss die VfB-Lernkurve steiler werden, um die Gruppenphase der Europa League zu überstehen.

Zum Weiterlesen:
Danny Schöckle vergleicht auf ZVW das VfB-Spiel mit Schach – Fenerbahce trat dagegen so auf, “als wäre es ein Straßenkampf.”

Philipp Maisel vermisst in Instanbul “Ellbogenmentalität, Resilienz, Attitüde“ (Newsletter).

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18 Kommentare

  1. Divina33 sagt

    Offenbar ist auch die Europa League eine Nummer zu groß für den VfB.
    Gegen Basel und Istanbul fällt mir nur ein Prädikat ein: harmlos.

    Warum SH so spät wechselt?

    Warum Chema gar nicht kam?

    Warum sprang Nübel beim 11er nicht in die Ecke die ihm sein Kapitän anzeigte?

    Das Resumee könnte nicht unterschiedlicher sein:

    Karazor: Wir haben ein gutes Spiel gemacht und müssen daran anknüpfen (das ist der Standardsatz der vergangenen Zeit)

    Stiller: Wir haben verloren und somit ist das ein Rückschritt … ( zumindest ist das ehrlich und damit ein Fortschritt).

    »Wohlgemuth meinte, dass es in Istanbul an Dingen gefehlt hätte, “die unangenehm sind für den Gegner und die der Schiedsrichter vielleicht gar nicht sieht«

    Solche Aussagen lenken doch nur von seiner eigenen Arbeit ab:

    SH ordnete die Transferaktiviäten der letzten zwei Sommer ja schon des öfteren ein. Nach neuesten Berichten war der VfB schon sehr früh mit den Engländern im Gespräch wegen NW.
    Das heißt Wohlgemuth und Co hatten genügend Zeit einer 9er zu finden für internationale Ambitionen.

  2. Achim Herzblutfan sagt

    Tja @abiszet
    Mir fehlt beim VfB, und das schreibe ich hier gebetsmühlenartig immer wieder, ein echter Leader, ein richtiger Boss und – ja- Drecksack. Einer dem man von Sekunde 1 bis zur 12.Minute der Nachspiezeit anmerkt:
    An mir kommt niemand vorbei und wenn du mir nochmal dumm kommst gibts was auf die Fresse.
    Eben ein Andrich, Xhaka, van Bommel und wie sie alle heissen.
    Hat der VfB derzeit nicht. Aber heisst das, dass wir die netten Jungs aus Cannstatt sein müssen?
    Wenn z.B. Nene theatralisch hinfällt, weil er den Arm von Karazor berührt hat, sich minutenlang vor Schmerzen auf dem Rasen wälzt und wenn er keinen Freistoß bekommt putzmunter weiterspielen kann, was ist das Fazit des VfB? Wir Mercedes-Fahrer begeben uns nicht auf so ein Niveau herab?
    Ist das die Antwort auf den Gegner?
    Wieso kann Karazor oder wer auch immer nicht bei kleiner Berührung von Gegner vom Blitz getroffen zu Boden gehen? Rettungsaktion beim Schiri lauthals einfordern, während Karazor dem Tode nahe sich unter (Lach-) Krämpfen auf dem Rasen windet ? Wieso nicht?
    Schauspielunterricht für alle Feldspieler des VfB in einem Kellerraum im Clubzentrum
    Jeden Freitag Abend.
    Ich kann das nette Gesäusel von Karazor nach dem Spiel nicht mehr hören.
    Meine Mama ist im Fanblock und für Fenerbahce.
    Nicht falsch verstehen! Habe nichts gegen Karazor oder sonstwen.
    Aber dieses: Ach sind wir nette Jungs ! Geht mir sowas von auf die Eier. Sind wir denn in der Wohlfühlgruppe im Therapiezentrum oder was? Leute! Ich will wieder richtige Arschlöchet auf dem Platz sehen. Keine Mama-Söhnchen.
    Mainz zwei Mal jetzt richtig was auf die Fresse und gut ist.

      • Jolly92 sagt

        Arschlöcher will ich auch nicht sehen, aber Agressive Leader die mal dazwischen hauen fehlen mir. Auch ein Kapitän kann mal ein Zeichen setzen, aber leider ist Ata ja mit der eigenen Formsuche beschäftigt.

