featured
Kommentare 10

Der VfB lässt Juve alt aussehen

Ich hatte mir verschiedene Überschriften während des Spiels zurecht gelegt. Lange favorisiert hatte ich „Mal wieder beschissen“ nach dem durchaus diskutablen Eingriff des VAR bei Deniz Undavs Treffer in der 48. Minute. „VfB wirft den Sieg weg“ hatte ich dann im Kopf, weil es ganz danach aussah, als ob der VfB ein überlegen geführtes Spiel nicht zieht. Oder einfach „Jaaaaaaaaaaaaaaa!“, so jedenfalls hieß die Analyse von Freund Felix, der sich per Facetime direkt nach dem Spiel noch aus dem Stadion meldete und nichts mehr sagen konnte, weil er so überwältigt war. Irgendwas mit „Geschichte geschrieben“ wäre auch möglich gewesen nach dem ersten Sieg in der Champions League seit knapp 15 Jahren.

Es ist dann ein recht konventionelle Überschrift geworden, bissle Seriosität demonstrieren, nachdem es schwer ist, nicht euphorisch zu werden nach diesem beeindruckenden Spiel des VfB. Und eine kleine Verbindung zum Spitznamen des Gegners, „alte Dame“, Ihr wisst schon.

Es war ein epischer Abend, an dem Geschichte geschrieben wurde und der auf einer Stufe mit Manchester steht.
Spiegel Online schrieb “Rausch mit drei Buchstaben: VfB“. Und die müssten wirklich Seriosität demonstrieren, was dem Autor Marco Fuchs jedoch nicht gelang, zu sehr begeisterte ihn der VfB. “So an die Wand gespielt worden ist der sechsmalige Europapokalsieger Juventus schon lange nicht mehr.“ Und das ist kein bisschen übertrieben. Juve war chancenlos. Thiago Mottas Mannschaft wurde im Vorfeld der Partie hoch gelobt, kreative Positionswechsel, eine typisch italienisch starke Abwehr, vorne drin ein Büffel, in der Liga unbesiegt und mit nur einem Gegentor.

Zu sehen davon gegen den VfB: gar nichts.
Der VfB spielte wie schon in Madrid selbstbewusst, dominant, mit maximaler Spielkontrolle. Torchancen ergaben sich von alleine, die beste von Ermedin Demirovic nach Steckpass von Enzo Millot. Pfosten! In der 42. Minute entdeckte Angelo Stiller den Luka Modric in sich: Mit dem Außenrist zirkelte er den Ball auf Undav, der seinen Kopfball aber nicht an Keeper Mattia Perin vorbei bringt. Juve hatte vielleicht fünf oder zehn Minuten, in denen man erahnen konnte, dass sie hier ein Heimspiel hatten. Ansonsten: nur der VfB!

Drama Baby, Drama.
Der VfB kann nicht ohne. Erst wird der Treffer von Undav aberkannt, dann dachte sich Enzo Millot: “Ich tanze Samba mit Dir” und schlängelte sich durch drei Juve-Spieler hindurch als ob er keine Knochen hätte – scheiterte aber an Perin (62.). Es kamen Madrid-Vibes auf, Turin ist auch so eine zynische Mannschaft, die aus dem Nichts ein Tor reinmurmelt. Damit musste man jederzeit rechnen, obwohl die Turiner bis auf ein paar Halbchancen gar nicht vor dem Stuttgarter Tor auftauchten. „OMG“, „Oh Mann!“, „WTF“, die Nachrichten von Felix aus dem Stadion wurden auch immer verzweifelter, weil der VfB das Tor nicht traf. „Scheisse“ schrieb er als Enzo Millot den Elfmeter verschoss.

Es sah ganz danach aus, als ob der VfB nur schön spielen kann, ihm aber die letzte Konsequenz und das Glück fehlen, um drei Punkte mitzunehmen. In der Nachspielzeit sieht dann Millot eine Lücke, die nur er sieht. Er spielt durch fünf Beine hindurch einen Pass auf den eingewechselten El-Bilal Touré. Der chipt sich den Ball selbst als Vorlage in den Lauf und „Jaaaaaaaaaaaaaaa!“ (sorry), da ist das Tor dann endlich. Selbst der unbezwingbar wirkende Perin hatte keine Chance.

