Der Saisonstart war nicht so prall, die Auftritte des VfB Stuttgart alles andere als überzeugend. Der VfB schon früh im „Abstiegskampf“, „nur Heidenheim und der HSV sind schlechter“. „Das ist kein Team“ konnten es viele von außen ganz genau beurteilen und waren sich sogar einig mit BVB-Fans, die endlich ihren “Stuttgart-Downfall” hatten. Wurde auch Zeit, schließlich wurde schon ewig darüber gesprochen.
Schade eigentlich, dass der VfB insgesamt überzeugend gegen Sankt Pauli gewann. Der Bilal El Khannouss kann einer werden. Sah alles leider geil aus, richtig schnell und manchmal sogar kreativ, fast schon nach dem Hoeneß-Ball „von früher“.
Natürlich lag es am Fehlen von Atakan Karazor und Josha Vagnoman, dass der VfB 2:0 gegen die gut in die Saison gestarteten Kiez-Kicker gewann. Sie haben den Sündenbock Ermedin Demirovic abgelöst. Der hat nur fünf Scorer in fünf Spielen, ist zu teuer, zu langsam, zu holzfüßig, zu zweite Liga, zu dies, zu das, zu irgendwas. So wie auch schon Trainer Sebastian Hoeneß in Frage gestellt wird. Seine Aufstellungen zu uninspiriert, er hat seinen Spielern tatsächlich das Laufen und die Offensive verboten. Und seine Einwechslungen erst: zu spät, zu früh, aber auf alle Fälle falsch.
Jetzt also Karazor und Vagnoman. Genugtuung überall, „ich hab’s die ganze Zeit gesagt!“, alle Sofa-Bundesligatrainer wussten es schon immer besser. Gibt eben nur wenige mit so viel Durchblick. Vor allem hat’s Hoeneß nicht geblickt. Den Chema hätte er viel früher bringen müssen, das sieht doch jeder, dass der wie Rodri spielt oder zumindest wie Soldo in seiner besten Zeit.
Das System von Hoeneß ist sowieso entschlüsselt. Er lässt immer gleich spielen, jeder Gegner weiss was kommt. Interessanterweise ist das bei anderen Trainern nicht bekannt. Wie machen die das? Und warum macht es Hoeneß nicht genauso?
Und was ist mit dem Stiller los? Seit Real Madrid angeblich Interesse an ihm hat, schont er sich für die Königlichen und tarnt seine Elfmeter als Rückgaben. Warum Chris Führich nicht schon längst verkauft worden ist? Diese Frage muss sich Fabian Wohlgemuth gefallen lassen. Warum hat er den Linksaußen nicht mit der Schubkarre irgendwo hingefahren, es ist ja sowas von klar, dass der über seine Verhältnisse gespielt hat. Das hat man doch schon in der Vizemeister-Saison gesehen. Die Rückennummer 10? Einfach lächerlich, warum verhindert das keiner beim VfB?
Anstatt dessen kümmert man sich um eine neue „Corporate Identity“. Warum gerade jetzt und überhaupt – reine Zeitverschwendung. Unsere Identität ist doch klar: Aufbaugegner deluxe. Schönspieler, wenn’s gut läuft. Sonst wehrlos untergehen und sowieso zum Laufen zu fein. Die neue Schrift “Concordia” kann keiner lesen und das Rössle wird jetzt eingesetzt, weil das Porsche vorgegeben hat? Oder weil Jürgen Klinsmann früher Galopper des Jahres genannt wurde?
Dann noch der Slogan „zusammen voran“, was soll das denn? Der ist mindestens so unglücklich wie die Führich-Soli diese Saison. Aber immerhin besser als „Furchtlos und treu“, das müssen sogar die allwissenden Fußballexperten von „The Länd“ zugeben.
Zum Weiterlesen:
Die Süddeutsche Zeitung fragt: “War jüngst nicht noch der Untergang des Schwabenländles prophezeit worden?“
Zum Weiterhören:
Der Rasenfunk sieht viel Gutes.
Bilder: Christian Kaspar-Bartke/Getty Images, Vertikalpass (Artikelbild)
Danke für diesen Artikel. Echt jetzt mal.
