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Hier sind die Vier wieder!

“Wir saßen vor vier Monaten in Wien und waren schockiert. Was hat sich in der Zeit bis zum 2:0 Sieg gegen Frankreich geändert?”, fragte Moderator Jochen Breier im ZDF den Experten Per Mertesacker. Als der Weltmeister von 2014 noch Luft holte, rief ich Breier zu: „Vier VfB-Spieler sind dabei!“

Ich habe mich dazu entschieden, nicht mehr länger über die deutsche Nationalmannschaft zu bruddeln. Auch wenn mich der naseweise Bundestrainer Julian Nagelsmann nervt: Wer vier VfB-Spieler nominiert, kann kein schlechter Kerl sein. Was ich sehe: Drei Debütanten mit Maximilian Mittelstädt, Deniz Undav und Waldemar Anton sowie 20 Minuten Chris Führich. Was mich besonders freut: Die strahlenden Gesichter nach dem Spiel. Alle vier lachen, fühlen sich fantastisch. Sie hingen zusammen, klopften sich auf die Schulter und ich hatte den Eindruck, sie konnten es selbst nicht glauben, dass sie das Dress des DFB trugen und gerade mitgeholfen hatten, den Weltmeister von 2018 in beeindruckender Art und Weise zu schlagen.

Mittelstädt wird sogar vom großen Toni Kroos geadelt: „Wenn ich sehe, wie abgeklärt Maximilian Mittelstädt das gemacht hat in seinem ersten Länderspiel, ist das absolut hervorzuheben.“ Das hätte durchaus noch euphorischer klingen können, aber so isser eben, der QuerVertikalpass-Toni. Immer cool, immer auf den Punkt, wie seine 143 Pässe im Spiel. Noch vor acht Monaten schien es illusorisch, dass Mittelstädt in der Startelf der deutschen Nationalmannschaft steht. Von Hertha BSC für läppische 500.000 Euro zum VfB gekommen, zwar mit immerhin 147 Bundesligaspielen, aber den Durchbruch hatte er in Berlin nicht wirklich geschafft. Wir fanden den Transfer im Juli eher mittel … mäßig, bezeichneten ihn als stabilen Mitläufer und sprachen ihm zuverlässige Performance ab. Klarer Fall von keine Ahnung.

Mittelstädt entwickelte sich unter Sebastian Hoeneß zum Maxistädt und legte ein stabiles Debüt in Lyon hin. Es gab natürlich Spielsituationen, in denen ihm schwindlig wurde, weil sein Gegenspieler Ousmane Dembelé ihm in einigen Zweikämpfen ein Schleudertrauma verpasste. Gerade in Umschaltsituationen und nach Ballverlusten stand er 1:1 gegen den französischen Flügelspieler und konnte Durchbrüche nicht immer verhindern. Aber je länger das Spiel dauerte, desto selbstbewusster und abgekärter trat er auf. Sogar torgefährlich wurde er. Vor beiden Toren. In der 79. Minute verhinderte Frankreichs Keeper Brice Samba mit einer überragenden Parade seine Torpremiere und zwei Minuten vor Spielende machte Mittelstädt mit einer Slapstick-Aktion vor dem eigenen Tor auf sich aufmerksam. Nach einer Flanke von Kylian Mbappé schlug er halb ein Luftloch, der Ball trudelte Richtung eigenes Tor, das Antonio Rüdiger nur verhinderte, in dem er die Kugel an die Latte schoss. Aber anscheinend hat Mittelstädt das positive Karma von Cannstatt mit zur -Nationalmannschaft genommen. Mutig präsentierte er sich , mit einigen Ballgewinnen und Sprints in die gegnerische Hälfte, er spielte geradlinig, wollte einfach sein und wurde zunehmend lockerer auf dem Platz.

Einfach überglücklich

Als Undav in der 80. Minute eingewechselt wurde, sah man ihm an, dass seine Gefühle mit ihm Gassi gingen. Schon während des Spiels bekam er einen Muskelkater, und zwar im Gesicht, weil er nur am Lachen war. Eine Minute nach seiner Einwechslung hätte er beinahe nach Vorlage von Führich mit seiner ersten Ballberührung ein Tor geschossen. Wieder war Samba zur Stelle. Ein typischer Undav. Er erkennt intuitiv gefährliche Momente, aber auch ohne Tor war es ein wundavbarer Moment für den 27-jährigen für die deutsche Nationalmannschaft aufzulaufen. In der 90. Minute bekam schließlich auch Waldemar Anton seinen Einsatz als er für Kroos eingewechselt wurde. Auf der Sechser-Position trug er seinen Anteil dazu bei, das 2:0 über die Zeit zu bringen.

