Beliebt
Kommentare 17

Der Star ist die Mannschaft

Der VfB zeigt am 7. Spieltag eine völlig neue Facette: Wie eine routinierte, abgezockte, gar nicht mal so junge Spitzenmannschaft fährt sie einen nie gefährdeten 3:0-Auswärtssieg in Wolfsburg ein. Gegen zugegeben desolate Wölfe.

Berti Vogts, Trainer der Europameister 1996, gilt als großer Fußballphilosoph: Er ist mehr für seine Sprüche bekannt als für seine Trainerleistungen. Dazu gehört „Wenn ich übers Wasser laufen würde, würdet Ihr sagen, dass ich nicht einmal schwimmen kann“. Sein größter Erfolg ist jedoch seine Aussage “Der Star ist die Mannschaft“. Müsste man den VfB-Erfolg in Wolfburg zusammenfassen, wäre es genau der Vogts-Satz. Oder ein bisschen zeitgemäßer ausgedrückt von Maxi Mittelstädt: „Die gesamte Mannschaft ist der Man of the Match”

Vogts und Mittelstädt haben natürlich Recht:
Der VfB erwies sich als coole, spielstarke Elf, die nichts ins Straucheln brachte und ließ total verunsicherten Wolfsburgern keine Chance. Alle Ideen, die Sebastian Hoeneß entwickelt hatte, gingen auf. Alle Maßnahmen und Mannschaftsteile griffen ineinander. Er stellte auf eine 3er Innenverteidigung um, schob Mittelstädt und Lorenz Assignon weit nach vorne – und überraschte mit Nikolas Nartey auf der Zehn und quasi als zweite Sturmspitze. So ganz erschloss sich mir dies nicht. Der vom Verletzungspech geplagte Däne machte kein schlechtes Spiel, ohne jedoch groß Einfluss auf die Offensive zu haben.



Auch die vielen Flanken aus dem Spiel bei schwacher Strafraumbesetzung, zudem mit wenig kopfballstarken Spielern in der Box, waren nicht nachvollziehbar. Bei den Standards allerdings funktionierte dies hervorragend. Köpfte Chema Andrès noch zu unplatziert und Jeff Chabot knapp daneben, klappte es bei Tiago Tomàs. Wobei, wie soll man das Wolfsburger Abwehrverhalten bezeichnen? Schläfrig? Unprofessionell? Ein Vergleich mit einer F-Jugend wäre eine Beleidigung für die Kinder.

Das hat er sich verdient: Maxi Mittelstädt mit einem hervorragenden Spiel, gekrönt vom 2:0, bei dem reaktionsschnell einen Abpraller technisch anspruchsvoll verwertet.

Wie 1996 beim Held aus Korschenbroich stachen auch in Wolfsburg bei aller mannschaftlicher Geschlossenheit individuelle Qualitäten heraus. Überragten bei Vogts Spieler wie Matthias Sammer, Jürgen Klinsmann, Thomas Helmer und Mehmet Scholl, so waren es beim VfB:

Tiago Tomàs
Ich bin bei ihm immer bissle verzweifelt. Er spielt meist den schwierigen statt einfachen Pass, versucht es zu oft mit einem Trickle, wenn Klarheit gefordert wäre. In Wolfsburg verzieht er erst tiago-mäßig, um dann zur Führung einzuköpfen und das 2:0 mitvorzubereiten. Dazu viele Tiefenläufe. Er ist natürlich kein klassischer Mittelstürmer, aber kaum auszurechnen – das gilt leider oft auch für seine Mitspieler. Trotzdem ich bin kurz davor zu singen „ti aaago, ti-ago, ti aaago“ auf die Melodie von „ti amo“.

Angelo Stiller
Torvorlage zum 1:0, Treffer zum 3:0, beteiligt am 2:0. Dazu eine sehr reife Leistung, immer anspielbar, immer mit der richtigen Idee und Verlagerung. Seine Ausstrahlung: boss-ig!

