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Erst die Arbeit, dann das Vergnügen

In dieser Saison fällt dem VfB – Ausnahme Wolfsburg – nichts leicht. Alle Erfolge: hart erarbeitet. Das ist der VfB nicht gewohnt (Angelo Stiller: „Das hat sich in der ersten Halbzeit nicht gut angefühlt”) und wir Fans kennen das auch nicht. Sind wir ehrlich: Die meisten von uns haben noch mit einem späten Gegentor gerechnet, oder? Aber den späten, vermeintlich VfB-typischen Treffer kassierte Feyenoord Rotterdam.

Es gibt beim VfB einige Spieler, bei denen schwere Dinge leicht aussehen. Bei denen man glaubt, dass vieles einfach von selbst passiert. Automatisch, intuitiv. Andrès Chema ist so einer, auch Bilal El Khannouss. Bei beiden jedoch konnte man beobachten, dass sie gegen Feyenoord Rotterdam Probleme hatten. El Khannouss mit einer gefühlten Passquote von 0 Prozent in den ersten 30 Minuten. Dazu versuchte er, mit Schleifen und Schnörkeln und Spielereien Sicherheit in sein Spiel zu bekommen, was ihm nicht gelang. Chema dagegen konzentrierte sich auf die einfachen Dinge und kam so langsam ins Spiel hinein.

So wie Chema und El Khannouss ging es der ganzen Mannschaft in der ersten Halbzeit. Der VfB wirkte unsicher, spielte viel zu hektisch, bekam keine Ruhe in die Aktionen, keine Kontrolle ins Spiel. Rotterdam dagegen sehr gut organisiert, mit klaren Abläufen im Pressing und im Ballbesitz. Eine reife Mannschaft, der es einzig vor dem Tor an Konsequenz fehlte – die der VfB in den entscheidenden Szenen zumindest in der Defensive an den Tag legte.

Die wenigen Umschaltmomente verdödelte der VfB, war zu langsam, es rückten zu wenige Spieler nach, da Feyenoord bei Ballverlust sofort online war und viele Spieler hinter den Ball brachte. Beim VfB wurde es zwar besser durch eine Umstellung von Dreier- auf Viererkette (Sebastian Hoeneß: „Unsere Idee war nicht passend“), es wurden mehr Zweikämpfe gewonnen, aber es sah nach Arbeit aus, was der VfB auf dem Feld veranstaltete, nicht nach einem Spiel. Mit wenigen Ausnahmen, wie der Chance durch Deniz Undav nach Steckpass von Chema (69.).

Ein 0:0-Spiel, mit der gar nicht mal so leisen Befürchtung, dass der VfB noch ein Gegentor fängt.

Im Stadion wird diese Unsicherheit mit lautem Support überspielt, die Zuschauer merken, dass die Mannschaft Hilfe braucht. Die VfB-Spieler wollten den Dreier ziehen, ihre Bemühungen sahen aber immer verzweifelter aus. Dass sie dran blieben, dass sie an einen Treffer glaubten, muss man der Mannschaft hoch anrechnen. Die alte Floskel “über den Kampf zum Spiel” fällt einem da ein. Aber es gab kein Spiel gegen Rotterdam, nur Kampf. Fast.

Ungewöhnliche Einblicke: Wahrscheinlich wurde das als Foul von Assignon ausgelegt. Der Schiedsrichter und er sind keine Freunde geworden. Jede Aktion wurde dem Franzosen abgepfiffen.

Ungewöhnliche Einblicke: Wahrscheinlich wurde das als Foul von Assignon ausgelegt. Der Schiedsrichter und er sind keine Freunde geworden. Jede Aktion wurde dem Franzosen abgepfiffen.

Der entscheidende Treffer ausgelöst durch ein energisches Dribbling des starken Finn Jeltsch und einem scharfen Pass in den Lauf von Lorenz Assignon. In seine blind geschlagene Flanke katapultiert sich El Khannouss, der in Mittelstürmer-Position eingelaufen war. Das sah aus wie El Kanon wie der Ball unter der Latte einschlug. Und das sah plötzlich alles ganz leicht aus, wie selbstverständlich, der ganze Spielzug flüssig, fast schon lässig.

