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„Auf Wiedersehen!”

Vor dem Auswärtsspiel in Belgrad bemühten Fabian Wohlgemuth und Sebastian Hoeneß den Altherrenbegriff “Männerfußball“. Was sie damit sagen wollten: Die Mannschaft müsse erwachsen auftreten in Belgrad, Entschlossenheit und Schärfe zeigen, sie darf sich nichts bieten lassen und sollte widerstandsfähig sein. Gesehen haben wir davon am 5. Spieltag der Champions League Ligaphase: Nichts.

Im Gegenteil: Es fehlte eigentlich an allem, was den VfB unter Hoeneß sonst auszeichnete. Die Basics sowieso, aber auch die Spielprinzipien. So verhöhnten die Zuschauer im Marakana sogar den VfB beim 4:1 mit „Auf Wiedersehen“-Rufen, das 5:1 sollte da erst noch kommen.

Woran lag’s?
Es gibt aus meiner Sicht zwei Erklärungsansätze:

Die Mannschaft ging das Spiel an wie wir Fans: „Jetzt kommen die machbaren Gegner“, alle vermeintlich B-Mannschaften, die der VfB in Normalform schlägt. Nicht hilfreich war da vermutlich das frühe 1:0 durch Ermedin Demirovic, was auch Trainer Hoeneß nach dem Spiel so sah. Die Führung unterstrich die Einstellung, dass die Mannschaft sich viel zu sicher war, die Serben zu schlagen. Sofort nach dem 1:0 fiel die Spannung ab. Pässe wurden viel zu ungenau und viel zu lasch gespielt. Alles viel zu lässig.

Beispielhaft der Pass von Angelo Stiller vor dem 1:1. Völlig unbedrängt aus dem Fußgelenk gespielt, bringt er Enzo Millot in Bedrängnis. Im Zweikampf mit Silas bleibt der nicht stabil, er will ein Foul ziehen und dann macht Silas das, was er kann: Eine überragende Einzelaktion. Und er zeigt damit, dass er in erster Linie ein Solist ist. Wobei er gegen den VfB diszipliniert nach hinten arbeitet und versucht, das Duo Chris Führich/Maxi Mittelstädt zu verteidigen.

In der Folge reihte sich Fehler an Fehler, der VfB verlor die wichtigen Zweikämpfe, fand nie eine Einstellung zum Gegner und Spiel. Die Tore teilweise Slapstick, es sah manchmal so aus, als ob die Abwehr in dieser Konstellation zum ersten Mal zusammen spielte. Ob die Nominierung von Pascal Stenzel eine gute Idee war? Nach vorne gelang ebenfalls nichts – außer dem vermeintlichen 1:2 durch Demirovic, bei dem er nach einem schönen Millot-Steckpass knapp im Abseits stand.

Der zweite Erklärungsansatz:
Die Mannschaft war schlicht platt. Ausgelaugt vom bisherigen Saisonverlauf, schwere Beine und leere Köpfe bei den Vielspielern, geschwächt durch Verletzte. Ihr fehlte die Energie, sich den unbequemen Belgradern entgegen zu stellen. Verletzte, Kaderplanung und Nominierungskriterien der UEFA führten dazu, dass beim VfB am Ende Jarzinho Malanga und Benjamin Boakye auf dem Feld standen. Selbst Yannick Keitel, den Hoeneß bisher konsequent ignorierte, kam zu ein paar Minuten. Insgesamt aber keine dankbare Aufgabe für die drei.

Ob Erklärung eins oder zwei: Der VfB bekam eine Lektion erteilt, wie man nicht in der Champions League auftreten kann. Dass es in der Champions League keine leichten Gegner gibt. Dass die Mannschaft in der zweiten Halbzeit auseinander fiel, war unwürdig. Eine Demütigung.

Er vermisst Stuttgart, ließ Silas von seinem Berater vor dem Spiel ausrichten. Ich muss zugeben: Ich gönne Silas sein zweites Champions League Tor. Hätte nur nicht gegen den VfB sein müssen …

Roter Stern Belgrad gewinnt seit über fünf Jahren wieder ein Champions League Spiel. Ausgerechnet gegen den VfB. Ich dachte, die Zeiten, in denen der VfB den Aufbaugegner spielt, seien vorbei. Und ausgerechnet Silas schießt ein Tor. Glücklich sah er dabei nicht aus, dass er seiner großen Liebe einen einschenkt. Belgrad ist kein Gegner, vor dem sich der VfB qualitativ verstecken muss. Die Niederlage gegen die Serben hat sich der VfB einzig und allein selbst zuzuschreiben. Der Erste der serbischen Liga hat sich nur das genommen, was der VfB ihm angeboten hat.