In Lyon waren es die Vier wieder, die uns seit Anfang der Saison inspirier’n. Ihre Einsätze die Belohnung für hervorragende Leistungen beim VfB. Vier VfB-Spieler bei Spielende auf dem Platz sind Ausdruck und Zeichen, was der VfB in dieser Saison bisher geleistet hat. Noch vor einem Jahr: undenkbar. Bruno Labbadia ließ Anton auf der Rechtsverteidiger-Position verkümmern, Undav mit Anpassungsproblemen in Brighton, Führich mit vielversprechenden Ansätzen, die er sich mit falschen Entscheidungen regelmäßig kaputt machte. Und Mittelstädt? Er konnte nicht einmal richtig mithelfen im Abstiegskampf der Hertha, weil er überwiegend auf der Bank saß.

Sie waren alles andere als zu geil für diese Welt. Das vielzitierte Momentum brachte die fantastischen Vier jetzt in die Nationalmannschaft. Dass sie dort nicht als Maskottchen sind, sondern ihre Rollen ausfüllen können, haben sie gegen Frankreich gezeigt. Und sie sorgen dafür, dass ich mir wieder Spiele der deutschen Nationalmannschaft anschaue.

Bild: buzze (Aufmacher), Alexander Hassenstein/Getty Images (Artikelbild)

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14 Kommentare

  1. Jochen sagt

    Well done. Hoffen wir, dass die vier auch nächste Saison den Brustring durch die Bundesliga tragen.

  2. Holger sagt

    Super Text, mir ist gestern einfach das Herz aufgegangen als ich die Jungs auf dem Platz gesehen habe.

  3. Johan sagt

    Undav vor allem hat gezeigt, was meiner Meinung nach in den letzten Monaten und Jahren den Nationalspielern abging: Der Stolz für die Nationalelf auflaufen zu dürfen! Damit kommt die Lockerheit zurück, und mit der der und den hungrigen Spielern dann auch der Spielfluss und die Spielfreude, wie man gestern schon sehen konnte. Hoffen wir, dass das anhält und kleinere (erwartbare) Rückschläge verkraftet werden.

    Schöner Text!

  4. Marcus Fichter sagt

    Ich denke auch, das die vier mit ihrer unbekümmerten Art und dem Stolz den sie zeigen für die N11 aufzulaufen, der N11 gut tun. Dazu die zwei Künstler Wirtz und Musiala, das kann was werden.
    Wenn ich früher die mürrischen Gesichter von Hummels, Goretzka, Sane usw. gesehen habe, dann hat das heute schon eine andere Qualität. Die kamen mir so vor, als wäre es eine lästige Pflicht und keine Ehre für die N11 zu spielen.

    Das sieht das jetzt schon ganz anders aus. Aber lassen wir mal die Kirche im Dorf, das war erst ein Spiel. Schauen wir mal, wie das gegen die Käsköppe läuft !

    • @abiszet sagt

      Absolut! Euphorie nach einem Spiel ist sicher verfrüht, das sollte sich nachhaltig entwickeln.

      Ich hatte im Vorfeld schon befürchtet, unsere Vier kommen frustriert zurück, bekommen keine Minuten und verlieren auch noch beide Spiele. Ihr erstes Ziel (= Debüt) ist erreicht, jetzt geht’s weiter!

  5. Fritz sagt

    Bei aller Liebe und Freude, mir ist der Hype, der in manchen Kreisen um Mittelstädt herrscht, deutlich zu viel. Nach zwei Länderspielen sehe ich: ein Tor geschossen, ein Tor verursacht, ein weiteres gegen NL beinahe verursacht, gegen F knapp am Eigentor vorbeigeschrammt, in der gegnerischen Hälfte stark, in der eigenen Hälfte eher schwach, von Dembele mehrfach düpiert, und gegen NL von ballführenden Teamkollegen gemieden, obwohl er frei und eine gute Anspielstation gewesen wäre – ich mutmasse, weil sie ihn als Unsicherheitsfaktor gesehen haben.

