Die Zeiten ändern sich. Im Bus spielt niemand mehr Skat oder Doppelkopf. Stattdessen gilt das Diktat von Dr. Dre und dem iPhone. Tischtennis spielt außer Philipp Lahm sowieso niemand mehr. Playstation und Xbox sind angesagt. Auch modisch sind die Nationalspieler ganz weit vorne. Und in den sozialen Medien sowieso. Selfie im Bus, Selfie mit Mutti, Selfie mit dem Pokal, Selfie mit Mutti und dem Pokal. Alles, was sich nur wünschen kann.
Umso erstaunlicher ist die Tatsache, dass das Highlight der Weltmeisterfeier in Berlin ein Auftritt von Helene Fischer war. Im wahrsten Sinne des Wortes im Kreis der Nationalspieler. Und während offensichtlich humorbefreite Redakteure, die sonst wahrscheinlich selbstverliebte Texte im Feuilleton verfassen, diskutieren, ob man sich einen Spaß auf Kosten der Argentinier erlauben kann, spricht niemand über dieses Helenengate!
Dabei wähnte ich uns auf dem Weg der Besserung. 2002 wurde auf Veranlassung von Teamchef Rudi Völler noch die Bietigheimer “Band” PUR nach Yokohama eingeflogen. Der Tiefpunkt der musikalischen Historie des DFB-Teams. 2006 dann Xavier Naidoo, der uns mehrmals am Tag darauf hinwies, das der Weg kein leichter sein würde. Recht hatte er, wie sich im Halbfinale zeigte und der Song war auch gar nicht so schlecht. Aber durch Dauerrotation ist noch kein Lied besser geworden.
2010 dann Bushido mit “Fackeln im Wind“. Der Song startet standesgemäß mit Olé, olé Rufen bevor dann derbe gerappt wird: “Hey, yo Deutschland!” Da kann man jetzt gut finden oder auch nicht, aber für mich passte das ziemlich gut zu der damaligen und aktuellen Spieler-Generation. Auch die Sportfreunde Stiller hatten einen Song am Start, aber für mich waren die Boatengs, Khediras, Jansens und Podolski eben mehr Bushido als Sportis. Das gilt natürlich insbesondere für Mesut Özil, dessen Ex mittlerweile Frau Bushido ist. Jedenfalls schien der Musikgeschmack der Nationalelf weg vom Mainstream hin zur Nische zu gehen.
Das lies mich für 2014 hoffen. Wer würde den inoffiziellen Soundtrack zur WM liefern? Kollegah? Marteria? Beatsteaks? Kettcar? Und dann kam Helene Fischer.
Ich würde unseren Weltmeistern gerne zugute halten, dass sie sich nach dem langen Flug und dem ein oder anderen alkoholischen Getränk in einem Zustand befanden, in dem sie wie viele andere auch bei Schlagern ziemlich abgehen. Aber es gibt leider viele Indizien, die dagegen sprechen. So wird vor allem der Dortmunder Fraktion eine hohe Helenigkeit nachgesagt. Und sie leugnen es nicht mal.
Was ich mich dabei ernsthaft frage: Die Nationalspieler sind vom Nike-Cap bis zum Fußsohlen-Tattoo die Konsumvorbilder junger Leute. Aber hören 16-jährige mittlerweile wirklich Schlager? Dann weg mit der Playsi und rein mit der Tischtennisplatte!
Und zum Abschluss noch eins mit mir als “Fan” auf dem Bild pic.twitter.com/yWqjNYFOQP
— Mats Hummels (@matshummels) July 15, 2014
Mir fehlen da auch die Worte und ich versteh es nicht…zumindest hab ich jetzt einen guten Grund, die tausend Wiederholung von der Fanmeile NICHT anzuschauen!