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Ohne Hoeneß wäre der VfB abgestiegen

Ich verbrachte die Zeit im Vorfeld des Relegationshinspiels damit, immer wieder verschiedene Konstellationen durchzugehen, was passieren könnte und ob und wie der VfB darauf reagiert. Ein Szenario wollte ich unbedingt vermeiden: ein frühes Gegentor. Aber mir war klar: Der VfB macht VfB-Dinge, deshalb war ich den gesamten Montag nervös.

Der VfB kassierte das frühe 1:0 durch Sonny Kittel (6. Minute), weil er viel zu passiv ins Spiel ging und vom aggressiven HSV überrascht schien. Der Mannschaft Überheblichkeit vorzuwerfen, würde zu kurz greifen. Sie ahnte zwar, was auf sie zukommt, aber die Beine wurden schwer und der Kopf müde, weil sie bei der komfortablen Führung aus dem Hinspiel wussten: Wenn wir das verkacken, sind wir die Deppen der Nation. Auch das Volksparkstadion war so, wie von Tim Walter angekündigt: sehr laut. Die Zuschauer sorgten für eine mitreissende Atmosphäre. “Da kann man schon mal Angst bekommen”, zeigte sich Sebastian Hoeneß beeindruckt.

Aber offensichtlich hat das Team einen Wachmacher gebraucht: Schon wenige Sekunden nach dem Rückstand hat Chris Führich den Ausgleich auf dem Fuß, den dann Serhou Guirassy machte. Wie? Keine Ahnung. Er verdrehte seinen Oberkörper, verknotete seine Beine, entwirrte sie wieder rechtzeitig, streifte den Ball und drin war er. Das sah aus wie Trick der Ehrlich Brothers, den größten Magiern Europas. Schade nur, dass der Treffer wegen Abseits nicht zählte (17.).

Aber der vermeintliche Gegentreffer machte mit dem HSV etwas: Sie rannten zwar verweifelt an, überzeugt wirkten sie dabei nicht. Der VfB strahlte trotzdem keine Sicherheit aus. Meine Nerven beruhigten auch nicht gerade die gelbe Karte für Dinos Mavropanos und das Torwartspiel von Florian Müller. Kurz vor der Halbzeit wischte er immerhin eine Kopfballhereingabe von Bakary Jatta zur Seite, hinter ihm standen zwei HSV-Spieler, die bereit waren für das 2:0. Das wäre auch eine der Szenarien gewesen, die ich den ganzen Montag durchspielte: Ein Tor kurz vor dem Halbzeitpfiff.

Sebastian Hoeneß findet in der Pause mal wieder die richtigen Worte, stellt taktisch um und verdichtet das Mittelfeld. Nach 48 Minuten ist es Wataru Endo, der mit einem genialen Pass Guirassy in die Tiefe schickt und Enzo Millot wurschtelt dessen Hereingabe zwischen die Beine von Daniel Heuer Fernandes und ins Tor. Nach rund einer Stunde ist es wieder Millot, der zur Stelle ist, nachdem Heuer Fernandes ein Luftloch schlägt. Genau der Millot, der von Bruno Labbadia erst ignoriert und dann öffentlich kritisiert wurde. Er schießt in den acht Wochen unter der Führung von Hoeneß vier Tore, drei davon spielentscheidend. Der Millot, von dem der kicker überzeugt ist, dass er sich mit Undisziplinierten selbst im Weg steht. Ich würde ihn eher als unreif und übermütig bezeichnen, wie man auch an seinem Torjubel in Hamburg sieht. Danach wird heftig gerudelt, dass Schiedsrichter Bastian Dankert nur gelbe Karten verteilt, ist in erster Linie Hoeneß und Mavropanos zu verdanken, die Kittel und Sosa aus dem Boxring nehmen.

Dass Silas noch das 1:3 schießt, nimmt er hoffentlich mit in die neue Saison. In den Relegationsspielen ließ ihn Hoeneß interessanterweise links liegen, dabei hätte man meinen können, er wäre für die offenen Räume des Walter-Balls perfekt gewesen. Aber letztlich hat Hoeneß alles richtig gemacht. Nicht nur in den Relegationsspielen, sondern während seiner gesamten Amtszeit. Er hat gezeigt, was mit dieser Mannschaft alles möglich ist.

Ohne Hoeneß wäre der VfB abgestiegen.

Zum Weiterlesen:
Unsere Würdigung von Wataru Endo und seine Bedeutung für den Klassenerhalt: Die Mensch-Maschine

In unserem Text „Ein Auge blau“ haben wir Zweifel, an der „sehr harten“ Analyse, die nun gemacht werden soll. „In den letzten zwölf Monaten wurden zu viele Fehler gemacht: handwerklich, aber auch organisatorisch, kommunikativ und emotional.”

Stuttgart.International meint, „so einseitig wie die Ergebnisse auf dem Papier aussehen, ist das Duell der beiden Traditionsvereine aber nicht verlaufen“

Bild:
Maja Hitij/Getty Images

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9 Kommentare

  1. Fritz sagt

    Die letzten Spiele zeigen vor allem auch eines: die Mannschaft kann/muss sicher an manchen Positionen verbessert werden (Torwart, Back-Up Stürmer…), sie ist aber zu guten, wenn nicht sehr guten, Leistungen fähig, wenn ein Trainer ein überzeugendes Konzept hat, das er vermittelt und einübt. Genau daran haperte es in der Vergangenheit, egal ob die Trainer Labbadia, Materazzo, Walter, Weinzierl oder sonstwie heissen. Seit der Meistersaison unter Veh hat das praktisch nie mehr so richtig funktioniert. Bei Hoeness habe ich zum ersten Mal wieder Hoffnung.

