Beliebt
Kommentare 8

Ein VfB? Eine Utopie!

Auf der einen Seite Euro-Zeichen in den Augen, um die VfB AG mit möglichst viel Geld zu versorgen, um die Wahrscheinlichkeit des sportlichen Erfolgs zu erhöhen. Auf der anderen Seite Mitgliederrechte, Mitsprache, 50+1, Werte, Leichtathletik, Faustball, alte Garde. Machen wir uns nichts vor: Es gibt mindestens zwei VfBs mit gegensätzlichen Interessen. Ein Problem seit der Ausgliederung 2017.

Claus ist raus: Es war keine Überraschung, dass Präsident Claus Vogt bei der Mitgliederversammlung abgewählt wurde. Zu viel hatte sich aufgestaut in den letzten Wochen, zu viel war schlecht gelaufen in den zurückliegenden Monaten und Jahren. Jetzt kam alles zusammen: Die Vorwürfe der Führungs- und Entscheidungsschwäche, fehlende und falsche Kommunikation und am Ende der Knall beim Schmieden des Weltmarkenbündnisses mit dem Bruch des Ausgliederungsversprechens – auch wenn die Umstände herausfordernd und schwierig waren.

Wobei Vogt nicht alleine war: Die Abgabe des Aufsichtsratssitzes wurde von den Vorständen initiiert und von allen Aufsichtsräten inklusive seiner Präsidiumskollegen gebilligt. Gleichwohl kam mit Vogt nie Ruhe in den Verein, die AG und die Gremien, er sah sich während seiner gesamten Amtszeit immer Vorbehalten und Kritik ausgesetzt. Die Liste seiner Gegner und Kritiker ist lang, von Porth bis Gaiser, von Mutschler bis Hitzlsperger, von Meschke bis Schäfer. Die Liste der Mitglieder, die ihn des Amts entheben wollten, wurde auch immer länger, ihr Vertrauen hatte Vogt längst verloren.

Dafür, dass der VfB jetzt in der Champions League spielt, kann Vogt nichts. Genau so wenig wie für die zwei Fastabstiege in den Jahren zuvor. Was er sich jedoch mit Recht auf die Fahnen schreiben lassen darf, ist die Gründung der Frauenfußballabteilung, VfB-Leichtathletinnen und Leichtathleten mit Medaillenchancen bei Olympia und ein stärkeres gesellschaftlicheres Engagement des VfB Stuttgart – u.a. durch die Stiftung.

Bei Vogts Präsidiumskollegen Rainer Adrion wurden die 75 Prozent zwar knapp verfehlt, aber er kündigte schon im Vorfeld an, bei mehr als 50 Prozent Ablehnung den Hut nehmen zu wollen. Es gibt also einen Neuanfang – wieder einmal. Dasselbe gilt für die Aufgaben des Vereinsbeirats, dessen Kompetenzen durch die Installierung eines Wahlausschusses deutlich beschnitten wurden. Das sagt einiges aus, wie viel Vertrauen die Mitglieder in dieses Gremium noch haben. Dabei haben wir doch immer gehört, wie gut alle Gremien beim VfB besetzt seien. Wie konstruktiv alle zusammen arbeiten. Wie sie alle im Sinne des VfB wirken würden.

Die neun Mitglieder des aus der Taufe gehobenen Wahlausschusses sollten schnell eine WhatsApp-Gruppe gründen und mit der Arbeit loslegen, denn bereits 2025 steht beim VfB ein Superwahljahr an. Verantwortlich für gute Kandidatinnen und Kandidaten ist jetzt einzig der Wahlausschuss. Da kann man nur viel Erfolg und ein glückliches Händchen wünschen.

Der Vereinsbeirat muss jetzt erst einmal darüber befinden, wer bis zur nächsten Mitgliederversammlung des Präsidentenamt interimistisch übernimmt. Im Moment gibt es nur ein Präsidiumsmitglied in Andreas Grupp, der sich hauchdünn gegen Berti Sugg durchsetzte. Das Präsidium des größten Sportvereins in Baden Württemberg ist damit nicht geschäftsfähig.

Nach dem Interregium von Erwin Staudt, Marc-Nicolai Schlecht oder Mr./Mrs. X benötigt der VfB ein Präsidium, das nicht zerstritten, sondern geschlossen auftritt, um die Interessen der Mitglieder gegenüber der AG zu vertreten. Alleingänge, die nur das Ziel hatten, die eigene Person und Position ins Rampenlicht zu stellen, sollten ebenso der Vergangenheit angehören wie unabgestimmte Stellungnahmen und offene Briefe. Es gilt, nach außen gemeinsam und mit einer Stimme auftreten, auch wenn man intern anderer Meinung ist. Wobei es durchaus förderlich ist, um unterschiedliche Positionen zu streiten.

