Beliebt, VfB
Kommentare 10

„Es ist noch genug Zeit!“

140 Minuten Anfahrt aus Stadtmitte, 25 Minuten nach Anpfiff auf dem Sitzplatz, von mehreren Polizisten angebrüllt worden, Béla Réthy gesehen und einen Ordner getroffen, der mich rettete. Ein Bericht von den chaotischen Verhältnissen rund um meine Anfahrt zum Dortmund-Spiel.

Freitag, 18.30 Uhr, los geht’s. Seit Pandemiezeit mit dem Auto. Und weil ich gerne alles geplant habe, wird auch gleich ein Parkticket dazu gebucht. Auf P2. Wie auch die letzten Spiele gegen Gladbach und Augsburg. Mit im Wagen meine neuen Freunde Paula und Scott aus den USA, die wir letztens im Kessler-Store in der Calwer Straße kennengelernt haben. Ein Besuch im Stadion steht auf Scotts Bucket List, das Spiel gegen Dortmund scheint dafür ideal geeignet. Flutlichtspiel, volle Hütte und elektrisierende Stimmung. Wir besorgen Karten, Paula und Scott sitzen auf der Haupttribüne. Beste Plätze, Ehrensache.

Der Plan ist, den beiden ein einmaliges Stadionerlebnis zu bieten. VfBecherpfand ist Pflicht und vielleicht reicht es Scott auch noch zu einem Trikot. Dass viel Verkehr ist, es langsam voran geht und es in Strömen regnet, lässt mich vollkommen kalt.
Es ist noch genug Zeit, das reicht locker.

19 Uhr. Es läuft gut.
Nach einer halben Stunde ist das Ziel von der Mercedesstraße in Sicht. Vor der Schleyerhalle nur noch links auf die Benzstraße abbiegen, einmal hintenrum ums Stadion und dann sind wir da. Das Schild mit den Pfeilen nach links und dem Hinweis “Zufahrt gesperrt” nehme ich nicht ernst. Bin ja bisher immer so gefahren. Ich biege trotzdem links ab. Die Polizistin, die dort den Verkehr überwacht, meint es ernst und schickt mich zurück. Ich soll über Untertürkheim fahren. Ein saublöder Umweg. Aber hey, ist ja noch genug Zeit. Dann leider kein VfBecherpfand. Bis ich allerdings über die Gaisburger Brücke auf die B10 komme, vergeht eine halbe Stunde. Für die paar Meter! Meine Stimmung sinkt. Ich sehe den Anpfiff in Gefahr. Beruhigende Stimmen übers Telefon („Du hast noch eine Stunde, das ist genug Zeit“), Paula und Scott sind relaxt, sie wissen ja nicht, was sie verpassen würden. Aber ein Bier hätte Scott gerne.

Dann freie Fahrt auf der B10, nächste Ausfahrt gleich wieder raus. Vielleicht haben alle doch recht und ich sollte mich nicht immer so anstellen. Ich biege um die Kurve und stehe direkt wieder im Stau. Egal, es ist genug Zeit, zum Anpfiff reicht es schon noch, auch wenn es langsam voran gehen sollte. Und um mein Auto muss ich mich nicht kümmern. In P2 wartet ein fest gebuchter Parkplatz auf mich. Little did I know.

Während es bisher zwar langsam aber stetig vorwärts ging, passiert jetzt: nichts. Wir stehen. Kommen immer mal wieder 20 cm voran. Das liegt an einer beschissenen Ampelschaltung und an den Arschgeigen, die ganz nach vorne fahren und sich dann reindrücken. Was soll das? Wir sitzen alle in der gleichen Scheiße. Wir robben uns Richtung Ausfahrt und sind fast durch, da kommen von hinten drei Gästebusse mit Polizei-Eskorte und werden vor allen anderen ausgeleitet. Nochmal warten. Meine Stimmung ist da schon lange auf dem Tiefpunkt. Aber stell’ Dir vor, Du sitzt Stunden in einem Bus, um ein Auswärtsspiel deines Vereins zu sehen, es riecht heftig nach Körperausdünstungen und du kommst nicht rechtzeitig. Was ist dagegen meine Anreise von 8 Kilometern? Always look on the bright side.

Nach 110 Minuten Anfahrt ist es 20.20 Uhr, zum Anpfiff reicht es nicht mehr.
Schade, denn so verpassen Paula und Scott die knisternde Atmosphäre, das tausendfache Grummeln, die Begrüßung der Spieler, die ganze tolle Pre-Game-Stimmung, bei der ich immer wieder Gänsehaut bekomme.

Wir schaffen es endlich in die Ausfahrt und können sehen, dass am Ende die Polizei den Verkehr regelt. Super, dann sollte es ja laufen. Nur noch einmal links abbiegen und dann sind wir da. Wir nähern uns und sehen, dass die Polizei alle Autos nach rechts schickt. Aber kein Problem, die Parole heißt “Ticket für P2“. Das interessiert den Polizisten herzlich wenig.
„REEECHTS!“ brüllte er,” PARKPLATZ ISCH VOLL“.
„ Das kann ja gar nicht sein, ich habe ein Ticket“.
„MIR EGAL, ISCH ALLES VOLL. REEECHTS!“.

Die Nerven liegen blank.
Bei den Polizisten, bei mir und allen anderen Fans um mich herum. Wenn ich jetzt rechts nach Untertürkheim abbiege, kann ich gleich nach Hause fahren. Ich nutze einen unaufmerksamen Augenblick und schleiche mich nach links durch. Hurra!