Nach der Klatsche steht der VfB in der Champions League unter Druck, um unter die ersten 24 Mannschaften zu kommen. Die sieglosen B-Mannschaften aus Bern und Bratislava scheinen machbare Gegner zu sein. Mit einer Leistung wie gegen Belgrad wird auch gegen sie nichts zu holen sein. Wie übrigens auch nicht in Bremen am Samstag. Auch eine vermeintliche B-Mannschaft, die er VfB unterschätzen kann. Wie die weiteren Bundesligagegner Berlin und St. Bauli. Und Zweitligist RegensBurg am kommenden Dienstag.

Zum Weiterlesen:
Unser VertikalGIF sieht einen komplett gebrauchten Tag für den VfB und bezeichnet den Auftritt in Belgrad als Nichtleistung.

Rund um den Brustring erklärt die deftige Niederlage mit einer “Mischung aus mentaler Überlastung, falscher Sicherheit aufgrund der frühen Führung und falscher Haltung zum Spiel.“

Bilder: Srdjan Stevanovic/Getty Images

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10 Kommentare

  1. Divina33 sagt

    #Belgrad ist kein Gegner, vor dem sich der VfB qualitativ verstecken muss.

    Ich finde die haben unsere Jungs auseinandergenommen wie eine Jugendmannschaft – hatte allerdings nur die Zusammenfassung gesehen:

    6 VfBler im Strafraum – drei Belgrader greifen an – Tor!

    Wir suchen offenbar Stürmer in ganz Europa momentan …

  2. Marcus Fichter sagt

    @abiszet: Treffend analysiert. Nach der Führung kam es mir auch so vor, daß die Truppe in den Verwaltungsmodus verfallen ist und dann eben nicht mehr rauskam.

    Ich möchte mal wieder was zu unseren ach so benachteiligten Ultras loswerden:

    Wer gegen Bergamo ne Pyroshow über die ganze Spieldauer abbrennt und sich jetzt an der serbischen Grenze wundert, wenn die dortige Polizei genau dies vehement und mit den dort vielleicht üblichen Methoden verhindern will, dem ist echt nicht zu helfen. Klassischer Fall von selten dämlich und von selber schuld.

    • @abiszet sagt

      Hi Marcus, erstmal Danke. Aber ich würde sagen: Dein Kommentar ist ein klassischer Fall von völlig daneben ;-) Die “üblichen Methoden” wie Gewalt und Zwang sind nicht zu tolerieren, selbst wenn man bei jeder Gelegenheit etwas gegen die organisierte Fan-Szene hat.

  3. Konny sagt

    Tja, was soll man da sagen…
    Stiller auch nicht ganz Masterclass, sein Pass auf Silas nervt jetzt noch…Stenzel – blöde Idee gegen diesen schnellen Wilson oder wie der hieß.
    Finds diesmal vom Trainer vercoacht, hatten alle zusammen nicht das beschte Dägle. Ganz im Gegensatz zu Silas. Vielleicht sollte Hoeneß ja hin und wieder sein Spiel auf die Spieler ausrichten, Demirovic fehlt es eingesetzt zu werden und Führich kann zum F… einfach nicht im richtigen Moment abspielen. Das wird noch zäh den Winter…