“Wer auch immer Claus Vogt im kommenden Jahr im Präsidentenamt nachfolgt, hat eine riesige Aufgabe vor sich“, schreibt Rund um den Brustring. Den e.V. stark vertreten, ohne die Handlungsfähigkeit der AG zu schwächen. Sinnvolle Entwicklungen in der AG anzustoßen, dabei stets die Mitglieder im Auge haben. Unbequem sein und zugleich einen. Durchsetzungsstark sein und zugleich kompromissbereit. Über allem steht, stets offen zu kommunizieren. Von Transparenz will ich gar nicht sprechen. Die wurde uns immer versprochen, ohne dass es von Vogt und seinen Kollegen je eingehalten wurde.

Aber was unverändert bleibt und die größte Herausforderung darstellt: dass es mindestens zwei VfBs gibt, die es zu vereinen gilt.

Zum Weiterlesen:
Zwei völlig verschiedene Einschätzungen zur Mitgliederversammlung vertreten Chris Prechtl und Martin vom Brustring-Talk.

Darf gerne geteilt werden:

8 Kommentare

  1. Konny sagt

    Wir waren halt bei den gegen CV gemachten Vorwürfen, Sitzungen, Vorbereitungen, Art des Führens, Klüngeleien… nicht dabei, daher ist es nicht einfach ein ehrliches Urteil abzugeben. Und daher möchte ich mich neutral verhalten… sein Bild mit dem VfB Schal während der Coronazeit allein im Stadion wird mit dennoch berührend in Erinnerung bleiben.

    Der Porsche Meschke ist mir nicht zwingend deutlich sympathischer, allerdings auch da nachvollziehbar, daß er eine gewisse Kontrolle über die Millionen haben möchte. Sicher auch Druck auf den Winamax Ausstieg ausgeübt…

    Einen weisen Mann wie Staudt halte ich für den Moment als die Beste Lösung. Man wünscht sich da einfach eine solide Grundordnung.

    Wer sich das dann antun will Präsident zu werden, schon jetzt meine Hochachtung.

    Trotzdem muss man Wehrle schon dahingehend auch loben, dass er mit Team eine schwarze Null hinbekommen hat.

    • Bernd sagt

      Es ist doch mehr als bezeichnend, dass der Unsympath Meschke klare Kante gegen einen Wettanbieter auf der Brust bezogen hat, während vom Gründer des FC PlayFair nichts dergleichen zu vernehmen war. Aber vielleicht ist das dieser Konflikt zwischen Kurve und Kapital, von dem immer alle schreiben.

      Am Ende hatten Erhard und Maintok einfach recht, als sie ihn wegen fehlender Qualifikation nicht mehr aufstellen wollten.

      • Konny sagt

        Mir hat die Winamax Werbung nie gefallen und ich kaufe deshalb (leider) kein Trikot, obwohl die in diesem Jahr echt schön sind.

        Allerdings waren vor dem Porsche Einstieg keine Gelder da und Winamax halt offenbar die einzig kapitalbringende Möglichkeit.
        Damals war man gottfroh über das Geld, die jetzt wegen Porsche vom Hof zu jagen – hat für mich schon auch was von „ist eigentlich ebenso kein Fairplay“

        Porsche hat natürlich sicher hautsächlich die schwarze Null ermöglicht. Die machen jetzt halt Kehrwoche… das man da ebenso nicht alles gut findet scheint logisch…

  2. Hessoschwabe sagt

    Die Revolution frisst ihre Kinder! Relativ klar dürfte sein, dass CV sich am meisten im ganzen Verein für die Fan-Interessen eingesetzt hat. Zumindest war er der einzige, der sich wenigstens halbwegs gegen die Managertypen gestellt hat, um den Bruch des Ausgliederungsversprechens zu verhindern. Vermutlich kein Vorstand der AG und kaum ein AR Mitglied hatte irgendwelche Zweifel, dass der Präsidentenvorsitz im AR den 100 Porsche-Millionen umstandslos und auf der Stelle geopfert werden muss. Den VfB-Präsidenten, der sich da erfolgreich dagegenstemmen soll, den hätte ich gerne gesehen. Und ich möchte nicht wissen, was auf CV eingeprasselt wäre, wenn AW nach geplatztem Deal verkündet hätte, dass CV an allem Schuld wäre und am AR-Vorsitz geklebt hätte.

    Und nicht falsch verstehen, ich bin definitiv kein CV-Fanboy; irgendwas muss an der Kritik an ihm wohl schon dran sein, wenngleich (wie Ricky auch immer wieder bemerkt) noch niemand konkret seine Vergehen benennen konnte.

    Chris Prechtl kann ich zu 90% zustimmen, nur am Schluss zu “Erstens und Zweitens” wird es mir etwas zu hart.