Jeff Chabot
Apropos Boss: Die Abwehrkante lief als Kapitän auf, seine Autorität war im Spiel kaum gefragt. Aber wahrscheinlich trauten sich die Wolfsburger nicht in seine Nähe, aus Angst sich zu verletzen. Chabot bestätigte die Theorie, dass er einen Bierkasten aus dem Strafraum köpfen könnte, als er einen Freistoß mit dem Kopf klärte.

Bilal El-Khannouss
Wieder mit seinem Signature-Move von links in die Mitte, dieses Mal mit einem Pass auf Stiller durch etwa acht Beine hindurch. Ansonsten: Spielfreudig, ohne selbstverliebt zu sein. Dazu mit einigen sehenswerten Tacklings und einem Topspeed von knapp 35 km/h!

Die Auswärtsfahrer
Der Gäste-Block musste deutlich ausgeweitet werden und die VfB-Fans feierten ihre Mannschaft und sich selbst lautstark, bisweilen mit hämischen Gelächter bei den Offensivversuchen der Wölfe. Wie auf dem Feld, so auf den Rängen: Von Wolfsburg war wenig zu sehen und nichts zu hören.

Der VfB konnte bei der „besten Gruppenleistung der Saison“ (Fabian Wohlgemuth) Kräfte sparen für Instanbul am Donnerstag. Konnte ein neues System erproben, die Breite des Kaders nutzen und Deniz Undav lief sich auf Wettkampf-Niveau ein wenig warm. Man muss kein Fußballphilosoph wie Berti Vogts sein: Die kommenden Gegner Fenerbahçe und Mainz (2x) werden dem VfB mehr abverlangen.

Zum Weiterlesen:
Die Wellness-Oase Wolfsburg thematisieren wir im VertikalGIF!

Stuttgart.International sieht eine „Schwäbische Party in der Autostadt“ und fragt: „Wie weit kann der Bilal-Aufwind den VfB tragen?“

“Gewagt und gewonnen” schreibt die StZ (Plus-Artikel) und zitiert Hoeneß: „Du kannst Niko (Nartey) eigentlich überall auf dem Feld einsetzen. Er hat eine Gabe, sich schnell in das Spiel einzufügen, egal wo er aufläuft”.

Die Süddeutsche Zeitung sieht “einen geradezu typischen Heimauftritt“, “unterwürfig wie ein Drittligist in der ersten Pokalrunde” und spricht bei Wolfsburg von einer “Fußballmannschaft, die den Fußball boykottiert“

Bilder: VfB (Aufmacher), Fabio Deinert/Getty Images (Artikelbild)

Darf gerne geteilt werden:

17 Kommentare

  1. Dirk aus Haarlem sagt

    Ich würde noch Lorenz Assignon nennen, immer aktiv, die schöne altmodische Wortkombination ständiger Unruheherd comes to mind, hat die Wölfe ordentlich gestresst und natürlich das Rodri-hafte von Chema, auch hier wieder ein schönes Reporterwort: abgezockt! Fühle mich nach dieser Leistung als hoffnungsloser Optimist im schwierigen Umfeld mal wieder bestätigt😉 Fühlt sich gut an und 3 Punkte weniger als bei Vize Meisterschaft nach 7tem Spieltag🍀

    • @abiszet sagt

      Hatte ich in der Tat drüber nachgedacht. Assignon, Chema, Jaquez, ich hätte viele nennen können, der Star ist halt die Mannschaft ;-)

  2. Ronny sagt

    Pünktlich zum meinem Geburtstag hat Sebastian Hoeneß meinen Wunsch zur Änderung des Systems gerade bei Auswärtsspielen erfüllt. Nun hat man gesehen welche Fähigkeiten ein Assignon besitzt. Besonders gut war das die ganze Mannschaft ständig in Bewegung gewesen ist. Schon nach 20 Minuten habe ich vorhergesagt das der VfB gewinnt, auch weil Wolfsburg so schlecht war wie selten zuvor. Eigentlich war das Arbeitsverweigerung gegen den eigenen Trainer.
    Jetzt haben wir uns ein schönes Punktepolster erarbeitet für die nächsten Aufgaben. Weiter so !

