Jetzt also VfB Deutschland. Es war klar nach dem bisherigen Saisonverlauf, dass Bundestrainer Julian Nagelsmann an Deniz Undav, Waldemar Anton, Maximilian Mittelstädt und Chris Führich nicht vorbei kommt. Denn die Welt liegt ihnen zu Füßen, sie stehen drauf. Erstmals wurden damit seit 14 Jahren wieder vier VfB-Spieler nominiert (2010: Cacau, Serdar Tasci, Christian Träsch und Sami Khedira).
Und wo eigentlich Josh Vagnoman, Angelo Stiller und Alexander Nübel? Ok, die werden dann eben in den EM-Kader berufen. VfB Deutschland eben.
Drei von vier Nominierten haben es über den zweiten oder gar dritten (Aus)Bildungsweg in die Nationalmannschaft geschafft. Undav, Mittelstädt und Führich wurden lange für zu leicht (bei Undav wars anders rum) befunden und nicht für höhere Aufgaben befähigt. Das Trio musste immer Widerstände überwinden und ist deshalb vielleicht so bissig und ehrgeizig, es allen denen zu zeigen, die nicht an sie geglaubt haben. Sie ernten endlich, was sie säen.
Anton dagegen wurde (ohne Einsatz) U21-Europameister, stieg früh bei Hannover zum Führungsspieler und Kapitän auf. Im nachhinein muss man sagen: zu früh. Heute ist er beim VfB der uneingeschränkte Leader der Mannschaft und dazu ein echter „Worker“, wie ihn sich Nagelsmann wünscht. Die Süddeutsche Zeitung schreibt, dass er sich “altmodisch in jeden Zweikampf schmeißt und trotzdem ein paar neumodische Füße mit sich führt“, mit denen er eine hervorragende Spieleröffnung spielt. Anton ist in der Form seines Lebens, in vielen Statistiken gehört er zur Spitze der Liga. Eine Dreierkette mit ihm, Jonathan Tah und Antonio Rüdiger scheint nicht die schlechteste Option für die Nationalmannschaft zu sein. Nur als Rechtsverteidiger ist er verschenkt, das weiß jeder, außer Bruno Labbadia.
Einen wie Undav muss Nagelsmann mit zur EM nehmen. Nicht wegen seiner putzigen Interviews mit „Einigkeit und Recht und Freiheit“. Es sind seine Scorer, er ist der beste deutsche Stürmer. Aber auch als Typ ist er wichtig bzw. als „Vogel“, wie ihn Sebastian Hoeneß bezeichnet. Ich stelle mir das Gesicht von Toni Kroos vor, wie Undav vor dem Spiel zum ihm sagt „Heute ein Sieg, Bruder!“ und ihm dabei auf die Schulter boxt. Der Typ, der einst in Braunschweig, Havelse und Meppen rumkrebste mit dem derzeit erfolgreichsten deutschen Fußballer in einem Kader. Wer hat daran geglaubt? Wahrscheinlich nur Undav und dieser Glaube macht ihn womöglich so stark.
Er ist wie ein wundavbarer Alleinunterhalter. Er ballert Sprüche ohne Ende, man kann über ihn lachen und er trägt auch diese komischen Jacken, die Alleinunterhalter bei Hochzeiten gerne anhaben. Undav – als Gast auf jeder Hochzeit und Party willkommen. Und jetzt auch bei der Nationalmannschaft.
500.000 Euro Ablöse für Mittelstädt? Das war ein No-Brainer für Fabian Wohlgemuth. Aber selbst der VfB-Chef-Koch hat sicher nicht vermutet wie der Linksverteidiger in dieser Saison durch die Decke geht. Bei Hertha BSC eher ein Mitläufer, es lief eher so mittel-mäßig bei seinem Ausbildungsclub. Man muss heute kein Gourmet sein, um zu erkennen, dass Mittelstädt der formstärkste deutsche Linksverteidiger ist. Er schafft es, in seinem Spiel einfach zu sein, ein echter Schaffer, zudem maxi-mal flexibel, kann Viererkette und Fünferkette spielen, liebt Defensiv- wie Offensivaktionen gleichermaßen. Maxi-males Engagement eben. Er ist schnell, er ist dynamisch, er hat bei Flanken einen feinen Fuß und er wäre auf der linken Seite der kongeniale Partner für Führich.
Sieben Tore und sieben Vorlagen hat Führich auf dem Zettel. Aus dem Immer-die-falsche Entscheidung-treffen-Spieler ist der Dann-schlenze-ich-ihn-halt-ins-Eck-Spieler geworden. Natürlich fieselt er immer noch rum, hat er manchmal noch den Kopf unten, läuft sich fest oder verdaddelt den Ball. Aber er ist deutlich zielstrebiger geworden und gemeinsam mit Mittelstädt nur schwer zu verteidigen. Da kommt eins zu anderen: Mit jeder geglückten Aktion wächst das Selbstvertrauen des Flügelspielers, so dass er noch mutiger in die nächste 1:1-Situation geht. Führich verkörpert eine Spielfreude, die der Nationalmannschaft nur gut tun kann. So wie die vier Nominierten aus Stuttgart sowieso nur am lachen sind. Das schien in letzter Zeit bei der deutschen Auswahl verboten gewesen zu sein.
Unsere vier VfB-Spieler sind absolute Teamspieler. Sie wissen: Nur zusammen sind wir groß. Sie reisen mit Euphorie und Begeisterung zur Nationalmannschaft. Das kann sie besser gebrauchen als schlecht gelaunte und frustrierte Bayern-Kicker, die sich selbst für etwas Besseres halten. Und Die Fantastischen Vier schaffen es, dass sich so Nationalmannschafts-Muffel wie ich mal wieder ein Länderspiel anschauen.
Denn ich steh auf sie, ich find’ sie cool.
Bild: Mark-Robert Ferenczi
Hab ich heut zu meinem VfB Fan Kollegen gesagt, jetzt gucken wir auch mal wieder National 11. Wir sind seeeeeehr happy und zugleich sehr stolz ❤️⚽️❤️⚽️❤️
@ abiszet, toller Artikel.
Back to the roots Vier gewinnt!
Dankeeee, Michael!
Klasse wie Nagelsmann die Truppe auffrischt und etwas befreit von dem Bayern-Muff und diesem unsäglichen Platzhirsch-Gehabe. Unsere Jungs haben sich das verdient und hart erarbeitet. Ich würde sogar soweit gehen, dass Anton starten MUSS. Füllkrugs Auftritte im BVB-Trikot sind mir viel zu wenig als, dass er zur ersten Garde gehören sollte. Ich habe ihn statt Fülle “Pralle” genannt, denn das ist was ihm noch am besten gelingt. Der Rest ist wegrutschen, unpräzise Zuspiele und Reklamationen. Das ist eine grosse Chance für Undav, wenn er konstanter wird. Um Mittelstädt kommt Nagelsmann bei einer Viererkette auch nicht herum (wer soll es denn besser machen?) und Führich ist definitiv reif für diesen nächsten Schritt. Wenn nur auf jeder anderen Position im Verein so performt würde wie auf dem Platz…
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