Nach 90 Minuten Arbeit dann zum Schluss noch ein Highlight:
Ein Konter über Undav, Jamie Leweling und Chris Führich, den eben Undav abschloss. “Auf der letzten Rille“, wie Hoeneß spöttisch anmerkte. Undav hatte den Ball erst am eigenen Strafraum festgemacht und war dann über das gesamte Feld gesprintet. Das trauen ihm ja nicht viele zu, als Sprinter ist er nicht gerade bekannt. Dabei war Undav genau damit ein Sinnbild für den gesamten Abend: Erst der kräftezehrende Sprint mit leichter Übersäuerung in den Oberschenkeln, dann der Treffer und ein explodierendes Stadion.

Eben: Erst die Arbeit, dann das Vergnügen.

Zum Weiterlesen:
Die Begegnung am vierten Spieltag der Europa League war das neunte Aufeinandertreffen mit Feyenoord Rotterdam. Einige legendäre Duelle waren dabei – von 1974 bis 2000. Natürlich auch mit Toren nach der 90. Minute!

Die Rotterdam-Fans hatten einen Ruf zu verlieren. Und benahmen sich entsprechend in Stuttgart.

Bilder: Alexander Hassenstein/Getty Images

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17 Kommentare

  1. bacardihardy sagt

    Ein erfreuliches Ende nach mühevollem Beginn.
    Hoeness rotiert mir zu viel, da fehlen dann auch die Abstimmung und Eingespieltheit zwischen den Mannschaftsteilen.
    Chema und El Kanon waren für mich noch mit die Besten auch in der ersten Halbzeit.
    Auf internationaler Ebene muss man leider feststellen, dass Mittelstädt und auch Stiller eher kleine Brötchen backen.
    Da sollte niemand Nagelsmanns Entscheidungen anzweifeln.

    • @abiszet sagt

      Die Rotation, letzte Woche Erfolgsfaktor, jetzt Kritikpunkt nach einem 2:0-Erfolg ;-)
      Wen hättest Du denn anstatt dessen aufgestellt? Die signifikanteste Änderung war Karazor > Chema, den Du ausdrücklich lobst. Khannouss aus meiner Sicht in der erste Halbzeit daneben.

      Stiller nicht nominieren, weil Amiri und Pavlovic und Nmecha international größere Brötchen backen? Und Raum und Brown sind besser als Mittelstädt?

  2. Marcus Fichter sagt

    Das war ein echt dickes Brett, welches da gebohrt werden musste.
    Einzig die Entscheidung unseres Trainers Vagnoman anstelle Führich oder Leweling auf links anfangen zu lassen, hab ich nicht verstanden. Vielleicht wollte er erst defensiv kompakter stehen, offensiv war Vagnoman her ein Hindernis. Ganz schlecht im Spielaufbau und der Körpersprache war für mich in der ersten Halbzeit ungewohnterweise J.Chabot. Einige haarsträubende Fehlpässe waren da dabei. Gut, dass Finn Jeltsch nen guten Tag hatte.

    Spielentscheidend war für mich der Tausch Zagadou für Chabot und Hendriks für Mittelstädt. Hoeneß signalisierte Rotterdam das der VfB das Ergebnis halten will und bringt keine offensiven Kräfte mehr. Und dann schlägt die Truppe durch die zwei schönsten Spielzüge des ganzen Spiels gnadenlos zu. ( Ironie off ). 😁😁

    Solche Spiele musst Du gewinnen, wenn Du was erreichen willst. Wie hier geschrieben, hat ja das halbe Stadion schon auf den Gegentreffer gewartet. Aber der VfB spielt erneut zu Null. Und Rotterdam hatte insgesamt auch kaum Chancen.

    Jetzt noch die Puppenkiste schlagen und in ein ruhige Länderspielpause gehen.

  3. Konny sagt

    Ich finde es toll, dass wir das Spiel mit Willenskraft gezogen haben. Herzlichen Glückwunsch – das war spitze und ganz gewiss nicht einfach.

