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Von Costa Rica nach Degerloch und zurück

Nach uns rumpelten sich zuerst die Brasilianer weiter, dann langweilte sich Argentinien in die Vorschlussrunde, Oranje machte schließlich nach einem Elfmeterschießen gegen Costa Rica das Favoriten-Halbfinale komplett. Bei Costa Rica muss ich immer an Philipp Lahm und die Stuttgarter Kickers denken.

Lahms Tor zum 1:0 gegen Costa Rica bei der WM 2006 war der Beginn eines herrlichen Sommers, Platz 3 war zwar nicht das, was alle wollten, aber immerhin war Stuttgart schöner als Berlin und zeigte Deutschland, wie man richtig feiert. Costa Rica bedeutet jedoch für mich auch Stuttgarter Kickers, Gregor Grillemeier, Anthony Yeboah und Klaus Schlappner. In der Saison 1989/1990 durfte ich für die Eßlinger, Cannstatter und Sindelfinger Zeitung erstmals von einem Zweitliga-Spiel der Stuttgarter Kickers berichten. Ich war aufgeregt, denn ich musste direkt nach dem Spiel meinen Bericht durchtelefonieren, fühlte mich wahnsinnig wichtig, als ich Zugang zum sogenannten Pressebereich bekam. Das war ein Raum ohne Fenster mit wackligen Tischen, es roch nach Rauch und Schweiß, kostenlos gereicht wurden Schwaben Bräu und belegte Weckle. Es war kalt und regnerisch und im Spiel ging es hin und her. Der Gegner Saarbrücken war bereits Herbstmeister, Trainer war Klaus Schlappner, der zu dem Zeitpunkt den Status einer Legende inne hatte und im Sturm spielte der spätere Bundesligatorschützenkönig Yeboah. Gregor Grillemeier traf zum Tor des Tages, obwohl die Saarbrücker riesig Druck machten in der zweiten Halbzeit. Am Sonntag war ich mächtig stolz auf meine Headline und meinen Namen über dem Bericht.

Schlappi2

Ein Jahr später: Wieder war ich für die zweite Liga eingeteilt, dieses Mal spielten die Kickers gegen Schweinfurt und es war ein fades Spiel. Die Blauen gewannen durch ein Tor des Costa Ricaners Juan Cayasso (im Bild mit Jan Kocian im Vorrundenspiel der WM 1990 gegen die Tschechoslowakei). Ich wusste, dass er in der zurückliegenden WM das allererste Tor für Costa Rica schoss, in Stuttgart machte man aber keine große Show um ihn. Ich auch nicht, wollte in meinem Bericht nicht speziell auf ihn eingehen. Vorher genehmigte ich mir im Presseraum ein Bier und hörte Kickers-Trainer Rainer Zobel zu. Die übliche langatmige Analyse, bis er auf den Torschützen einging, der in seiner Heimat ein Volksheld und der technisch Beste der zweiten Liga sei, schnell, trotz zierlicher Statur robust im Zweikampf und er habe wie kein Zweiter ein Auge für den freien Raum. Er war so ziemlich er Einzige, der das so sah. Cayasso war Publikumsliebling der Kickers, ja, aber von den Medien wurde er kaum wahr genommen. Costa Rica war kein Land, das man ernst nehmen konnte. Schön, dass es über 24 Jahre später Spieler wie Bryan Ruiz oder Keeper Keylor Navas geschafft haben, dass Costa Rica den Respekt erhält, den Cayasso schon viel früher verdient hätte.

Am Ende der Saison spielten die Kickers die Relegation um den Aufstieg gegen St. Pauli, mit meinem Kumpel Thomas saß ich auf der Gegengerade im viel zu großen Neckarstadion. Das Spiel endete 1:1, es musste ein Entscheidungsspiel her: Die Blauen gewannen 3:1 nach Toren von Vollmer, Fengler und … Cayasso und stiegen in die erste Liga auf.

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