Ein aberkannter Treffer von Deniz Undav. Ein verschossener Elfmeter von Enzo Millot. Der gegnerische Torhüter mal wieder der beste Mann auf dem Platz.
Der VfB blieb trotzdem unerschütterlich, ließ sich nie aus der Ruhe bringen, glaubte immer an sein Spiel und an den Sieg. Die Abwehr ohne Fehler, immer am Gegner dran, der Büffel Dusan Vlahovic schnaufte nur, hatte keine einzige Aktion. Auch der hochgelobte Kenan Yıldız gewann wohl keinen Zweikampf gegen Josh Vagnoman.

Die Statistiken: erdrückend.
Mehr Ballbesitz, mehr Spielwitz, mehr Schüsse, mehr Ecken, mehr Energie. Aber es sind nicht nur die Fakten. Der VfB überzeugte mit seiner Spielweise, trat angstfrei auf, es sah nie so aus, als ob ein Team mit einer schlechten Serie gegen den großen 36-maligen italienischen Meister spielte. Augenhöhe? Mehr als das! Juve wurde kleiner und kleiner, während der VfB immer selbstsicherer wurde und letztlich hochverdient gewann.

Dieses Mal gab es nicht nur Lob für das Team von Sebastian Hoeneß. Ich glaube, der Trainer ruft hier “Jaaaaaaaaaaa!”

„Absolut unvergesslich“ schrieb Felix zum Schluss, bevor er zum Feiern ging. „Ich habe keine Stimme mehr.”

Nach dem Feiertag wartet mit Kiel der Alltag. In diesem Spiel wird sich zeigen, wie gefestigt die Mannschaft ist und ob sie so seriös auftreten kann wie ich diesen Text dann doch zu Ende gebracht habe.

Aber was ich noch sagen wollte: „Jaaaaaaaaaaaaaaa!“

Zum Weiterschauen:
Zum Genießen, hier die Highlights.

Deniz Undav zu seinem aberkannten Tor und dem Siegtreffer von „Elbi”.

Bilder: Valerio Pennicino/Getty Images

Darf gerne geteilt werden:

10 Kommentare

  1. Jochen sagt

    Ich bin schwer beeindruckt von meinem VfB! Bevor jetzt hier die Euphoriewelle ausbricht, lest doch bitte nochmal die Weltuntergangs Kommentare vom Sonntag 😂.

  2. Ronny sagt

    Was für ein Wahnsinn, was für ein tolles Spiel vom VfB. Man ist aus dem Staunen nicht mehr heraus gekommen was Undav, Millot und Co. mit einer europäischen Spitzenmannschaft angestellt hat, und Juventus hätte noch viel höher verlieren können. Aber wie ist es möglich, 3 Tage nach dem Debakel in München so eine Leistung abzurufen ? Ich weiß es nicht ! Wir dürfen uns jetzt einen Tag freuen, dann wartet mit Kiel das biedere Tagesgeschäft. Mental gestärkt erwarte ich natürlich den wichtigen Dreier.

  3. Audiotec sagt

    Hatte gestern auch schon einen etwas weniger optimistischen Ausblick auf die “Rest-Hinrunde” fertig, als etwas in mir meinte: “…gib Ihnen noch dieses Spiel in Turin…”

    Und was ausser (Jaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa) sollte man noch zu diesem epischen Thriller sagen/schreiben!?

    Wie viele Mannschaften wären an dieser erneut starken 1. Halbzeit ohne klarer Führung zerbrochen?

    An dem zurückgenommenen Tor wegen angeblichen (Witz) Handspiels (VAR Ansicht der Bilder nicht nötig-bei dem glasklaren Tritt nebst Elfer/Gelbrot jedoch schon!?=WTF) verzweifelt!?

    Spätestens nach dem vergebenen Elfer die Hoffnung auf einen Treffer/Sieg verloren!?

    Nach 4 sieglosen Spielen und der jüngsten Abreibung in München an sich selbst ge/verzweifelt!?

    Nicht diese Truppe-nicht an diesem Abend

    Das nötigt mir allergrößten Respekt ab-Yes we can es immer noch-und wie! (All over mit eines der besten Spiele der Vereinsgeschichte)

    Diesen Glauben, dieses Mindset gilt es jetzt beizubehalten und nicht wie nach den ähnlich starken Spielen im Supercup vs Lev oder dem 5-1 gg den BVB meinen, vermeintlich “kleineren Namen” mit deutlich weniger Aufwand/Konzentration beikommen zu können.

