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Pelle, der Baumeister

Der 5:2 Testspielsieg gegen den FC Valencia gibt einen guten Vorgeschmack, wie Pellegrino Matarazzo nächste Saison spielen möchte und wie es auf und außerhalb des Spielfelds aussieht.

Es ist schon einiges anders an diesem Samstag Nachmittag: Zunächst ist der Fritz-Walter-Weg hinter der Untertürkheimerstraße gesperrt, so dass ein Zugang zum PSV über die Mercedes Straße nicht möglich ist, hoffentlich bleibt das nicht so im ersten Heimspiel gegen Leipzig. Die Eingänge vor der gesamten Haupttribüne sind nicht im Einsatz, nur eine schmale Gasse neben dem Carl-Benz-Center dient gegen Valencia als Zutrittsmöglichkeit. Schon ziemlich verwirrend, so dass selbst der erfahrene kicker-Reporter Goerge Moissidis ein bisschen orientierungslos den Medieneingang sucht und schließlich an einem Art Klohäusle landete, an dem er einchecken musste. Im Stadion bin ich schockiert von diesem Anblick, das müssen wir uns grob anderhalb Jahre anschauen, denn die Erneuerung der Haupttribüne soll erst Ende November 2023 und damit ein halbes Jahr vor EM-Beginn abgeschlossen sein.

Sieht fast schon apokalyptisch aus: Die aufgerissene Haupttribüne.

Das Loch in der Haupttribüne ist wie eine offene Wunde. Es schmerzt dort hinzusehen und ich befürchte, die Baustelle wird in dieser Saison auch etwas mit der Stimmung im Stadion machen. Die Frage ist, wieviele Baustellen es noch im Team geben wird. Das hängt im wesentlich davon ab, wer den VfB noch verlassen wird. Aber Baumeister Matarazzo scheint auf alles vorbereitet zu sein.

Warum bin ich zu dem Testkick gegangen?
Als ich die Karten kaufte, hoffte ich, ich sehe noch einmal Sasa Kalajdzic, Borna Sosa und Orel Mangala. Daraus wurde aus bekannten Gründen nur teilweise etwas: Mangala COVID-infiziert, Sosa zwickts immer noch in den Adduktoren und Kalajdzic muss nach 34 Minuten wegen Kreislaufproblemen ausgewechselt werden. Das erklärt vielleicht auch seinen fahrigen Auftritt, bei dem er in der 10. Minute eine Großchance fast schon hilflos vergibt. Für ihn kommt Neuzugang Juan José Perea, ein unangenehmer Spieler. Für die gegnerische Mannschaft. Er ist giftig, wirft sich leidenschaftlich in Zweikämpfe, zieht Fouls und belohnt sich für seinen engagierten Auftritt mit dem 4:2-Treffer. Aber man muss auch feststellen: Besonders ballsicher ist er nicht und im Kombinationsspiel noch nicht richtig eingebunden.

Aber man hat gesehen, wie der VfB in der Saison spielen möchte: Matarazzo wird wohl mit „seiner” Grundformation 3-5-2 beginnen (zweite Halbzeit über weite Strecken 4-4-2), es wird sehr bissig gegen den Ball gespielt, im Spielaufbau werden nicht selten Diagonalbälle eingesetzt (wie Waldemar Anton beim 4:2), am Ende des Positionsspiels steht nicht mehr die hohe Flanke (was auch während der 34 Kalajdzic-Einsatzminuten so ist). Es wird also schön der Ball flach gehalten, der durch frühes Anlaufen erobert werden soll. Dem Pressing des VfB gegenüber zeigt sich der Tabellenneunte der Primera Division ein wenig sorglos, er muss viele Ballverluste hinnehmen, präsentiert sich danach ungeordnet und kommt kaum in die Zweikämpfe. Das war manchmal sehr naiv, wie beispielsweise beim 2:1 durch Tiago Tomas, der einen Ballverlust und Abstimmungsprobleme zwischen Abwehr und Torwart mit einem gefühlvollen Heber ins leere Tor nutzt.