  4. Heinz Dimpfelhuber sagt

    Es gibt ja relativ viele Menschen die unseren Trainer ob seiner Leistungen in den letzten Monaten als Kandidaten für die nächste Heiligsprechung sehen. Ich tue das nicht und meines Erachtens hat unser Trainer auch gestern zum wiederholten Male Argumente dagegen geliefert.
    1. Welchen Grund gab es für die Nominierung von Stenzel? Bar jeder Spielpraxis, langsam wie eh und je lässt er sich vor dem zweiten Tor austanzen wie ein Tanzbär. Völlig von der Rolle und Stergiou, der am Samstag sehr ordentlich gespielt hat, sitzt auf der Bank. Grober Fehler.
    2. Erneut korrigiert Hoeness seine Fehler viel zu spät: Stenzel hätte man nach 20 Minuten vom Feld nehmen müssen, er darf aber bis zur Halbzeit für Unsicherheit sorgen. Die nach einem desolaten Auftritt mehrerer Spieler bis weit in die zweite Hälfte hinein dringend notwendigen Auswechslungen erfolgen ab der 70. Minute (!!!!) beim Stand von 1:4. Hat er denn gedacht dass diese Truppe das Ruder herumreisst? Obwohl nicht ein einziger dieser Spieler Normalform erreicht hat oder auch nur im Ansatz in der Körpersprache den Willen zum dagegenhalten gezeigt hat? Grobe Fehleinschätzung.
    3. Was gestern eigentlich von Beginn an für ungläubiges Staunen des Betrachters sorgte, war die zur Schau gestellt Lustlosigkeit, das augenscheinliche Desinteresse und eine komplett fehlende Einstellung zu diesem Spiel. Das kommt beim VfB und auch bei anderen Mannchaften immer wieder bei einzelnen Spielern vor. Da das gestern aber ein kollektives Veragen war, sind wir auch hier beim Trainer. Er ist für die Einstellung zum Spiel verantwortlich. Gab es keine klare Ansage? Wählt er die falsche Sprache? Hat er selbst auch einen leichten Gegner erwartet? Hat sich seine Sorglosigkeit auf die Spieler übertragen oder hören ihm die Spieler nicht zu? Oder wollte er von vorn herein abschenken wie gegen die Bayern?

    Wir haben in jedem Fall mit einer solchen Leistung gegen Bremen und selbst gegen Regensburg echte Probleme zu erwarten, die man sich nicht unbedingt antun muss.. Ich habe daher vor, beim nächsten Spiel in meinem Vertrag als Anhänger und Mitglied nach einer Ausstiegsklausel zu fahnden. Da ja beim VfB alle eine haben, kann ich dann ab der 70. Minute den Fernseher ausmachen.

    • @abiszet sagt

      @Heinz, Du hast als Mitglied jederzeit eine Ausstiegsklausel: Du kannst austreten. Und wenn Du das nach einer Niederlage in der CL (zugegeben einer blamablen), in die wir nach 14 Jahren wieder eingezogen sind, machen willst – nur zu. Den Fernseher musst Du auch gar nicht erst anmachen, wenn Du willst.

      Zur Bank:
      Dort saßen Rieder, Malanga, Stergiou, Keitel, Boakye, Chase, Krätzig und Kastanaras. Ich finde, nicht unbedingt das Beste, um ein Ruder herum zu reissen. Gleichwohl gebe ich Dir recht: Stenzel war keine gute Idee und das dürfte nicht überraschend gekommen sein angesichts des Tempos von Gegenspieler Wilson.

  5. drhuey sagt

    Wir kennen die Kriterien nicht, die dazu geführt haben, Stenzel einen Startplatz zu geben, aber der Schuss ging nach hinten los. Das muss sich Hoeness beantworten. Überhaupt die rechte Seite: inexistent! Vagnoman hat mal wieder einen schlechten Tag erwischt. Das Spiel dadurch sehr einseitig aufgezogen und total uninspiriert. OK, Belgrad hatte zwei Wochen kein Spiel davor, aber die These, dass die VfB-Spieler ausgelaugt sind, wurde spätestens etwas später beim Spiel Liverpool gg. Real in Zweifel gezogen. Da war eine Intensität auf dem Platz, die man in der Champions League braucht. Und dabei geht es nicht um die Qualität der Spieler, sondern um die Frage, wie man auf die Idee kommt, so aufzutreten und es dem Gegner so leicht machen kann. Die Umstellung auf Dreierkette brachte dann auch nichts, im Gegenteil: die Mannschaft ist völlig eingebrochen und muss sich in der hoffentlich schonungslosen Analyse ein paar Fragen beantworten. Alken voran die Nationalspieler, denn das IST internationales Niveau.

  6. Gregor sagt

    Die Art und Weise der Niederlage tut weh, aber wir dürfen einfach nicht vergessen wie weit weg von (blamablen) Champions League Niederlagen wir waren als Sonny Kittel im Mai 2023 das frühe 1-0 für den HSV geschossen hat.
    Egal ob Spieler oder Fans, wer gedacht hat wir holen gegen die drei Teams aus dem CL-Tabellenkeller locker 7 oder 9 Punkte war einfach naiv. Das Gute ist ja dass man es immer noch in der Hand hat und mit 6 (oder evtl auch mit 3 oder 4) Punkten aus den nächsen beiden Spielen gäbe es dann ein echtes Endspiel zu Hause gegen PSG. Das sind doch nicht die schlechtesten Aussichten.

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