  3. Marcus Fichter sagt

    Ich hab noch Stimmen von vr ein paar Wochen im Ohr, von wegen Stiller ist so schlecht, die Abwehr löchrig, Hoeneß nicht lernfähig uswusf…

    Hoeneß hat auch mich überrascht mit der Aufstellung. Aber es zeigt, daß Hoeneß die Länderspielpause sehr gut genutzt hat um die Mannschaft auf die Wolfsburger einzustellen. Die waren eh schon verunsichert, der VfB hat die gar nicht ins positive Denken rübergelassen.
    Sehr stark war der Move, das Mittelfeld so eng zu machen, daß die Wolfsburger keine Chance hatte, ihr dringend benötigtes Umschaltspiel umzusetzen. Pressing und die Ballgewinne daraus waren sehr stressig für den Gegner.
    Punkte gg. Mainz nächsten Sonntag würden daß Ganze echt rund machen.

    Viele Grüße und ne schöne Woche

  4. bacardihardy sagt

    Sebastian Hoeness und sein Trainerteam hat sowas von geliefert und die Mannschaft zieht an einem Strang. Super.
    Tolle Fussballer haben einen Lauf.
    Geniessen ist angesagt.
    Trotzdem Wolfsburg war schwach.
    Man könnte auch sagen, der VfB ist aktuell zu stark für manchen Gegner.
    Gerne weiter so.

  5. Konny sagt

    Das war schon richtig cool. Ich hatte Stiller noch als Stürmer in den Ring geworfen und jep er macht das Tor 🙃 –
    Für Mittelstädt freut es mich super besonders, was es Nagelsmann ins Hirn gesch… hat ihn nicht zu nominieren, verstehe wer mag. Vielleicht tat ihm ja die Pause trotzdem recht gut.

    Jaaaaaa so kann es weitergehn.

    So bin ich dann tatsächlich auch sehr zuversichtlich gehen die beiden Mainz Spiele 😊 “chema” weiter hoffentlich.

  6. Mietmaul sagt

    Ich widerspreche ja höchst ungern. Aber in diesem Fall ist es meines Erachtens notwendig. Der Star ist nicht die Mannschaft, sondern der Trainer.

    (Mitsamt seinem Trainerteam natürlich – mitgemeint, sozusagen. Zum Beispiel im Hinblick auf den zweiten Treffer und die Arbeit an den Standardsituationen.)

    Die Zusage, auch in dieser Saison noch auf der Bank des VfB zu sitzen, basierte nach meinem Verständnis auf dem Versprechen der sportlichen Leitung, den Kader nicht nur zusammenzuhalten, sondern “in der Spitze zu verstärken”. Wer an dieser Stelle noch mitliest erinnert sich, wie chaotisch sich der Transfersommer 2025 plötzlich entwickelte. Und an die Pressekonferenz von Sebastian Hoeneß. Und was aus der Planung – schon vor dem Abgang von Nick Woltemade – nicht umgesetzt wurde. Und welche kurzfristigen Baustellen nicht geschlossen wurden.

    Vor diesem Hintergrund dann erneut die eigene Spielidee zu modifizieren, neu hinzugekommene Hochbegabte wieder einmal besser zu machen und in die Bundesliga zu führen, den neuen Kader wieder zu einem geschlossenen Team zu formen und – wenn es sein muss – auch den Ausfall des einzig verbliebenen Mittelstürmers zu kompensieren: Das alles ist wieder einmal die herausragende Arbeit des Mannes – und seines Teams -, dessen Denkmal in Cannstatt wächst und wächst.

    Danke, Sebastian Hoeneß!

    • @abiszet sagt

      Hey!
      Ja, im großen Ganzen geht es schon in Deine Richtung Bei aller Wertschätzung von SH müssen wir aber mal schauen, wie gut die (und ggfs. weitere) Umstellungen auf lange Sicht funktionieren. Ist bei SH immer auch ein Prozess, siehe Chema.
      Ob Wolfsburg so aussagekräftig für System(-Umstellungen) und Kader ist?