Jetzt nix wie auf die Mercedesstraße, P2, mein Parkplatz wartet. Erste Kontrolle, ich zeige mein Ticket und werde durchgewunken. Zweiter Kontrollpunkt, meine Mitfahrer hören den Gesang aus dem Stadion und freuen sich, dass sie gleich dabei sind. Ich zeige mein Ticket und der Ordner sagt:
“Der Parkplatz ist voll“.
WTF? Voll?

Ich habe doch ein Ticket. Gekauft. Das ist sogar nummeriert. Ich frage den Ordner, was ich jetzt mit meinem Wagen machen soll. Er zuckt hilflos mit den Schultern. Ich habe große Lust, den Wagen einfach direkt dort stehen zu lassen und zum Stadion zu gehen. Der Ordner bittet mich, vorne umzudrehen und dann wieder rauszufahren. Während ich noch diskutiere, hupt es irgendwo hinter mir anhaltend. Kurz darauf hält ein dunkler SUV rechts neben mir, das Fenster runtergelassen. Der Fahrer ruft verzweifelt: „Ich bin Béla Réthy vom ZDF, ich muss hier filmen!“ Netter Versuch. Aber es war kein kreativer Drängler, nein, es war tatsächlich Réthy.

Ich verlasse den Kontrollpunkt und entdecke jede Menge freie Parkplätze. Mein Parkversuch wird direkt von einem Polizisten unterbunden.
“Reserviert für Einsatzfahrzeuge!“
Damit schwindet meine letzte Hoffnung. Ich kann Scott und Paula auch nicht einfach ihre Tickets in die Hand drücken und sie ins Stadion schicken. Bei dem ganzen Bahnchaos nach dem Spiel wären sie völlig verloren.

Als ich gerade umdrehen will, komme ich an der Einfahrt zum Parkhaus P1 gegenüber dem Business Center vorbei. Ein letzter Versuch. Ich fahre vor, zeige mein Ticket und frage den Ordner, ob er noch ein Plätzchen hätte. Man muss mir die letzten zwei Stunden angesehen haben, denn er nickt, lächelt und sagt freundlich: „Fahret ‘se hoch“. Der Mann verdient einen Orden!

On the upside, es gibt keine Wartezeit am Einlass. 25 Minuten nach Anpfiff sitzen wir endlich auf unseren Plätzen. Richtig genießen kann ich das Spiel aber nicht mehr und das liegt nicht am Spielverlauf.

Ich bin noch immer fassungslos, was für ein Organisationsversagen.
Wieso ist plötzlich die Benzstraße gesperrt und wieso wird der Verkehr am Nadelöhr in Untertürkheim dann nicht besser geregelt? Wieso gibt es dazu keine Information? Wenn das vorab nicht möglich ist – die Stuttgarter Poilzei hat doch einen Twitter Account. Und der VfB auch. Nicht nur Belanglosigkeiten posten, echte Infos wären auch mal gut. Sich wirklich für die Belange der Fans zu interessieren, wäre eine schöne Abwechslung. Sie nicht als Kunden, sondern als wichtigsten Teil des Clubs zu verstehen, das hat der VfB offensichtlich immer noch nicht verstanden.

Wie kann es sein, dass ich vorab ein Parkticket kaufe und mir dann gesagt wird, der Parkplatz ist voll? Rechnet der VfB eine No-Show Quote ein und es ist eben blöd wenn dann doch alle kommen? Da komme ich mir verarscht vor. Oder stehen da noch welche, die ihr Auto morgens schon hingestellt haben? Dann einfach Schilder aufstellen und gegebenenfalls abschleppen.

Hätte ich nicht verschiedene Anweisungen ignoriert und Eigeninitiative ergriffen, wäre ich wieder nach Hause gefahren. Mit Tickets im Wert von 200 Euro im Gepäck und einem gültigen Parkticket. Mit Paula und Scott, die ihr erstes VfB-Spiel besuchen wollten und ganz sicher keinen zweiten Versuch mehr unternommen hätten. Sie waren dann trotz aller Widrigkeiten begeistert vom Stadionbesuch, fragten sich aber, warum die Schlangen bei den Bier- und Wurstständen so lange sind. Aber das ist eine andere Geschichte.

Darf gerne geteilt werden:

10 Kommentare

  1. Helmut Bäuerle sagt

    Genauso ging es uns auch
    Ein Armutszeugnis- P2 gekauft und weggeschickt worden. Traurig !!

  2. Mike sagt

    Furchtbar war das. Ich bin ewig im Kreis gefahren. Ordner meinten, in der kompletten Gegend gibt es keine Parkplätze mehr. Kann doch nicht sein, dass niemand auf sowas vorbereitet ist. Schlussendlich habe ich illegal vor einem Tor einer Firma geparkt und gehofft, dass niemand mehr da ist und mein Auto nach Abfiff noch da ist. Gott sei Dank war das der Fall. Das war das Erste und einzige Mal, dass ich mit dem Auto zum Spiel fahre. War übrigens in der 37. Minute dann erst im Block…

    • Motzbackenbruddler sagt

      Mit ’em Bock zum Stadion fahrra isch am beschda. Koschd nix uns parke au net. Wirsch nur blöd angafft, wenn Du daher radelschd und d’Leut haldad Maulaffa feil.

      • @abiszet sagt

        Willst Du witzig sein oder ernsthaft sagen, dass Du am Freitag Abend bei Vollregen mit dem Fahrrad gefahren bist?

        • Motzbackenbruddler sagt

          Kein Witz; fahre immer mit dem Fahrrad zum Stadion. Kann ich nur empfehlen. Für das schlechte Wetter gibt es passende Kleidung. Die kann dann sogar von Vorteil sein im Stadion;-)

          • @buzze sagt

            Ich mache das auch gerne. Aber am Freitag Abend um 22:30 im Vollschiff 15 km nach hause … nee. :-)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.