Mini-Feature, Querpass
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Der Picknicker

Manche nennen ihn Gift-Gaucho (Copyright @ChrisPrech), die StZ/StN bezeichnen ihn als Schwaben-Gattuso, in Argentinien heißt er El Rusito (der kleine Russe). Wer ihn noch nicht kennt, rennt vehement inkompetent durch die Welt: Santiago Ascacibar ist für uns der Picknicker. Kein Scheiss, Mann, jeder weiss, Mann! Er wird noch nicht so sehr gehypt wie Benjamin Pavard, aber die Fans feiern ihn permanent, das nur als Argument, warum man ihn den Picknicker nennt.

Santi ist direkt angekommen in Stuttgart, für einen 20-jährigen Argentinier auf erster Auslandsstation erstaunlich genug und nach zehn Bundesligaspielen hat er sich bereits unersetzlich gemacht. Er hat das Herz eines Kämpfers, die Lunge eines Pferdes und die Füße eines Marathonläufers. Und er verfügt sogar über zwei gleich gute Füße, er kann rechts wie links, würde der Kaiser sagen. Ja gut, äh, … aber Statur, Frisur und Laufstil erinnern mich allerdings an Sebastian Rode und der ist nun wirklich kein Picknicker.

Buenos Dias, Mittelfeld-Messias
Ascacibar ist kein unauffälliger Sechser, der nur gut im Raum steht und Dreimeterpässe quer und zurück spielt: Ihm gelingen spektakuläre Tacklings, feine Taschenspielertricks bei Ballgewinnen, aufsehenerregende Rettungstaten, Vertikalpässe, die die Luft des freien Raums atmen. Oder wie der englische Sportsmann schreibt: „he showed some lovely passes, moments of mastery on the ball and some ingenuitive movement.“

Mit seinen 1,67 kann er seine O-Beine erstaunlich lang machen und manchmal denkt man, er habe drei oder vier davon. Immer ist eines davon dem Gegenspieler im Weg. An seinen Füßen scheint er Saugnäpfe zu haben, magisch, wie er in engen Zweikämpfen an den Ball kommt und dem Gegner vom Fuß fischt. In seinem Gesicht kann man dabei nichts lesen, er wirkt teilnahmslos, seine Emotionen vermittelt er nicht mit seiner Mimik, sondern mit seinem Spiel. Für einen defensiven Mittelfeldspieler ist er geradezu mitreissend. Vor vielen Jahren sprangen die Zuschauer bei Solo-Läufen von Alex Hleb von ihren Sitzen auf, heute tun sie es bei Abwehraktionen von Santi Ascacibar.

Auf Kabinenselfies scheint Ascacibar der Balljunge zu sein, der sich aufs Bild geschmuggelt hat, im Spiel dagegen zeigt er eine erstaunliche Reife und Sicherheit. Es sind nicht nur die Spektakelszenen, die ihn so wichtig machen. Der Kapitän der argentinischen U-20-Nationalelf ist kein Stratege wie Xabi Alonso und er ist kein Hooligan wie Daniele de Rossi und er ist kein kopfloses Kampfschwein wie Arturo Vidal. Er ist der AndYpsilon des Fußballs. Er gibt dem VfB-Spiel Struktur, er beeinflusst die Statik enorm, ohne sich dabei in den Vordergrund zu drängen. Er weiß, wie er Räume blockiert, ohne den Gegenspieler aus dem Auge zu verlieren. Ob er steht oder geht, rennt oder grätscht – er kann wie ein Heiliger alleine Räume verschließen. Sankt Ascacibar.

Klicker, Klicker, ist der Groschen jetzt gefallen?
Nein? Dann werd’ ich weiter lallen bis es alle schnallen! Wie der Leibhaftige rennt Ascacibar auch scheinbar unerreichbaren Bällen und Gegnern hinterher und ist damit so etwas wie ein Role Model für seine Kollegen. Für den Argentinier, der sich noch Hoffnung auf die WM 2018 macht, gibt es nur Ex oder Arschloch, alles oder nichts. Er ist leidenschaftlich, aber nicht leichtsinnig. Er ist bissig, aber nicht verbissen. Er ist hartnäckig, aber nicht planlos. Über Jahre hatte der VfB auf der Sechs Schwierigkeiten. Seit 2010 hießen die Partner von Christian Gentner: Zdravko Kuzmanovic, William Kvist, Carlos Gruezo, Moritz Leitner, Oriol Romeu, Serey Dié, Hajime Hosogai, Anto Grgic, Ebbo Ofori – das kann auch an Gentner liegen, aber keiner scheint so gut zum Kapitän zu passen wie Ascacibar.

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4 Kommentare

  1. Pessimist sagt

    Hallo A-Z
    … erst mal langsam. Auch Progrebnjak (und viele andere) war anfangs verheißungsvoll.
    Bis dann der AMG in Affalterbach bereitstand, dann zeigte die Leistungskurve steil nach unten.
    Grüße vom P :-)

    • @abiszet sagt

      Lieber Pessimist,
      ich weiss, Du musst pessimistisch sein, aber Du willst doch nicht ernsthaft Sankt Ascacibar mit dem Rumpelrussen vergleichen? Der Rumpelrusse, als man Huntelaar, Wagner Love und Demba Ba nicht verplichten konnte oder wollte? Pogrebnyak war beim VfB nie gut, weder am Anfang noch zwischendrin noch am Ende. Da kann er nix dafür, er kann es eben nicht besser und die Fußstapfen von Gomez waren einfach zu groß, ebenso die Erwartungen, mit 33 Mio einen adäquaten Ersatz zu holen. Ascacibar beeindruckt vom ersten Spiel an. Er bringt vieles ein, was der Mannschaft gut tut. Auch ein Vergleich mit Serey Dié bietet sich nicht an – der war ein Monster, aber kopflos. Richtig ist, dass man bei einem 20-jährigen durchaus erwarten kann, dass er in ein Leistungsloch fällt.

  2. Dazu muss man einfach im Stadion sein, um zu “fühlen”, wie ein Spieler tickt, bzw. auch dessen Laufwege abseits der Kamera sind.

    Der Russische Pinocchio konnte es in der Tat nie besser.
    Schwierig wird es auch immer wenn die Spieler zufrieden sind und dann einfach die Grundtugenden wie das Laufen einstellen.
    Ich finde Ascacibar auch vielversprechend und hoffe er kann ähnlich wichtig für uns werden wie seinerzeit Pardo.

    Carlos Gruezo hätte ich persönlich auch mehr zugetraut, aber manchmal ist evtl. nur das Heimweh, falscher Trainer, “das zu große Auto” oder was auch immer….

    Schön ist doch, dass beim VfB nun endlich mal wieder Spieler besser werden. Das gelingt aber eben auch eher mit Jüngeren und Transfers mit Phantasie.

    Und was auch wichtig ist die Fans verzeihen Jüngeren auch gerne mal einen Fehler, wenn die man sieht das sonst der Einsatz stimmt.

    Ascasibar schaut man gerne zu.

  3. […] nach seiner Gelbsperre wieder am Start und sicher bis über die kurzen Haarspitzen motiviert ist. Er wird in der heiischen Arena wieder durchs Mittelfeld pflügen und sich wie ein Gladiator den Nürnbergern allein entgegen stellen. Muss er auch, ist ja kein […]

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