  7. drhuey sagt

    Vorbeugend, dass mir nicht der schwäbische Klischee-Habitus “Nix gsagt isch globt gnuag” zugesprochen wird, möchte ich die Mannschaftsleistung auch hervorheben. Der Druck auf eine desolate Wolfsburger Mannschaft liess fast nie nach und das haben wir auch schon anders erlebt. Das ist sicher kein Massstab, aber SH hat wohl die richtigen Schlüsse gezogen und hat auch wieder einmal Mut bewiesen. Was mir auch sehr gut gefallen hat, waren seine Äusserungen während der Länderspielpause. Da hat schon etwas Enttäuschung durchgeschimmert, aber auch Verständnis und vor allem ein konstruktiver Umgang mit den aktuellen Gegebenheiten. Und diese sind nun wirklich nicht schlecht mit El Khannouss, der immer wertvoller wird und auch ein Chema, über den, wenn auch nicht immer alles funktioniert, man sich während des Spiels wundern muss, wie man so jung so abgeklärt sein kann. In den kommenden 4 Wochen warten 7 Spiele, darunter Mainz (wird bereits ein ganz anderer Gegner sein), Leipzig sowie Dortmund. Ich hoffe sie sind der körperlichen, aber auch mentalen Beanspruchung gewachsen.

    • @abiszet sagt

      “Der Druck auf eine desolate Wolfsburger Mannschaft ließ fast nie nach und das haben wir auch schon anders erlebt.”

      Absolut. Ein anderer (früherer?) VfB hätte die völlig verunsicherte Mannschaft von Wolfsburg ins Spiel gebracht durch ein, zwei dumme (überhebliche) Aktionen.

  8. Marcus Fichter sagt

    Ach, weil sein Name vorher fiel…El Khanouss…

    Wer ist eigentlich Enzo Millot ???
    Vermisst den noch jemand ? Ich hoffe, El Khanouss kann dieses Level halten.

    Ach ja, ihr wisst alle, das ich ein Fan von S. Hoeneß bin. Nach dem Woltemade-Abgang und der verärgerten und aus Trainer Sicht verständlich PK von S. Hoeneß habe genau das erwartet. Es dauert ein bisschen, Abläufe während des lfd. Spielbetriebs einzustudieren. Die Länderspielpause hat wohl geholfen.

    Allerdings sollte dies nun in den nächsten Spielen bestätigt werden.

    • @abiszet sagt

      Ich vermisse Enzo.

      Und ja: das Spiel in Wolfsburg gegen einen desolaten Gegner sollte in den nächsten Begegnungen bestätigt werden. Istanbul (vor allem), Mainz sind ganz andere Kaliber.

    • Ronny sagt

      Einen verdienten Spieler wie Millot schlecht machen geht in deiner Welt in Ordnung, aber die Verantwortlichen soll man möglichst nicht kritisieren, was für ein Paradoxon. Wenigstens ist mir jetzt vollends klar geworden welche Agenda hier gefahren wird. Ob Sebastian Hoeneß das System auch ohne die Verletzung von Demirovic umgestellt hätte wissen wir nicht, aber jetzt aus diesem Move ein Heiligtum daraus zu machen ist auch nicht notwendig, es ist schließlich seine Aufgabe zu improvisieren.

      • Konny sagt

        Ja das stimmt – man(n) kann einen Job aber gut, schlecht oder sehr gut machen. Nachdem wir den Trainer öfter schon kritisiert haben, ist es doch nur mehr als in Ordnung, ihm für seinen (gelungenen) Matchplan Lob und Dank auszusprechen, wohlwissend dass andere Kaliber kommen werden. Mit so einer Leistung aller Beteiligten lässt es sich leichter in die Wochen der Wahrheit gehen. Ich war nie Fan von dem Woltemadehype und glaube, dass es der Mannschaft eher besser als schlechter tut, wenn jetzt wieder alle gleichermassen im Focus stehen.

      • Marcus Fichter sagt

        Wo liest Du heraus, daß ich Millot schlecht machen wollte ?

        M.E. steht das nirgends. Die Aussage sollte implizieren, das El Khanouss bisher mind. genauso gut spielt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.