Wer fällt besonders auf?
Naouirou Ahamada gilt als Gewinner der Vorbereitung. Und seine gute Form ist auch gegen Valencia zu sehen. Dass er giftig im Zweikampf ist, wissen wir. Deutlich cleverer verhält er sich darin zumindest gegen die Spanier. Er hat überdies ein gutes Gefühl für Räume, weiß, wann er rausrücken muss im Pressing und wann er Lücken zulaufen muss. Er versucht die gegnerische Abwehr durch Steckpässe aufzureißen und möchte das Angriffsspiel des VfB spürbar beeinflussen. Das tut auch Silas auf der linken Angriffsseite des VfB. schnell und spielfreudig ist er, agiert völlig ungehemmt, bereitet wunderbar das 1:0 durch Tiago Tomas vor und schießt selbst das 3:1 direkt nach Wiederbeginn. Er ist schon wieder der Alte, wenn es darum geht, die richtige Entscheidung am Ende eines Angriffs zu treffen und den Ball sauber zum Mitspieler zu bekommen. Denn das klappt nicht immer, dennoch ist zu sehen, dass Silas seine zurückliegenden Verletzungen sowohl physisch als auch psychisch nicht mehr einschränken. Der zweite Neuzugang Josh Vagnoman legt ein solides Spiel hin, Einfluss aufs Spiel hat er dagegen kaum.

Ganz im Gegensatz zu Darko Churlinov, der eine Alternative zu Vagnoman ist. Er kommt in der zweiten Halbzeit in Spiel und hat zwei Vorlagen und ein Tor (ein weiteres vergibt er kläglich) auf dem Zettel stehen. Nicht wenige haben ihn schon abgeschrieben, manche dachten, er sei mit dem Kopf schon oder noch auf Schalke. Gegen Valencia macht er einen ganz anderen Eindruck: wach, lauffreudig, seriös, auch wenn er bei zwei defensiven Szenen nicht die beste Figur abgibt.

Bis zur 60. Minute hat Pellegrino Matarazzo genug gesehen und wechselt danach noch fünf Mal, um Clinton Mola, Li Egloff, Enzo Millot, Alou Kuol und Laurin Ulrich die Gelegenheit zu geben, sich zu zeigen. Was eigentlich auch allen gelungen ist. Aber das Spiel wird auf beiden Seiten fehlerhafter und unübersichtlicher, hat kaum noch Wettkampfcharakter. Insgesamt ist es jedoch ein schöner Samstag Nachmittag. Schade, dass nur rund 12.000 Zuschauerinnen und Zuschauer im Stadion waren. Viele Familien und sehr viele kleine Kinder darunter, die mit ihren hellen Stimmen die Mannschaft aber lautstark unterstützen.

Sie haben ein Spiel gesehen, das Spaß machte. Matarazzo hat mit seinem Funktionsteam in der Vorbereitung offensichtlich ein gutes Fundament gelegt. Die Abläufe stimmen, daran werden auch eventuelle prominente Abgänge nichts ändern. Natürlich darf so ein Testkick nicht überbewertet werden, wie wir aus leidvoller Erfahrung wissen. Trotz guter Ergebnisse in der Vorbereitiung – der VfB blieb ungeschlagen – wissen jedoch Matarazzo und Sven Mislintat: Euphorie ist alles andere als angemessen. Schon am Freitag im Pokal wartet ein anderer Gegner als die Sommerkicker aus Valencia. Drittligist Dynamo Dresden wird dem VfB vor allem körperlich deutlich mehr abverlangen.

Was den VfB in Dresden erwartet, konnte man am ersten Spieltag der dritten Liga sehen. Dynamo verteidigte gegen 1860 ähnlich luftig wie Valencia gegen den VfB, gab sich aber trotzdem nie auf.