    Zu guter Letzt bin ich gespannt, wie die “Personalexperten” es zukünftig schaffen werden, Kandidaten für Vereinsbeirat und Präsidium zu finden, die dann gleichermaßen Kurve und Kapital zufrieden stellen. Viel Erfolg dabei!

  3. Joachim H. sagt

    Was ich als Erfahrung mitnehme, ein neuer SponsorPORSCHE, Vogt ist den AR Vorsitz los und eine
    Tanjy Gönner, vornehmlich der CDU zuzuordnen, darf als Expertin nun kontrollieren. So geht s auch
    nicht. Aber was absolut stimmt, es sind zwei VfB s und der Präsident Wehrle sollte auch den Verein
    mit ins Boot nehmen, sonst geht der Ärger wieder weiter. es sei denn , der VfB gewinnt die CL oder
    ist man bescheidener Meisterschaft alternativ den DFB Pokal. Dann haben die Neuen in Sport und
    Führung alles richtig gemacht!

  4. Rolf sagt

    Die Realität ist, wir leben im Jahr 2024 und nicht mehr im Jahr 2004. Liga-Fußball ist Unterhaltung. Profi-Fußball ist ein Produkt. Profi-Fußball generiert Milliarden Umsätze.
    Mit der Ausgliederung wurden faktisch zwei VFB’s geschaffen. Diese beiden Welten lassen sich meiner Meinung nach nicht mehr vereinen. Zu unterschiedlich sind die Motivationen, Ziele und Bedürfnisse, die in beiden Welten existieren. So ehrlich müssen wir zu uns einfach sein. Egal wer Präsident wird, er wird beginnen müssen den Mitgliedern zu erklären dass es im Profi Fußball kein zurück zu Vereinsstrukturen und Vereinsregularien mehr geben wird, mehr geben kann. Der einzige und größte Mehrwert des e.V. für den Profifußball ist seine Tradition. Viele werden jetzt sagen… und seine Fans… aber das ist Bullshit, den Fußball ist Unterhaltung und die Stadien sind voll. Auch in England, auch in Spanien auch in den USA oder in Japan. Egal ob die Tickets 50 oder 500 Euro kosten. Ob mir das gefällt? Nein. Aber ein Investorenunterstützer VFB, mit modernen Management Organen, Prozessen und Strukturen (was keine Garantie für Erfolg darstellt) ist mir hundert Mal lieber, als die alternative. Siehe Braunschweig, 1860, Bielefeld, SSV Ulm, Köln, Düsseldorf, Lautern, Hamburg, Schalke, Hertha, Nürnberg etc. etc.

  5. Joachim H. sagt

    Es ist richtig das der Kommerz die Bundesligen eingenommen hat. Mit panem et circensis wird dem Zuschauer noch
    was von Traditionen, Herausforderungen und unglaublichen Ereignissen erzählt, was nur noch ein Kampf um die
    Töpfe ist. Wenn Leverkusen und Stuttgart die letzte Saison nicht so herausragend gespielt hätten, würde der ewige
    Meister aus München die Langeweile für sich verbuchen. Alles soweit in Ordnung. Aber wenn ständig wie früher,
    Spieler von gut harmonierenden Mannschaften weg gekauft werden, wie soll da ein Team noch reifen und mal selbst
    für Furore sorgen? Das auf und ab mit Summen, die man nur von England , Spanien und jetzt Saudi Arabieren gewohnt
    ist, wird der Fussball nicht besser. Dann lassen sich Spieler auswechseln um nicht in der Sommerpause verletzt zu
    werden. Auf der Strecke bleibt der Fan, der noch etwas Identifikation mit Tradition verbindet.

  6. Stefan H. sagt

    Für mich ist folgendes schon bezeichnend: Auf der einen Seite jagt man Claus Vogt vom Hof und auf der anderen Seite bekommt es aber die selbe „Fraktion“ nicht hin, genau den Passus in die Satzung schreiben zu lassen, was man dem CV bei seinem „Versagen“ anhängte: Das berühmte „Ausgliederungsversprechen“. Ein Vereinsmitglied / Vorstand des e.V. muss den Vorsitz im Aufsichtsrat der AG belegen. Naja, geht auch schlecht, wenn ca. 700 Leute nach der Abwahl die MV verlassen. Da kommen dann eben nur 55% anstatt der erforderlichen 75% heraus. Dumm gelaufen….

    Achso ja: Wer hat seine Absichtserklärung als EINZIGER ergänzt, er stimme unter dem Vorbehalt zu, dass er dies mit den Mitgliedern des e.V. endgültig abstimmen möchte.

    Somit hat „die Kurve“ entschieden, dass man den Präsidenten fallen lässt. Genau den, der sich bei der Akzeptanz eines neuen Investors im Namen der Mitglieder für eine Prüfung im Sinne des „Ausgliederungsversprechen“ ausgesprochen hatte….

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.