        • @abiszet sagt

          Ja, das ist richtig. Chabot wäre auch einer, Undav ebenfalls, er hat es als Kapitän auch sofort gezeigt (auch wenn aus Deiner Sicht von ihm mehr kommen soll), wenngleich es womöglich andere Gründe hat (es ist von Beleidigungen zu lesen wegen seiner kurdisch jesidischen Herkunft).

  3. Olli Wezel aka debutanker sagt

    Aber sowas von 100% bei dir!
    Einfach schade, dass wir die letzten 2 internationalen Spiele gegen Gegner verloren haben, die definitiv nicht mehr Qualität als wir haben.
    Was sie uns aber eben voraus haben, ist die Portion mehr an Galligkeit und Ekligkeit die kleinen aber wichtigen Unterschiedsmomente in einem Fussballspiel nicht nur spielerisch, nüchtern und emotionslos lösen zu wollen, sondern eben auch mit jetzt muss es einfach auch einmal unorthodox die “Kopf durch die Wand”-Mentalität sein.
    Ein personifiziertes Bsp. für solche Tugenden war da für mich in Basel Xherdan Shaqiri.

  4. Divina33 sagt

    „und wenn du mir nochmal dumm kommst gibts was auf die Fresse.“

    O weh, das tut ja schon beim lesen weh.

    Unsere Dreierkette hat doch gut gehalten.

    Das Problem ist doch, dass wir keine Tore schießen in Basel und in Istanbul…da fehlt im Strafraum der Unterschiedsspieler…
    Tiago Tomas ist das nicht.
    Undav, so frei vor dem Tor und ?!
    Badredine Bouanani wird sich noch entwickeln hoffe ich.

    • Jolly92 sagt

      Von Undav muss mehr kommen, auch wenn er länger raus gewesen ist. Sehe da seit Monaten keinen Fortschritt, WM Teilnahme ist auch weit entfernt. Bei Bouanani bin ich guter Dinge dass der einer wird

      • @abiszet sagt

        Bei mir genau anders rum: Bouanani erscheint mir zu eindimensional (linker Fuß, zieht ausnahmslos in die Mitte), bei Deniz bin ich mir sicher: Wenn gesund und fit, dann rockt er.

  5. Ronny sagt

    Was für ein seltsames Spiel, bis zum Strafraum waren wir richtig gut, aber dann fehlte komplett die Durschlagskraft. Was gegen Wolfsburg noch top funktionierte, war wie weggeblasen. Eigentlich war das ein 0 : 0 Spiel, wenn Stiller den Gegenspieler nicht einen Tick zu lange festhalten hätte, dabei hatten wir noch Glück das der Schiedsrichter gegen Bilal Khannouss nicht die rote Karte zeugt. Mit offener Sohle zu agieren hat mich sofort an Ahamada erinnert. Jetzt ist das weiterkommen natürlich gefährdet, und mit Feyenoord ist auch der nächste Gegner keine Laufkundschaft. Was ein Spieler der Preisklasse Undav in einer halben Stunde gezeigt hat fand ich erstaunlich wenig, auch wenn er gerade aus einer Verletzung kommt. Nun heißt es die Kräfte wieder bündeln für Mainz 05.

  6. drhuey sagt

    Ob Bundesliga oder international, die netten Kerle aus Cannstatt geniessen und lachen (Undav) und erfreuen sich ihrer Feldüberlegenheit. Die feine Klinge war in Istanbul aber leider nicht gefragt, obwohl es bis ans letzte Drittel ja gut aus sah. Aber Istanbul ist eine typische Tedesco-Mannschaft: Zerstören ist ihre erste Priorität. Dabei dachte ich am Anfang seiner Karriere, dass aus ihm mal ein grosser Trainer werden kann, aber der Zug scheint abgefahren zu sein. Alles was an ihm an Spitzenklasse erinnert ist seine aufgesetzte Empörung bei jeder Schiedsrichter-Entscheidung gegen seine Mannschaft. Es scheint mir, dass da einer bei Bayern hospitierte, aber nur zu der Zeit als sie das empörte, gemeinsame Aufspringen von der Bank orchestriert haben. So, das musste raus :)
    Was fehlte? Aus meiner Sicht waren zuviele Offensive bei max. 80% (Bouanani und Tomas waren unsichtbar) während die Defensive ganz gut funktioniert hat. Es ist die gewisse Abgewichstheit, die dieser jungen Mannschaft, wie SH immer wieder betont, fehlt. Mainz, mit dem Rücken zur Wand stehend, werden ganz genau so auftreten. Es bleibt nicht viel Zeit ein geeignetes Mindset vorzubereiten.