Ich bin dem VfB jetzt mehr als 25 Jahre verfallen. Über 30 Jahre hab ich in Hannover gelebt und hatte mit Fußball überhaupt nix zu tun (Vater war Trainer, dann wird’s schwierig…). Dann zog ich nach Stuttgart und schließlich nach Hamburg weiter (ein Fehler). Und obwohl ich nur zwei Jahre am Neckar gelebt habe, hatte ich plötzlich… Heimweh. Um das irgendwie in den Griff zu kriegen, fing ich an, mir obskure saudi-arabische Streams der Spiele des VfB anzusehen, Briefmarkengroß und stets dann einfrierend, wenn es einen aussichtsreichen Freistoß für uns gab (ich konnte auch selten erkennen, wer den schießen sollte, weil die Pixel so groß wie der eigentliche Bildausschnitt waren und ich kein Arabisch verstehe). Aber so grotesk das alles klingt – es war eine Verbindung zur Stadt. Die durch den VfB geknüpft wurde. Danach war dann alles nach oben offen. Sky, Mitgliedschaft, erste Auswärtsspiele, lange Reisen ins Neckarstadion, unlängst der Höhepunkt mit dem Pokalfinale in Berlin, in der Mitte der Kurve. Jetzt lebe ich in Bregenz und es sind nur noch zwei Stunden.
Mich hat in all diesen Jahren so manches gestört. Die Vereinsführung und die Demission von Mislintat, mediokre Trainerverpflichtungen. Unter beiden Abstiegen hab ich gelitten wie ein Hund, weil ich da auch auf der Tribüne saß. Aber was mein Dasein als Fan am allermeisten – noch immer – irritiert, ist das Innenverhältnis der Anhängerschaft des VfB zu ihrem Club.
Ich habe meine eigene Liebe stets ganz einfach definiert: der VfB ist mein Verein, scheißegal ob wir in der dritten oder der ersten Liga kicken. So lange wir uns vernünftig präsentieren. Es hat mich auch nicht gestört, dass der VfB nie ein “cooler” Fußballclub war, sondern eher immer ein wenig spießig daherkam. (“Furchtlos und treu” war auch zu dämlich.) Aber man kann sich ja eh nicht aussuchen kann, Fan von Werder Bremen oder St. Pauli zu sein. Und: ein paar Freunde halten es mit dem HSV und wie arm dran sind die dann bitte?
Zur Fußballkultur gehört für mich, dass das Umfeld auch mal unbequem ist, klar. Dass man diskutiert und Fragen stellt. Dafür hatten wir in all den Jahren genug Gelegenheit – manchmal begründet, aber eben oft genug auch unbegründet. Weil keiner von uns an der Mercedesstraße arbeitet. Und ich fände es schräg, wenn jemand meine tägliche Arbeit bewertet, obwohl der meinen Schreibtisch nie gesehen hat.
Was aber jetzt gerade (wohltuend nicht hier, übrigens) insbesondere in den SoMe und aber auch auf den Tribünen von Leuten, die neben einem stehen, so abgeht, entzieht sich meines Verständnisses. Nach den letzten Jahren? Really? Ich spreche da auch nicht nur von der Hoeneß-Ära, sondern auch von dem überraschend großartigen Fußball unter Rino. Und dem breiten Grinsen von Silas.
Anscheinend sind die Ansprüche mit den Erfolgen gewachsen. Aber mal ehrlich: den Ausspruch “wo wir herkommen” finde ich gar nicht ganz so doof.
Und euren Artikel darum ziemlich klasse. Nochmal danke. Hab euch lieb.
An alle, die sich hier über Leute aufregen, die sich über die Leistungen des VfB aufregen:
Ihr seid entweder keine Schwaben oder habt die Schwaben nie geliebt. Der Schwabe war schon immer ein Bruddler und wird es immer bleiben. Deshalb gehören zum VfB sowohl der Brustring als auch das Nörgeln über die eigene Leistung und das Pöbeln von der Gegentribüne.
In diesem Sinne: Danke an alle Kommentatoren, die hier ständig zurecht daherbruddeln. Ohne euch wäre der VfB nicht das, was ihn ausmacht.
Zur Fairness gehört aber auch: Hoeneß und Co. haben die Kritik verstanden und am Freitag ein anderes Gesicht gezeigt.
Wir müssen nicht darüber reden, dass die Rückrunde nicht gut war. Es war auch ein besserer Tabellenplatz drin. Aber die Mannschaft hat sich am Ende wieder gefangen. Und sogar den verdammten Pokal gewonnen. (In einem Finale, welches Leverkusen und das Brause-Konstrukt gerne bestritten hätten.)
Aber nach drei (3!) Spielen der neuen Saison kannst du die »Hoeneß raus! Mannschaft raus! Führung raus!«-Rufe in den Kommentarspalten der Sozialen Medien nicht mehr zählen? Echt jetzt?
Auch wenn das Bruddeln vielleicht zu einer kulturhistorisch schützenswerten, regionalen und möglicherweise liebenswerten Eigenart gehören mag – ich persönlich finde das, inmitten meiner Verbundenheit zur Stadt und zum Verein, einfach nur bizarr und sehr schwer nachvollziehbar.
Danke Euch!