Der VfB-Trainer ist ein Ehrenmann. Er stellt sich immer vor seine Mannschaft, einzelne Spieler werden von ihm nie öffentlich kritisiert, Fingerpointing ist nicht seine Sache. Er kommuniziert klar und will seine Spieler mitnehmen. So auch beim Auftakt in die Europa League gegen Real Club Celta de Vigo: Nach dem 2:0 bringt er in einem vermeintlich entschiedenen Spiel Atakan Karazor, Josha Vagnomann und Chris Führich. Alle drei ein bisschen hintendran im Moment. Und mit seiner Einwechslung verspielte Hoeneß fast den verdienten Sieg gegen die Galizier.
Es war eine Geduldsfrage gegen den letztjährigen Siebten von La Liga: Die Spanier standen tief, machten vor allem vor und im Strafraum die Räume eng. Der VfB brachte dieselbe Energie auf den Platz wie gegen Sankt Pauli. Es wurde intensiv angelaufen, aggressiv gepresst und viele Meter gemacht. Die Folge: Hohe Ballgewinne, aus denen der VfB mehr hätte machen können und müssen. Manchmal wurde das Tempo rausgenommen, meistens war die Strafraumbesetzung nicht gut. Ermedin Demirovic stand oft auf alleine gegen fünf oder sechs Spanier.
So gelangen dem VfB zwar viele Durchbrüche auf Außen, Chancen blieben allerdings weitgehend aus, wenn man von einem unpräzisen Kopfball von Chema und einem fast unhaltbaren Fernschuss von Lorenz Assignon absieht. Auffällig aber: Wie sich Bilal El Khannouss, Badredine Bouanani und Assignon selbst durch engste Räume kombinieren können. Auslöser ist immer El Khannouss, der sich intensiv im Pressing einbringt, sich elegant zwischen den Linien bewegt und immer eine gute Idee hat. Auch aus dem Mittelfeld suchten Chema und Angelo Stiller stets den progressiven Pass – und blieben gleichzeitig aufmerksam bei allen Defensivaufgaben.
Es brauchte ein Schuss Genialität, um die Führung zu erzielen:
Keeper Alex Nübel mit einem Assist über 70 Meter! Sein weiter Ball hinter die lahmarschige spanische Abwehrkette erreichte Bouanani, der vor Celtas Torhüter Ionut Radu cool blieb und den Ball kunstvoll ins Tor hob. Kunst ist meist das, was El Khannouss macht. Beim Eckball spielte er Doppelpass mit Stiller und schlenzte den Ball in seine bevorzugte rechte Ecke. Auch hier sortierte sich die spanische Verteidigung noch als der Ball unhaltbar einschlug.

Badredine Bouanani lupft! Wieder so ein ikonisches Bild. Die Bildsprache des VfB veränderte sich stark, nachdem der freie Fotograf Yunus seit Anfang 2024 für den VfB tätig ist.
Alle waren sich sicher: So seh’n Sieger aus!
Bis Hoeneß wechselte. Chema ging raus, er fasste sich zuvor schon mehrfach an die Hinterseite des Oberschenkels, auch El Khannouss verließ den Platz, Karazor und Tiago Tomas kamen. Und mit Ihnen kam ein Bruch im Spiel. Die Struktur änderte sich, alles wurde ungenauer. Wenig später kamen Führich und Vagnoman und ihnen tat H0eneß ebenso wie Karazor keinen Gefallen: Sie mussten positionsfremd spielen (Links offensiv bzw. Zehner), was die Statik noch einmal veränderte. Und der Kapitän? Machte einen nervösen Eindruck. Er ist leider extrem verunsichert, empfahl sich nicht für Startelfeinsätze und verlor vor dem Anschlusstreffer den Ball. Ich litt mit ihm mit, während wir alle hofften, dass das Spiel noch gut ausgeht.
Nicht nur gut, sondern hervorragend präsentierte sich Ramon Hendriks in der Innenverteidigung. Er rang mehr als dass der spielte, blieb durch kluge Positionierung und cleveres Zweikampfverhalten immer Punktsieger gegen Borja Iglesias und Ferran Jutgla. Auch seine Ausstrahlung immer positiv, sein Verhalten immer nach vorne gerichtet. Damit ist und bleibt er eine ernsthafte Alternative in der IV-Rotation – die gegen Vigo überraschend den bisher Besten Jeff Chabot auf die Bank brachte. Gegen seinen alten Klub 1. FC Köln wird er wohl wieder auflaufen. Wie die Formation am Sonntag aussehen wird nach den Erkenntnissen gegen Celta de Vigo, das ist eine spannende Frage.
Zum Weiterlesen:
Rund um den Brustring beschreibt das Gefühl, „wenn der Gegner plötzlich trifft und das eigene Tor den Ball magisch anzuziehen scheint. Wenn der Gegner Morgenluft wittert und einen langen hohen Ball nach dem anderen wie Pfeile in deinen Strafraum schießt. Und dann die Erleichterung, wenn der Sieg über die Zeit gebracht wurde.“
Die neue Bedeutung von Demirovic beschreibt die Süddeutsche Zeitung in ihrem Text „Die klassische Geschichte eines Unterschätzten”
Bilder: Alex Grimm/Getty Images, VfB (Artikelbild)
Von mir zum Spiel dieses Mal keine Bewertung, von dem Gebabbel des Loddar bin ich eingeschlafen, und dafür hat man Steffen Freund entfernt. Ein Kumpel namens Matte sagte mir es sei ein geiles Spiel gewesen, aber nur weil er beim Tippspiel gewonnen hat. LOL
“Geiles Spiel” ist wahrscheinlich zu euphorisch, aber es war eine konsequente Fortsetzung des Pauli-Spiels. Aber Danke für den Hinweis, ich habe im Tippspiel auch auf ein 2:1 gesetzt!
