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Jäger der verlorenen Form

Mehr als die halbe funktionierende Mannschaft gegen Köln rauszuroutieren, das war mutig von Sebastian Hoeneß. Vor allem, wenn sich drei von sechs neuen Spielern derzeit unverkennbar in einem Formtief befinden. Seine Zielsetzung jedoch klar: keinen zurückzulassen und die Spieler mit Vertrauen aus dem Loch rauszuholen. So schickte der VfB-Trainer Josha Vagnoman, Atakan Karazor und Chris Führich im Müngersdorfer Stadion auf eine besondere Expedition: Die Jagd nach der verlorenen Form.

Kapitän Karazor trat sehr vorsichtig in Köln an:
Jede Ballannahme war ein Schritt durch einen Tempel voller Fallen. Die Kölner Pressingangriffe lauerten heimtückisch auf Stockfehler. Der Aufsteiger jederzeit bereit, den kleinsten Fehltritt zu bestrafen. Karazor, anfangs gehemmt, kam langsam rein, agierte solide, blieb fokussiert und unerschütterlich und gewann an Sicherheit, in dem er die einfachen Sachen machte. Darauf konzentrierte er sich 90 Minuten und tastete sich so wieder an seine alte Form heran, ohne jedoch groß Akzente zu setzen. Im Moment scheint seine Zeit als Fährtenleser nocht weit entfernt zu sein, als Karazor in kaum vorhandenen Spuren die nächsten gegnerischen Angriffe vorausahnen konnte.

Rechtsverteidiger Vagnoman begann seine Mission etwas ungestüm.
Am Anfang wirkte er wie ein Schatzjäger, der die Landkarte falsch gelesen hat: Fehlpässe, unsaubere Ballannahmen, Laufwege, bei denen er sich im Kölner Abwehr-Labyrinth verirrte, das sah ein bisschen nach Orientierungslosigkeit aus. Doch dann, genau im richtigen Moment, fand er das verborgene Relikt: den entscheidenden Lauf. Das 2:1-Siegtor gegen Köln war sein Moment, in dem er seine verlorene Form wie einen alten Schatz wiederzuentdecken schien. Das war sehr cool vor dem Tor, die Auswärts-Fans jubelten euphorisch und vor allem die Mannschaft feierte ihn. Karazor legte beim Jubel eine Hand ans Ohr, ganz so als ob er sagen wollte: „Na, wo seid Ihr jetzt, Ihr Kritiker?“

Führich, der dritte Form-Jäger, stand bisher knietief im Sumpf aus verlorener Selbstsicherheit und misslungenen Aktionen.
Er muss tief graben, um wieder in die Verfassung zu kommen, die ihn zum Nationalspieler gemacht hat. Der Schatz seiner Form blieb auch in Köln verborgen, er spielte zurückhaltend, unauffällig, außer einem zu schwachen Schuss nach einem allseits bekannten Signature-Solo nach innen. Er ist derzeit wie ein Archäologe, der versucht, mit den materiellen Überresten ehemaliger Glanztaten wieder an die erfolgreiche Vergangenheit anzuknüpfen. Aber er schaffte es, Teilnehmer des 1:2-Abenteuers zu sein. Und das ist die beste Nachricht: Er war Teil einer siegreichen Expedition. Wie es überhaupt der Sieg der ganzen Gruppe war, wie auch Sebastian Hoeneß nach dem Spiel betonte.

Wie bei jedem echten Abenteuer ist der Weg genauso wertvoll wie das Ziel:
Karazor, Vagnoman und Führich lernten, dass Vertrauen, Mut, Geduld und ein klarer Kopf, der sich nicht ablenken lässt, viel wert sein können. “Ich bin froh, dass wir uns als Team nicht großartig von außen beeinflussen lassen“, meinte Karazor nach dem Spiel und er sprach eigentlich über sich. Es ist zu hoffen, dass er die unsachliche Kritik von außen ausblenden und sich ganz auf die konstruktiven Hinweise von Hoeneß konzentrieren kann. Der setzte der Legende nach im Training einen sogenannten Spielberg ein: Indem er immer wieder Spielsituationen herbeiführte, mit denen die Jäger ihre Probleme haben und aus denen sie sich befreien mussten.

Aber es ist noch ein weiter Weg, bis sie wieder befreit aufspielen können. Vor allem, wenn sie sehen, dass andere Spieler wie Chema, Badredine Bouanani oder Lorenz Assignon ihnen vorgezogen werden. Dennoch wissen die drei Jäger der verlorenen Form, dass sie nicht alleine sind. Dass der Pfad auf dieser Reise durchaus auch eng und verwinkelt sein kann, ist kein Geheimnis. Solange sie ausdauernd und unerschrocken auftreten, werden sie begleitet und unterstützt von Trainer, Team … und Fans.

Zum Weiterlesen:
Mehr Demirovic, weniger VAR und Video – das könnte eine der Lösungen im Konflikt um den Videoschiedsrichter sein, meint die Süddeutsche Zeitung.

Rund um den Brustring ist froh, dass der VfB „irgendwie gewonnen“ hat und stellt fest, in Köln “zu gewinnen, ist in der aktuellen Phase durchaus auch ein Qualitätsmerkmal.”

Bilder:
Helge Prang/Getty Images (Vagnoman) bzw. Daniela Porcelli/Getty Images (Karazor, Führich), Composing Vertikalpass

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4 Kommentare

  1. fritzo62 sagt

    Wie so oft: ein toller Artikel, da wartet man gerne!
    Da kann man den berechtigten Elfer ignorieren, und neben Führich auch bei Tomas die Frage unbeantwortet lassen, was die beiden eigentlich beruflich so tun.
    Die Saison wird lange, da brauchen wir wirklich alle.

    • @abiszet sagt

      Danke :-)

      “Wir brauchen alle”, das ist auch die Maxime von Hoeneß.

      Bei Führich ist die Frage, ob er die Kurve bekommt. Bei Tiago bin ich immer wieder entsetzt, wie manchmal sein erster Kontakt ausfällt. Und dann wieder begeistert, wenn er eine überragende Einzelaktion hinlegt.

  2. Olli Wezel aka debutanker sagt

    Ein Hauch von Indiana Jones beim Vertikalpass – der VfB ist aber einfach auch großes Kino 😀
    Klasse Analyse und Resümee @abiszet.
    Ich bin einfach nur froh, dass der (Vertrauens)Weg des Trainers belohnt wird und die Mannschaft sieht, dass es nur zusammen (voran) geht und bei dem Pensum jeder einen Teil zum Erfolg beiträgt.

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