Rückpass
Schreibe einen Kommentar

Meine WM-Lieblingsspieler, Folge 2: Zbigniew Boniek (1978)

Die „Neuneinhalb“, eine zeitgenössischen Erfindung? Von wegen, die gabs schon vor rund 30 Jahren.

Vor 30 Jahren war die Kleiderordnung im Fussball noch nicht so streng wie heute: Heruntergerollte Stutzen, Trikot aus der Hose, das waren Statements, Spieler wie Paul Breitner, Johan Neeskens, Marius Tresor, Sokrates oder Franco Causio wollten schon rein äußerlich ausdrücken: Ich bin was Besonderes.

Ohne Frage außergewöhnliche Fähigkeiten hatte der Pole Zbigniew Boniek. Sein Stern ging 1978 auf, als er im letzten Gruppenspiel zwei Tore zum 3:1-Sieg gegen Mexiko schoß. Da nahm sich dieser schlaksige und schmächtige Kerl einfach den Ball, ignorierte damalige Weltstars wie Lato, Deyna und Szarmach und jagte das Ding aus über 20 Metern ins Netz. Danach schaut er so, „War was?“. Er war ein Freigeist, ein Rebell, er war aufsässig und respektlos. Und so verhielt er sich auf dem Spielfeld – Boniek ließ sich kaum auf eine Position festlegen. Wenn er im Sturm spielte, zog er sich oft ins Mittelfeld zurück und organisierte und führte das Spiel. Wenn er im Mittelfeld aufgeboten war, stieß er oft in die Spitze. Das gefiel mir, Boniek war überall. Regisseur hießen Spieler wie er, Boniek spielte wie Zico, Johan Cruyff oder Teofilo Cubillas aus Peru (fünffacher Torschütze bei der WM 1978). Heute würde man sie wohl „Neuneinhalber“ nennen. Eher unangenehm fand ich den Schnauzer, den Boniek trug. War damals modern, ok, aber ich fand, diese konventionelle Gesichtsbehaarung passte nicht zu ihm, einem Spieler, der auf dem Feld keine Grenzen kannte, der in seiner Spielweise in kein Schema passte. Aber diese Einschätzung teilt Boniek nicht mit mir, er trägt den Schnauzbart bis heute und wird Lech Walesa immer ähnlicher.

1982 ging Boniek zu Juventus Turin, kultivierte ebenfalls die heruntergrollten Stutzen (im Bild mit Brasiliens Josimar bei der WM 86) und holte mit Michel Platini mehrere Meisterschaften und den Pokal der Landesmeister. Juve-Besitzer Gianni Agnelli nannte ihn „Il bello di notte“, den Schönen der Nacht, weil er immer bei Flutlicht-Spielen zu ganz großer Form auflief. Hatte wohl etwas mit seinem Bio-Rhythmus zu tun.

Darf gerne geteilt werden:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.