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Ich möchte ein Eisbär sein

“Ein Fuchs muss tun was ein Fuchs tun muss“, rappten mal die Beginner mit Samy Deluxe und der VfB tat am sechsten Spieltag der Champions League, was er tun musste: Er gewann mit 5:1. Der Anfang war recht frostig, am Ende war es ein Fest. Wobei man den Sieg einordnen sollte: Es sah fast so aus, als ob der VfB gegen Bochum spielen würde oder gegen Kaiserslautern. Wobei die Betzebuben einen besseren Eindruck hinterließen als Bern.

Lukasz Lakomy hatte die Young Boys früh in Führung gebracht (6.), weil der VfB überhaupt nicht im Spiel war. Das 0:1 fiel, weil Alexander Nübel von einer Frau mit einer roten Salatschüssel auf dem Kopf überrascht wurde. So jedenfalls wirkte es, irgendetwas hatte Nübel abgelenkt, womöglich war ihm auch die Sicht versperrt durch Jeff Chabot. Typisch VfB in dieser Saisonphase: Der Gegner trifft mit dem ersten Schuss ins Tor.

Fies war es im Neckarstadion, kalt und ungemütlich.
Das Spiel des VfB konnte niemanden erwärmen. Es sei denn, man regte sich auf und brachte sich selbst auf Temperatur. Zum Aufregen gab es in der ersten Halbzeit genug. Zum Beispiel ausgelassene Chancen von Ermedin Demirovic (9. und 22.). Keine der beiden muss er zwingend machen, aber andere hätten zumindest eine Chance genutzt (den Elefant im Raum nenne ich nicht).

Ermedin Demirovic agierte unglücklich gegen Bern. Gegen Ende war er regelrecht verzweifelt weil ihm kein Tor gelang.

Auch die Ungenauigkeiten waren in der ersten Halbzeit ein echter Aufreger. Besonders Enzo Millot tat sich hervor. Seine Pässe waren zu kurz, zu lasch, zu ungenau. Das sind wir von ihm nicht gewohnt. Aber vielleicht musste auch er erstmal mit dem Spiel warm werden. Vielleicht fehlte ihm aber auch einfach eine weitere Anspielstation. Ein Nick Woltemade hätte dem Spiel gut getan. Wo war der eigentlich? Womöglich saß er im Warmen.

Millot rückte so immer mehr auf die linke Seite, weil er da ein bisschen mit Chris Führich und Maxi Mittelstädt kombinieren konnte. Denn Demirovic war wie schon gegen Union Berlin umringt von Gegenspielern. Auf der rechten Seite wirkte es fast so, als ob sich Fabian Rieder in seinem Halbraum verstecken würde. Gegen seinen alten Verein gelang ihm jedenfalls in der ersten Halbzeit nichts.

Angelo Stiller und Josha Vagnoman gelang allerdings ein feiner Doppelpass, so dass Stiller aus fünf Meter ins kurze Eck zum Ausgleich schießen konnte (22.). Bei aller Dominanz, zwingend war das bis zum Ende der ersten Halbzeit kaum, was der VfB gegen biedere Berner anbot. Die spielten bereits ab der siebten Minute auf Zeit und machten ansonsten solide die Räume eng wie die Bochumer vor ein paar Wochen.

Kombinierten sich bis an den Fünfmeterraum: Josha Vagnoman und Angelo Stiller, der das erlösende 1:1 erzielte.

Der Gamechanger das 2:1 durch Millot (53.) nachdem Demirovic den Ball clever durchließ. Weil Millot im Game blieb, obwohl der Linienrichter mit der Fahne winkte und die Berner Abwehr das Verteidigen einstellte. Der Schiedsrichter hatte allerdings nicht gepfiffen, auch nach mehrminütiger Prüfung durch den VAR ließ sich wohl nicht nachweisen, dass der Ball kurz vor dem Zuspiel von Rieder auf Millot im Aus gewesen sei. Warum fragt mich niemand? Ich befinde mich im Stadion in der direkten Verlängerung der Torauslinie, ich bin zwar ein paar Meter weg, hatte aber beste Sicht und kann sagen: Der Ball war nicht im Aus. VAR einfach abschaffen und die Fans fragen. Geht deutlich schneller. Und ist gerechter. Vielleicht.

Für die nächsten Minuten gibt es einen klassischen Fußballbegriff:
Die Berner sind zusammengebrochen. Führich verwandelt eine Freistoß-Vorlage von Rieder in Führich-Manier ins rechte Eck. Ein Traumtor (61.). Vagnoman kann an seinem 24. Geburtstag auch sein erstes Champions League Tor feiern (66.). Der für Atakan Karazor eingewechselte Yannik Keitel trifft herrlich ins linke Eck (75.), die Vorlage kam wieder von Rieder. Die Freude war nicht nur in Keitels Gesicht zu sehen, das ganze Stadion war erleichtert.

Nur einer wollte mehr:
Millot animierte seine Kollegen vor dem Anstoß nach dem 5:1 in guter alter Oliver Kahn-Art: Weiter, immer weiter. Er wollte tun was man in dieser Spielphase tun muss: Das Momentum nutzen und etwas fürs Torverhältnis tun. Aber die Einwechslungen von Pascal Stenzel, Ameen Al-Dakhil und Jarzinho Malanga taten dem Spiel nicht unbedingt gut. Und mir wurde wieder kalt. Denn zum Aufregen gab es eigentlich auch nichts mehr. Dafür zum Feiern: der erste Champions League Heimsieg nach 15 Jahren (3:0 gegen Unirea Urziceni nach Toren von Christian Träsch, Ciprian Marica und dem Rumpelrussen Pogrebnyak)

Ring, Ring, die Champions League Arithmetik ruft an:
„Ja, hallo! Ich wollt’ mal sagen: 10 Punkte reichen vielleicht trotz Computersimulationen gar nicht für das Erreichen der Play-offs!“.

Genau, der VfB kann sich nicht sicher sein, dass er bei einem Sieg in Bratislava (35. in der Tabelle) unter den ersten 24 Mannschaften landen wird. Gegen PSG, als 25. ein Platz vor dem VfB, kann es zu einem echten Endspiel kommen am letzten Spieltag. Der von Katar alimentierte Club aus der französischen Hauptstadt spielt als nächstes gegen Manchester City. Die wiederum auch nur mit einen Punkt mehr als der VfB auf dem 22. Platz stehen. Womöglich braucht der VfB im letzten Spiel mindestens einen Punkt.

Womöglich wird es wieder ein Fußballfest. Hauptsache, es ist nicht so kalt.

Zum Weiterlesen:
Unser vertikalGIF “Fünf ist Trümpf” meint, dass die zweite Halbzeit mit vier Treffern für die mühsame erste Hälfte entschädigte.

Bilder: Alex Grimm/Getty Images

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