    Mal ne Frage in die Runde, was sagt Ihr zu Nagelsmann? So langsam glaub ich (sorry) dass der nicht mehr alle Latten am Zaun hat. Statt mal sich mit einem Basisteam einzuspielen holt er mal diesen, mal jenen und dann wieder ganz jemand anders. So langsam ist das was er von sich gibt und was er tut nicht mehr logisch nachvollziehbar. Ich kann den Frust von Stiller, Mittelstädt und dem VfB verstehen und finde es super, was der Trainer in aller Klarheit dazu gesagt hat.

    • @abiszet sagt

      Bis auf @bacardihardy wundern sich wahrscheinlich die meisten über Nagelsmanns Nominierungen. Traurig bin ich darüber nicht, Stiller wie Mittelstädt haben zwei Trainingswochen bzw. Regenerationswochen und das wird Ihnen gut tun.

      Erstaunt über die Nominierungspraxis von Nagelsmann bin ich nicht. Es gehört bei ihm dazu, dass er ständig allen zeigen muss, wie geil er ist: Mit Nominierungen, mit taktischen Ideen, mit Einwechslungen von Spielern, mit Spielern, die er positionsfremd einsetzt (remember Havertz als Linksverteidiger!)

      • Konny sagt

        Nagelsmann macht den Bruno 😳
        Wenn Nübel oder Jamie nicht spielen, schau ich aus Sympathie mit Ange und Maxi NICHT 😤

    • Ronny sagt

      Habe mich auch geärgert, aber nicht nur wegen Stiller und Mittelstädt, sondern weil ich die Vorgehensweise von Nagelsmann nicht mehr nachvollziehen kann. Es werden Spieler welche gerade eine Hype haben wie EL Mala nominiert, anstatt den Jungen erstmal 50 Bundesligaspiele kontinuierlich machen zu lassen. Und seine Lieblinge wie Raum werden bevorzugt. Ich sehe überhaupt nicht wie dieses Durcheinander zu einer erfolgreichen Weltmeisterschaft führen soll.

      • @buzze sagt

        Julian Nagelsmann hat das D-Ticket für den Hypetrain. Als der VfB Vizemeister wurde, nominierte er jeden Stuttgart-Spieler mit deutschem Pass. Jetzt eben El Mala und andere. Ein Grund mehr, der WM 2026 keinerlei Beachtung zu schenken.

    • Thilo Schäfer sagt

      Rotterdam ist nicht umsonst Tabellenführer in NIL.
      Es war das erwartet schwere Spiel und Vl waren die unsrigen den Ticken gieriger für die 3 Punkte.

      Die Fans, was ja keine waren, würden in „mein Stadion“ nicht mehr kommen. Kein Support für ihre Mannschaft nur auf Randale aus.

  4. Ben G. sagt

    Nagelsmann ist völlig lost, er will halt auf Teufel komm raus der Superstar sein. Bin da ganz bei @abiszet: Eine Pause die für uns nicht schlecht ist. El Kanon war in der ersten Halbzeit eine Katastrophe. Umso schöner, dass er am Ende wieder der Entscheider war. Den Move mit Vagnoman habe ich auch nicht verstanden.

    Ist jemand aufgefallen, dass es im Stadion deutlich lauter war also sonst? Waren da neue Boxen montiert? Bei der Mannschaftsaufstellung war es am deutlichsten.

  5. bacardihardy sagt

    Bisher hat Hoeness ja Recht mit seiner Rotation, da er Erfolg damit hat. Habe da aber ne andere Meinung. Chema und El Khanouss würden bei mir immer starten. Sind zu talentiert.
    Vagnoman auf links, verstehe ich nicht.
    Leweling, Führich sind da allemal besser.
    In der 1. Halbzeit waren Undav und Tomas für mich Totalausfälle, Mittelstädt und Stiller waren nicht viel besser.

    Nagelsmann weiss wahrscheinlich selbst nicht, wen er da nominieren soll, im deutschen Mittelfeld. Als Taktgeber ist Stiller den andern sicher meilenweit überlegen. Dem VfB tuts jedenfalls gut wenn sie mal nicht dabei sind.

  6. fritzo62 sagt

    Wenn Du vorne keinen reinmachst, darfste hinten keinen reinkriegen.
    DAS ist die größte Kunst von SH, mit dieser Elf trotzdem siegen zu können – die Mannschaft macht ja irgendwie Tore. Gibt es noch einen VFB‘ler, der in dieser Saison noch kein Tor gemacht hat?

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