Ich konnte nur die zweite Hälfte sehen, aber das war wieder sehr schön anzuschauen.
Zu den Wechseln: Richtig ist, das ein bisschen der Spielfluss verloren ging. Aber als Trainer musst Du den Jungs ja weiter die Chance geben, sich zu zeigen. Das das dann nicht von Erfolg gekrönt ist, kann auch der Trainer nicht vorhersehen.
Ja, Karazor hat den Ball verloren. Ich will ihn auch nicht in Schutz nehmen. Ich fand aber schon den Pass zu Karazor von Assingon fragwürdig, er musste ja sehen, daß er damit Karazor in Bedrängnis bringt.
Zwei geile Tore von unseren Neuzugängen, wenn die weiter so performen, werden wir noch viel Freude an ihnen haben.
Sehe ich ähnlich, wobei mE schon ein Gefühl vorhanden sein sollte, ob ein Spieler hilft oder nicht.
Der Pass auf Ata war natürlich nicht ohne Risiko. Nur: Karazor schaute sich vor dem Pass zweimal um, dass jemand hinter ihm steht oder ihn angeht, hätte er antizipieren können.
Über das ganze Spiel wurde der Ball ja auch immer wieder in den Druck reingespielt, was auch gut funktioniert hat. Fand den Pass von Assignon also nicht sonderlich riskant.
Karazor einfach zur Zeit mit wirklich unglücklichen Auftritten und der Ballverlust gestern bringt jetzt natürlich nicht gerade Selbstvertrauen.
Zumal das Publikum natürlich auch immer nervöser und kritischer wird.
Ich mag das Team “Lothama und (jetzt muss das komplette Fleisch auf den Grill) Wolff” und hab mich richtig gefreut, dass die beiden kommentieren..
Bei den Auswechslungen hab ich gezittert und befürchtet, dass er den Sieg damit verspielt.
Grundsätzlich ist das schon ehrlich bedauerlich und traurig, dass die “wackeligen Drei” so stark in der Formkrise sind und das Spiel plötzlich ein anderes wird.
Das Nübelassist Tor und die Ecke waren natürlich überragend.
Jetzt einfach weiter so das richtig Gute … 🙏
Ich fand zwei Dinge erschreckend.
Den Gegner,
der wirklich in nahezu jeder Spielsituation komplett überfordert war. Die Statistik spricht ja Bände und natürlich hätten die Jungs mehr daraus machen könnenmüssen – dann hätten wir uns nämlich für einen Abend die Tabelle mit einem Platz 1 für uns ausdrucken können. Zweifelhaft, ob es uns nochmal so leicht gemacht wird, am Torverhältnis zu schrauben.
Den Einbruch
nach den Auswechslungen. Während des Spiels dachte ich tatsächlich, dass Führich mit seinen schnellen Hereingaben noch mehr Druck ausüben könnte, aber da kam leider überhaupt gar nichts. Auch Tiago hab ich trotz neuer Brille nicht gesehen. (Lustig war mal wieder die unterschiedliche Wahrnehmung: Der österreichische Sky-Kommentator lobte Vagnoman bei der Einwechslung in den höchsten Tönen, schwärmte von seiner unglaublichen Präsenz und Dynamik… hat wohl einen heftigen Crush mit unserem Josha…)
Naja und Ata. Wenn es nach dem Leistungsprinzip geht – und angesichts der Tatsache, dass Fußball grausam ist – muss eigentlich künftig Medo die Binde tragen. Oder Deniz meinetwegen. So leid es mir für unseren Kapitän tut. Aber das ist eine ausgewachsene Krise, die der Bursche da durchläuft. Erst kein Glück und jetzt auch noch Pech.
Die Aufstellung am Sonntag wird nervenzerfetzend.
@Marcus Fichter
100% Zustimmung:
du brauchst über die ganze Saison alle Jungs und kannst deinen Kapitän auch nicht komplett hinten runterfallen lassen.
Jungs wie Karazor, Führich und Vagnoman müssen sich jetzt eben im Training wieder Selbstvertrauen holen und zeigen, dass Hoeneß jederzeit auf sie bauen kann.
Auch das Gegentor sehe ich ähnlich: natürlich habe ich mich im Stadion über den Ballverlust von Karazor aufgeregt (und die Szene zeigt eben auch, dass das Selbstvertrauen da gerade ein ganz zartes Pflänzchen ist…), aber in dem Moment gab es tatsächlich auch deutlich ‘unkritischere’ Anspielmöglichkeiten.
Fakt ist, dass die Jungs nur durch Draufhauen nicht sicherer werden.
Bringen oder hinten runterfallen lassen – wie immer gibt es nicht nur schwarz und weiss, es gibt natürlich auch was zwischendrin.
Die Frage ist, ob ich ihn reinwerfen muss, obwohl er gerade eine schlechte Phase hat und damit den Mannschaftserfolg in Gefahr bringt (was sein Standing auch nicht erhöht). Und er sich dann auch noch weitere Rückschläge holt, die Unsicherheit wächst, das Selbstvertrauen sinkt.
Nur Draufhauen? Wer will das? Wer fordert das? Macht Hoeneß ganz sicher nicht, ist für ihn keine Option (und für mich auch nicht).