Wann ist der VfB Stuttgart eigentlich zum letzten Mal zu einem Spitzenspiel gereist? Ein tolles Gefühl jedenfalls. Erster gegen Dritter: Auf dem Papier war das Spiel auf der Bielefelder Alm ein echter Gradmesser. Und das sollte auch auf dem Rasen so sein.
Zur Aufstellung: Gregor Kobel hatte seine Blessur aus dem Spiel gegen Fürth auskurieren können, Castro und Wamangituka fielen hingegen aus. Die wichtigste Personalie natürlich: Santi Ascacibar war nicht nur zurück im Kader, sondern auch gleich in der Startelf, um die Alm umzupflügen.
Ein Duell, auf das man sich auch freuen durfte: Holger Badstuber gegen Fabian Klos. Ein Kampf der Giganten: Godzilla gegen King Kong, Rocky gegen Ivan Drago, Apple gegen Android. Dass beide bereits früh eine gelbe Karte sahen, machte die ganze Geschichte noch spannender.
Zum Spiel: Der VfB war in der ersten halben Stunde die bessere Mannschaft und hielt auch physisch gut gegen die engagierten Arminen mit. Die waren jedoch ihrerseits in der Lage, das Spiel zu machen. Und da beide Teams versuchten, das Tempo hochzuhalten, entwickelte sich eine richtig gute Partie, allerdings vorerst ohne große Chancen. Das änderte sich in der 28. Minuten als Ascacibar schön auf Mangala querlegte, der sich allerdings gegen einen Schuss entschied und den Ball zum Bielefelder Keeper Ortega zurückpasste. So sah es zumindest aus.
Je näher der Halbzeitpfiff rückte, desto stärker wurde Bielefeld. So stark, dass in der 38. Minute die verlässlichte Stuttgarter Abwehrkraft retten musste: das Aluminium. Die VfB-Fans waren schon wieder kurz vorm Hartherzinfarkt. Umso mehr als Fabian Klos kurz vor der Halbzeitpause die große Chance zur Führung hatte. Überhaupt Fabian Klos: Gefühlt landete jeder zweite Ball bei ihm, er lieferte sich epische Duelle mit Badstuber und Kempf und hatte zwischendurch noch Luft, um den guten(!) Schiedsrichter Gerach zuzutexten. Aber dazu später mehr.
Beide Teams kamen unverändert aus der Kabine und Bielefeld war auch nach der Pause die Mannschaft, der man den Führungstreffer eher zutraute. Der VfB war vorne einfach zu harmlos. Hamadi Al Ghaadioui, der anstelle von Wamangituka stürmte, bekam kaum Zuspiele und muss sich ziemlich einsam gefühlt haben. Für die vielleicht entscheidende Szene sorgte dann in der 61. Minute natürlich Fabian Klos. Aber vermutlich nicht so, wie er sich das vorgestellt hatte. Im Luftduell gegen Pascal Stenzel fuhr er den Ellbogen leicht aus und sah dafür Gelb-Rot, nachdem er in erste Halbzeit bereits Gelb wegen Meckerns bekommen hatte. Eine ziemliche harte Entscheidung, die man aber vertreten konnte.
Ihr Bester vom Platz aufgrund einer vermutlichen Fehlentscheidung, eine halbe Stunde in Unterzahl: Natürlich nahmen die Bielefelder die Underdog-Rolle an und waren genauso gefährlich wie zuvor. Bis zur 77. Minute. Denn dann traf der für Didavi eingewechselte Gomez zum erlösenden 1:0. Doch während wir uns die Finger auf dem Gomez-Tor-Button wund klickten, wurde der Treffer überprüft – und annulliert. Gomez stand 2,7 Mikrometer im Abseits. Oder auch nicht. Wer will das schon beurteilen bei einer kalibrierten Linie, die so filigran ist als hätte ein Vierjähriger sie gezeichnet?
So näherte sich das Spiel torlos dem Schlusspfiff. Und da kein Terodde in Sicht war, der in der 89. Minute den Siegtreffer hätte erzielen können, wären die meisten VfB-Fans wohl mit einem Punkt zufrieden gewesen. Nicht so Kempf, der starke Förster, der erneut in der Startelf stand, und Hamadi Al Ghaddioui, Codename “Ali G”. Die drei fuhren in der 91. Minute einen Angriff über die rechte Seite, an dessen Beginn ein wunderbarer Vertikalpass von Kempf stand und am Ende tatsächlich das 1:0 für Stuttgart.
Der Rest war Ekstase. Der VfB ist seit 13 Spielen ungeschlagen, hat die letzten vier Partien gewonnen. Tabellenführer mit fünf Punkten Vorsprung auf Platz drei. Auch das hat es lange nicht gegeben – der VfB Stuttgart sorgte dafür, dass seine Fans ungefähr so ins Wochenende starten:
Bielefeld war richtig stark und ein echter Prüfstein in meinen Augen.
Und der VfB?
Alles (noch) nicht perfekt, aber Alles im Allem sieht es gut aus.
Es macht wieder Lust auf VFB-Fußball,
gibt vertrauen auf VfB-Souveränität im Spiel,
macht Freude an der Eleganz der Akteure
und ergibt hoffentlich bald auch viel mehr VfB-Tore.
Vielen Dank an das verantwortliche VfB-Team dahinter.
Sehr gute Leistung, bitte so weiter arbeiten.
1893-Grüße
Thomas Sommerwind