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So hat europäischer Fußball keine Zukunft

Als gegen Ende des Spiels die verbliebenen VfB-Fans „Deventer, Arschlöcher!“ sangen, dachte ich: Endlich sagt es jemand. Das Auswärtsspiel bei den Go Ahead Eagles war nicht nur ein ungefährdeter 4:0-Sieg, es war ein Abend, der weit über das Sportliche hinaus ging.

Da war das widerliche, abstoßende und asoziale Verhalten des eingewechselten Schweden Victor Edvartsen gegenüber Angelo Stiller noch das kleinere Übel. Im Vorfeld wurden Teile der angereisten Fans beim Aussteigen aus dem Bus mit Schlagstöcken „begrüßt”. Laut niederländischer Behörden soll dies eine Reaktion auf „aggressives Verhalten“ der VfB-Fans gewesen sein.

VfB-Boss Alex Wehrle widersprach dem leidenschaftlich. Er konnte es gut beurteilen, denn er war über Stunden vor Ort, sah die Eskalationen mit eigenen Augen und zeigte sich anschließend schockiert. Es ist vorbildlich, dass Wehrle sich vehement für die Fans einsetzt und unmissverständlich die Zustände in Deventer kritisiert. Ob sich etwas daran ändert, dass Fans per se unter Generalverdacht stehen und wie Schwerverbrecher behandelt werden, muss allerdings bezweifelt werden.

Das Spiel fand in feindseliger Atmosphäre in einer Schuhschachtel statt, die sie in Deventer Stadion nennen. So mancher VfB-Spieler hat für seine Autos eine Garage, die größer ist als der „Adlerhorst“ des niederländischen Pokalsiegers. Die Mannschaft blieb souverän bis auf die Schlussphase, als sich Jeff Chabot, Deniz Undav und Stiller nach Provokationen gelbe Karten holten. Eben „Deventer, Arschlöcher!“

Adlerauge, sei wachsam
Die Mannschaft ließ nie einen Zweifel aufkommen, wer Herr in der Schuhschachtel war. Sie präsentierte sich von Anfang an fresh und dominierte den hilflosen Gegner mit Ballbesitz und eleganten Spielzügen. Jamie Leweling, der den „Scheiß Europapokal“ gewinnen will, leistete seinen Beitrag dazu und tat sich mit zwei Toren und einigen energischen Solos hervor. „Bitte kein Lob“ sagte er im Field-Interview nach dem Spiel und antwortete auf die Frage nach dem augenblicklichen Lauf des VfB: „Welcher Lauf? Ich denke, wir fangen gerade erst an!“

Deniz Undav wollte den Sieg schnell abhaken (“Wir dürfen uns darauf nicht ausruhen”), der VfB-Stürmer nach seinen drei Toren gegen Dortmund mit zwei Assists, aber ansonsten sah es fast danach aus, als er ob er sich schonen würde. Das konnte er auch, Deventer viel zu schwach, es wirkte lange Zeit wie die erste Runde im DFB-Pokal gegen einen Amateurligisten. Bei aller Überlegenheit des VfB, zeigten sich Undav und seine Kollegen immer seriös, spielten den ersten Auswärtssieg in der Europa League locker und konzentriert herunter. Die „Deventer, Arschlöcher!“ haben das bekommen, was sie verdienen.

Die Stadt, die Spieler und die Fans der Eagles dagegen haben den Europapokal nicht verdient:
Sportlich nicht mehr als ein Sparringspartner, atmosphärisch ohne jeden Respekt, organisatorisch unter aller Sau. Alle in Deventer waren mit dem Spiel gegen den VfB überfordert.

Internationale Fußballwettbewerbe werden durch das unverhältnismäßige und unwürdige Verhalten der Sicherheitsbehörden und der lokalen Verwaltungen wie in Deventer zerstört. „Nach all der Scheiße geht‘s auf die Reise“ müsste umgeschrieben werden in „Es gibt nur Scheiße, auf jeder Reise – Stuttgart international, Europapokal“.

Wenn (Auswärts-)Fans nur noch schikaniert und drangsaliert werden und völlig übertriebene und unangemessene Repressalien hinnehmen müssen, dann ist es das Ende der Fußballkultur auf europäischer Ebene.

Zum Weiterschauen:
Der achtminütige Rant von Wehrle über die Vorkommnisse in Deventer.

 

Foto: Lars Baron/Getty Images

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