  7. Nachspielzeit sagt

    Ich schließe mich einem der Vorredner an: Es lag sicherlich nicht an der Defensive, dass wir dieses Spiel erneut verloren haben. Unsere Offensive – wie schon in Basel – ist auf der Neun einfach viel zu harmlos für die Europa League.

    Tut mir leid, aber Undav hätte man zu diesem Preis niemals verpflichten dürfen. Sicherlich ein super korrekter Typ, aber die 27 Millionen Ablöse plus zweimal 4 Millionen Jahresgehalt sind nicht einmal ansatzweise gerechtfertigt. Für den Preis kann er selbst nichts, aber es tut einfach weh, wenn man sieht, wie verloren er da vorne wirkt. Ich hoffe, ich werde noch eines Besseren belehrt – aber meine Hoffnung ist maximal gering.

    • @abiszet sagt

      Meine Hoffnung ist maximal groß.

      Ich kann nicht nachvollziehen, warum Deniz (bei diesem Spiel) kritisiert wird: Er spielte um die 30 Minuten, kommt aus einer Verletzung und die harmlose Offensive an ihm festzumachen ist oberflächlich. Wir hatten drei Feinfüße vorne, die sich nicht durchsetzen konnten, die zu verspielt waren und denen es ein wenig an Klarheit gefehlt hat.

  8. Konny sagt

    Jetzt geb ich halt meinen Senf auch noch dazu…

    … mit Chema und Nartey war es besser. Überhaupt hätte ich (sorry) Karazor schon nach HZ 1 rausgenommen und Chema gebracht.

    Dieses Pfeiffen, wenn der Gegner am Ball ist, ist ja komplett unsportlich.

    Zu Undav finde ich, dass es unnötig war ihn da reinzuwerfen. Seine Nationalität wird dort kritisch gesehen und da hätte doch der Verein sich seine Statements sparen können, wenn man vorab hier Feingefühl hätte walten lassen. Undav war auch nicht unemotional und das hätte man sich doch schenken können. Gebracht hat es / er ja leider nicht so viel außer rassistischen Scherben.

    Ich hoffe, dass wir im Winterfenster einen kopfballstarken und wuchtigen Neuner verpflichten.

    Demirovic wäre gestern die richtige Personalie gewesen. Der ist giftig und bissig.

    Wird knapp in Europa. Lewelings Titel ist in weiter Ferne .

    • @abiszet sagt

      “Zu Undav finde ich, dass es unnötig war ihn da reinzuwerfen. Seine Nationalität wird dort kritisch gesehen”
      Kritisch gesehen ist ein Euphemismus.

      Also deshalb einknicken vor den Beschimpfungen?

      Wenn, dann hätte das nur Deniz entscheiden können. Und ich bin mir sicher: er geht keinen Schritt zurück, wenn er beschimpft wird – und das völlig zurecht.

      Nur fürs Protokoll: für die “rassistischen Scherben” ist Deniz wohl nicht verantwortlich.

      • Konny sagt

        Nein natürlich ist Undav da nicht persönlich schuld – ich bin halt eher Diplomat und hätte es anders gemacht, da aus der Verletzung heraus nicht zu erwarten war, dass er DER Unterschiedsspieler ist. Es hilft nur so jetzt auch keinem und wäre nach mE vermeidbar gewesen.

  9. fritzo62 sagt

    Anscheinend ist die Bundesliga so schlecht wie nie. Wir dürfen nicht annehmen, dass bei 5:2 Siegen wir außerhalb DE was reißen können. Oder geht es doch? Freiburg siegt, und Mainz auch. Die CL ist eh außerhalb unserer Möglichkeiten.
    Uns fehlt was in manchen Spielen – Freiburg wollte es mehr, Union, Basel und Fener auch – und dann verliert der VfB (noch) immer. Es liegt also an der Einstellung, am Willen… oder wir haben irgendwann das Thema Qualität.

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