Das war das Line-up gegen Valencia:

1. Halbzeit:
Mülller – Ito, Anton, Mavropanos – Vagnoman, Endo, Silas – Führich, Ahamada – Kalajdzic (34. Perea), Tomas

2. Halbzeit:
Bredlow – Ito, Anton, Mavropanos (60. Mola), Stenzel – Endo – Churlinov, Ahamada (69. Egloff), Führich (60. Millot) – Silas (60. Kuol), Perea (81. Ulrich)

Zum Weiterlesen:
Die Kaderplanung ist ein echtes Personal-Puzzle und eine Gleichung mit vielen Unbekannten. Wie gut sind Mislintat und Matarazzo im Puzzlen?

Foto:
Matthias Hangst/Getty Images

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2 Comments

  1. Clemens says

    Ja, der VfB hat Erfahrungen mit gelungenen Generalproben und verpatzten Premieren. Aber dennoch war es ein guter Auftritt, der Hoffnung macht, dass der VfB auch in dieser Saison trotz zu erwartender Abgänge wettbewerbsfähig ist und auch dieses Jahr die Klasse hält. Insbesondere das frühe Anlaufen, das sich bis zum Verschieben der Abwehrreihe nach vorne durchzieht, sah gestern sehr vielversprechend aus. Die Abläufe scheinen zu passen und man versucht variabel mit vertikalen Pässen in die Tiefe, wie auch den erwähnten Diagonalbällen Räume zu öffnen und die Schnelligkeit der Offensivkräfte zu nutzen. Dabei haben mir neben einem hoch-effektivem Tomas, ein wieder erstarkter Silas und ein Churlinov mit prima Laufwegen und gutem Blick für seine Nebenleute sehr gefallen. Aber auch Ito hatte gestern einen prima Auftritt: Aufmerksam in der Defensive und eine sehr gute Spieleröffnung zeigen, dass die zurückliegende Saison womöglich nur der Anfang für eine noch größere Leistungssteigerung gewesen sein könnte. Für Mola habe ich mich zudem sehr gefreut, dass dieser in den 30 Minuten einige gute Szenen in der Offensive hatte.

    Wo Gewinner sind, sind zumeist aber auch Verlierer. Und dazu gehören für mich Stenzel, der einen fahrigen Auftritt in der 2. HZ hatte. Aber auch Bredlow sah beim 2:3 alles andere als gut aus. Und Millot, den ich gegen Zürich noch so gut gesehen hatte, blieb gestern recht blass.

    Unterm Strich haben sich die meisten Spieler aber für weitere Einsätze empfehlen können und das Lazarett ist zudem nicht weiter angewachsen. Und u.U. kann der VfB ja vielleicht doch noch auf einen Sasa, Mangala oder Sosa für die anstehende Saison zurückgreifen. Ich freue mich auf jeden Fall auf den Startschuss am kommenden Freitag gegen Dresden.

  2. Elmar says

    Wichtigste Erkenntnis der Vorbereitung, unabhängig von den Ergebnissen, ist, dass ein System erkennbar ist, zugeschnitten auf das vorhandene Personal. Die Aufarbeitung der vergangenen Saison, vom Athletik- bis hin zum Taktikbereich scheint intensiv, aber auch fruchtbar gewesen zu sein. Ist auch zu erkennen, dass bereits ohne Sasa K ein Plan B vorhanden ist. Mit dem sollten wir nicht mehr rechnen, er macht offen den Eindruck: Hauptsache nicht mehr verletzen. Gut ist, dass SM bei der Personalie Churlinov hartnäckig geblieben ist und nicht das erst beste Angebot aus dem Pott angenommen hat. Die hoffen hier immer noch, aber den darf man nicht mehr abgeben. Nach wie vor für nicht gut halte ich die Ausleihe von Sankoh, zumal jetzt mit Kastanares ein weiterer Stürmer ausfällt. Ahamada beeindruckt – wenn er seine aus der Vergangenheit ungestümen Fouls lässt – muss einem nicht bange werden bei einem Abgang von Mangala. Ebenso hat Millot eine gute Entwicklung genommen. Der Plan mit 1 – 2 Jahren Anlauf bei jungen Talenten funktioniert. Und unsere eigenen bekommen auch Einsatzzeiten.

    Dresden wird eine richtig harte Nuss, eine echte Bewährungsprobe. Danach sehen wir weiter.

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