    Dann (und nur dann) könnte dies der endgültige Startschuss für eine weitere Saison to remember gewesen sein.

    Let’s fu…ing Go!

  4. Pitchblack sagt

    Danke für die Zurückhaltung und soliden Kommentar :o)!

    Das Spiel fühlte sich an wie das Heimspiel gegen Dortmund: zwei Halbzeiten liefert diese Mannschaft in einer Qualität und einer Souveränität ab, die nicht eine Sekunde das Gefühl erlaubt, dass hier etwas anbrennen könnte. Allein die Chancenverwertung, die uns diese Saison immer wieder its ugly head reart, war halt eine andere. Daher umso mehr Respekt an das Team, das gegen Turin definitive Laterkusen-Mentalität an den Tag legte: Trotz später Matchphase cool blieben, diesen unfassbaren Spielzug hinlegen und dann fällt es halt doch. Nicht, weil es erkämpft, sondern wegen hoher Qualität über die gesamten 90 Minuten erspielt wurde.

    Und jetzt bitte gegen die Störche Mittel finden, eine sicherlich wieder unendlich tiefstehende Abwehr zu knacken.
    Am besten, indem mal die erste Möglichkeit genutzt wird.

  5. Stefan sagt

    Jaaaaaaaaaa! habe ich um kurz vor 23 Uhr auch so laut geschrien, dass vermutlich alle Nachbarn wach wurden ;-) Der VfB hatte nach 6 Minuten schon öfters auf das Tor geschossen, als in 90 Minuten gegen München, da dachte ich schon, heute kann es was werden. Hammerspiel!, hoffen wir auf mehr Konstanz in den kommenden Wochen der Wahrheit…

  6. Gregor sagt

    Ich finde es absolut bemerkenswert dass wir jetzt in den letzten 5 Pflichtspielen drei mal in der Nachspielzeit entscheidende Treffer geschossen haben. Auch wenn die Saison bisher her alles andere als perfekt läuft, aber mit so einem Willen und so einer Widerstandskraft sollte man wirklich optimistisch in die Zukunft schauen.

    PS: es heißt Luka Modric, nicht Luca

  7. bacardihardy sagt

    Jaaaaaaaaaa! habe ich um kurz vor 23 Uhr auch so laut geschrien, dass vermutlich alle Nachbarn wach wurden

    Genau so war es bei mir
    So was von verdient
    Jetzt nur nicht durchdrehen
    weiter so
    ich nehm all meine depressiven Kommentare vom Sonntag zurück

  8. Marcus Fichter sagt

    Oh ja, am Samstag ist die Fußballwelt rund um Stuttgart fast zusammengebrochen und jetzt bricht die totale Euphorie aus…so ist das Fußballgeschäft.

    Bewundernswert ist diese Leistung v.a. nach der Bayernklatsche allemal. Hätt ich so nicht erwartet, obwohl ich 1:2 getippt hatte. Ich hatte Turin stärker erwartet, aber das hat wiederum der VfB nicht zugelassen. Juve hatte nicht eine richtige Torchance…schönen Gruß an all die, die Anton und Ito hinterhertrauern.
    Übrigens, als Anton gg. Real eingewechselt, nahm das Unheil seinen Lauf…nur mal so nebenher !

    Nach all den Rückschlägen in diesem Spiel ( Pfosten, Handspiel, Elfer verschossen usw. ) immer weiter zu machen, war schon sehr stark.

    Ich habs am Sonntag schon geschrieben, wenn Hoeneß eine solche Wandlung hinkriegt, ist er auf dem Weg ein Großer zu werden. Er hat die Truppe wieder zurecht gebogen nach dem Bayern-Debakel. Die richtigen Schlüsse gezogen und in der derzeit möglichen Bestbesetzung das Spiel angegangen.

    Kaum lange Bälle auf die Spitzen, wieder spielerisch aus der eigenen Hälfte, das was die Truppe eben kann.

    So ein Sieg kann das Selbstvertrauen massiv stärken. Jetzt gilt es gg. Kiel Wege zu finden, eine hinten drin stehende Truppe zu besiegen.

    Hab heute Karten für Leverkusen bekommen, ich will dort mit Selbstvertrauen im Rücken endlich mal was holen !

    Schöne Woche an alle

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.