    Ich gebe gerne zu, dass ich ihn vor Beginn der Saison sehr unterschätzt habe, und vielleicht wiederholt sich ja Geschichte, aber aus meiner Sicht bisher beileibe keine überzeugende Bilanz. Wenn er dann bei der Stuttgarter Zeitung zusammen mit Tah und Füllkrug die beste Note aller Spieler bekommt, dann muss man nichts mehr sagen.

    • Konrad sagt

      Mir geht es ebenfalls ein bisschen zu schnell… ich glaube, dass das nicht so ganz richtig wirklich gut ist so eine von Mittel- zu Messistädt extrem Beschleunigung von Null auf Hundert.

      Auf dem Boden der Tatsachen freue ich mich total, dass endlich wieder VfB´ler in der N11 sind. Ehrlich gesagt hätte ich Musiala schon deutlich länger rausgenommen, weil er ständig gestolpert ist und Undav gebracht. Auch Anton hätte ich gerne mal gesehen. Von Tah bin ich nicht so der Fan, von Rüdiger allerdings ebenfalls nicht. Grundsätzlich finde ich, dass es Anton mehr als Maxi verdient hätte, allerdings hat er das Pech, dass da andere die Nase vorn haben.

      Wird spannend, wer final dann mit darf… ich drücke auf jeden Fall allen feschte die Daumen und hoffe, dass wir gegen Heidenheim dieses Mal besser aussehen als das Letzte. Weil das wird wieder richtige Arbeit…

  6. Bacardihardy sagt

    Mittelstädt wird viel zu sehr gehypt
    Sorry aber so gut ist er nicht
    Vor allem defensiv
    Leider sind seine Konkurrenten nicht viel besser
    Wenn natürlich Leute wie Matthäus von der Nationalelf den Gewinn der Europameisterschaft fordern , da kann man nur den Koof schütteln
    Die Medien spinnen alle heutzutage

    Die VfB Jungs haben sich trotzdem gut geschlagen
    Anerkennung

    • @abiszet sagt

      @Fritz, Bacardi, Konrad/Konny
      Ich freue mich an und mit ihm und auch für ihn und suche kein Haar in der Suppe. Warum bruddeln? Natürlich ist er kein Grimaldo, aber trotzdem der beste Linksverteidiger der Liga (Nagelsmann-Voice).
      Ganz klar: So wie er in den Himmel gelobt wird, so schnell wird er wieder auf den Boden der Tatsachen zurück geholt, wenn er mal nicht so performt. Dass es ihm allerdings zu Kopf steigt, denke ich nicht.

      • Konrad sagt

        Mir gehts tatsächlich mehr um ihn (MM7) als Mensch, weil ich ihn echt sehr mag. Ich möchte nicht, dass er zu schnell zu hoch fliegt und dann zu hart fällt. Allerdings ist davon auszugehen, dass Hoeneß das schon ordentlich moderiert und einschätzt.

      • Fritz sagt

        Ich habe ja auch von “Liebe” und “Freude” geschrieben, nämlich, dass es wieder Spieler vom VfB in die Nationalmannschaft geschafft haben. Und ja, ich freue mich auch für ihn. Aber mit Bruddelei hat mein Kommentar – hoffentlich – gar nichts zu tun, schon gar nicht mit dem Suchen nach dem Haar in der Suppe. Ich finde einfach, man muss objektiv bleiben, und was ich da von ihm (ausdrücklich: in der Nationalmannschaft, nicht in der Bundesliga) gesehen habe, war jetzt wirklich nicht sooo berauschend und rechtfertigt nicht den Hype – und damit meine ich sowieso nicht den Vertikalpass, sondern zB die STZ (die eh nicht für kritische Distanz bekannt ist) aber auch viele Fans auf X, etc.

  7. Marcus Fichter sagt

    Klar gibt oder gab es bessere LV’s, aber wenn mir vor der Saison jemand diese Entwicklung vorhergesagt hätte, dann hätten wir denjenigen alle gefragt, was er geraucht hat ! Außerdem ist da ja noch Entwicklungspotential da. Die müssen sich auch alle erstmal richtig einspielen. Dann passieren manche Fehler schon aus den eingespielten Automatismen nicht mehr. Mich freut es riesig für Maxi und den VfB.

    Übrigens, ich mach den Quatsch am Sonntag nicht mit, ich komme in Weiß, dann könnt ihr alle sehen, wo ich stehe…;-))

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