Am 11. November 2019 fand in der Soccer Lounge im Neckarstadion eine Auflage der “Dunkelroten Tische” statt. Damals stellten sich die beiden Präsidentschaftskandidaten Christian Riethmüller und Claus Vogt den 300 anwesenden Mitgliedern vor.
Fast forward zum 24. Juni 2021: Vogt wurde am 15.12.2019 zum VfB-Präsidenten gewählt, hat die zweite Liga, die Geisterspiel-Saison und den Datenskandal inkl. Machtkampf überstanden und wirbt vor 100 getesteten, geimpften oder genesenen Zuschauern für das Vertrauen für eine weitere, diesmal vollständige Amtszeit.
Sein “Widersacher” von 2019, der längst keiner mehr ist, steht auch auf der Bühne – quasi als Vorprogramm: Christian Riethmüller kandidiert im direkten Duell gegen Hubert Deutsch um einen Platz im verwaisten Präsidium. Das gleiche gilt für Rainer Adrion, der gegen Markus Scheurer, Vorstandsmitglied des Freundeskreises, antritt. Die Stimmung in der Soccer-Lounge bestätigt das Bauchgefühl: Auf Deutsch und Scheurer würden nur beinharte Glücksritter wetten.
Weitaus interessanter ist da das präsidiale Duell zwischen Amtsinhaber Vogt und Herausforderer Steiger. Denn schnell wird deutlich, dass die ausgerufene Wahlphase mittlerweile ein Wahlkampf ist – endlich! Wo bleibt denn auch der Spaß, wenn beide Kontrahenten immer einer Meinung sind?
Dass das im aktuellen Wahlkampf definitiv nicht (mehr) der Fall ist, wird schnell deutlich: Der Amtsinhaber macht wenig Anstalten, zu verbergen, dass er bisweilen von seinem Kontrahenten genervt ist. Und dieser wiederum macht keinen Hehl daraus, dass er mit der Amtsführung Vogts nicht wirklich einverstanden ist. Kurzum: Die Veranstaltung ist unterhaltsamer als erwartet.
Aber gebruddelt wird immer und deshalb sei auch angemerkt, dass der wichtige Wahlkampf um die Posten des Vereinsbeirats eigentlich nur auf den Bildschirmen stattfand. Klar, die Anzahl der Kandidaten würde vermutlich den Rahmen sprengen. Dennoch wäre es schön gewesen, wenn alle vor Ort gewesen wären. So haben die Amtsinhaber, die erneut antreten, vermutlich wenig schlaflose Nächte.
Die größte Erkenntnis: Das Event zeigt, wie wichtig eine Präsenzveranstaltung ist. Den Erkenntnisgewinn, den der “Dunkelrote Tisch” gebracht hat, hätten zehn Videokonferenz nicht erbringen können. Denn schließlich sind die Präsidiumsmitglieder und der Präsident die höchsten Vertreter der 72.000 Fans. Sie sind ihre Ansprechpartner – und das im wahrsten Sinne des Wortes. Und dem werden sie gerecht: Sie sind greifbar.
Abseits der Agenda war es auch einfach mal wieder unfassbar schön, vom Cannstatter Bahnhof ins Neckarstadion zu pilgern. Der Blick aus der Soccer-Lounge in die Schüssel ließ einem fast die Augen feucht werden.
Und Gerüchte besagen: Wer erst spät nach Hause ging, konnte sogar noch das Privileg genießen, nach der alkoholfreien Veranstaltung das erste Stuttgarter Hofbräu im Stadion zu trinken. Prost, wir sehen uns am 18. Juli!
Die Veranstaltung im Relive.
Pierre-Enric Steiger im Gespräch bei Steffen im Bruddelei-Podcast.
Und bitte vormerken: Am 1. Juli stehen die beiden Kandidaten dem Fan-Projekt Rede und Antwort. Die Location: die Schwemme in Cannstatt. Wie geil ist das denn?! Am 4. Juli folgt dann die Viererkette aus der Mercedesstraße. Danach wissen wir definitiv, wen wir wählen sollten!
Da wird wieder versucht eine Präsenzwahl zu rechtfertigen. Dabei mischt man Liveauftritte fröhlich zusammen mit dem Thema Präsenzveranstaltung. Das eine hat mit dem anderen nicht viel zu tun. Liveauftritte der beiden Kandidaten im Vorfeld, die sich jeder im Netz anschauen kann, sind begrüßenswert und meinungsbildend. Das heißt aber noch lange nicht, dass man mit einer zwanghaften Präsenzwahl bis auf maximal 5000 Mitglieder von der Abgabe ihrer Stimme ausschließen darf/sollte. Jedes Mitglied kann auch selbst entscheiden, auf welcher Grundlage es sich seine Meinung bildet und kann zB auch mit Ohropax bei der Mitgliederversammlung sitzen und trotzdem abstimmen. Wenn 60-65000 Mitglieder ab so von der Stimmabgabe ausgeschlossen werden, ist das schlicht eine undemokratische Wahl. Aber genau das ist ja der Grund, wieso Vogt und seine Anhänger scheinheilig auf eine Präsenzwahl gepocht haben. Es geht nur um die bestmögliche Sicherstellung des gewünschten Wahlergebnisses.
Beide Kandidaten plädieren für eine Präsenzveranstaltung. Wie passt denn das ins Bild?
In dem Fall hätte Vogt die MV nicht verschieben müssen, er wäre der einzige Kabdidat und auch für 4 Jahre im Amt. Im Gegenteil hat er dafür gesorgt, dass wir jetzt eine Wahl haben. Darüber hinaus ist es, soweit ich weiß, auch möglich, dass mehr Mitglieder kommen dürfen. Würden wirklich Mitglieder an der Stimmabgabe gehindert, wäre das Ergebnis der Wahl anfechtbar und würde keinen Bestand haben.
Vogt hat schon einen etwas unvorbereiteten wenn nicht sogar überheblichen Eindruck gemacht, was Steiger auch zu nutzen wusste. Ein wenig mehr Einsatz darf man vom klaren Favoriten schon erwarten.