  2. soundzecke sagt

    Hoeneß ist eine Granate, hoffentlich macht er federführend die Transfers.
    Ich wünsche mir einen spiel- und kampfstarken Achter, mit Karazor werde ich mich nie anfreunden können.
    Du bist schon ein kleines Nervenbündel gell.
    Euer Tweet über den schönen Hansi ist Weltklasse.
    Danke für die erstklassigen Artikel.

  3. Hobbycamper sagt

    Sehr guter Kommentar von euch, ich habe mich in vielen Passagen wiedergefunden. Es hat nur noch gefehlt, dass ein Fabian Wohlgemuth wieder feststellt, dass man von der Wucht des HSV überrascht war.
    Es ist offenbar einfach die VfB-DNA in wichtigen Spielen ein frühes Gegentor zu kassieren. Warum kann die Mannschaft ihre Möglichkeiten – die sicherlich vorhanden sind – nicht von der ersten Minute an auf den Platz bringen ? Warum muß man immer erst in Rückstand geraten bis die Mannschaft aufwacht und dagegen hält. Es ist mir unverständlich.
    Auch das mit Silas sehe ich wie ihr, wollte ihn SH irgendwie “erziehen” ? Gab es da einen Vorfall ? Es war zumindest mehr als auffällig wie er einige andere Spieler in den beiden Spielen vorgezogen hat.
    Ein Wort noch zu Schiri Dankert, ich habe schon lange keinen Referee mehr gesehen der zunächst so einseitig gepfiffen hat. Die Hamburger durften von Anfang an am Trikot ziehen, es gab noch nicht einmal einen Freistoß, dann macht der erste Vfbler (Dinos) das auch und kassiert sofort die gelbe Karte. Bei 2 Klärungsversuchen seitens des VfB wo eindeutig erkennbar der Ball gespielt wird, gibt es Freistoß für den HSV und jeweils gelbe Karten gegen den VfB. In meinen Augen war Dankert mit dem Spiel absolut überfordert und hat später versucht mit vielen gelben Karten das ihm aus den Händen geglittene Spiel wieder einzufangen. Warum schafft es der DFB nicht in so einem Spiel auch einen seiner besten Schiris (Aytekin, Brych, Dingert) einzusetzen ?

  4. Marcus Fichter sagt

    Selbstkritik ist nicht so Wehrles Kernkompetenz, deshalb wird er die Labbadia-Verpflichtung in seiner schonungslosen Analyse als zu diesem Zeitpunkt beste Option verkaufen. Damit sieht er sich wieder aus der Verantwortung. Was für ein selbstgefälliges Ar……. !

    Schauen wir mal, was sich so im Sommer alles tut. Wer welche Sau durchs Dorf treibt und der betreffende Spieler dann doch nicht kommt. Mit wem man gar nicht gerechnet hat und der plötzlich verpflichtet wurde. Traditionell tu ich mir das ganze Transfergedöns nicht an. Da ist mir meine Zeit/Urlaub/Erholung zu wichtig !
    Ich werde mal Mitte August schauen, was sich so getan hat und dann werde ich auch hier wieder meinen wertlosen(vollen ? ) Senf dazugeben.

    Auch ich habe jetzt Sommerpause und das solltet ihr euch auch eine gönnen !

    Viel Spaß, allen eine schöne Urlaubszeit und dann in alter Frische wieder zu Saisonbeginn!

  5. Clemens sagt

    Man nimmt irgendwann gar nicht mehr wahr, wie man zum Zweck-Pessimisten mutiert, einfach weil der VfB einem kaum eine andere Wahl lässt und man Enttäuschungen vermeiden möchte.

    Das frühe 1:0 durch Kittel war eine Bestätigung dessen, dass man in der Mannschaft vielleicht geahnt hat, dass der Beginn des HSV stürmisch bis turbulent werden könnte, aber so richtig präpariert schien man trotzdem nicht zu sein. Aber zur Wahrheit gehören dann auch die Comeback-Qualitäten des VfB – und ein Trainer, der in der Halbzeit den Schwachpunkt auf der rechten Seite defensiv erkannt hat und durch Umstellungen beheben konnte. Mavropanos hatte in der 1. HZ extreme Probleme gegen den wendigen Dompé, sah Gelb und wurde folgerichtig ausgewechselt. Anton hat anschließend gegen Dompé ein tolles Spiel gemacht und im Grunde genommen bereits im Hinspiel den Laden hinten sehr souverän zusammen gehalten. Für mich gemeinsam mit Millot einer der beiden konstantesten Spieler dieser Relegation.

    Guirassy hatte diesen einen genialen Moment bei dem leider nicht gegebenen Tor und konnte zudem durch den Assist für Millot bestätigen, weshalb man mit den kolportierten 9 Mio. Euro Ablöse einen sehr guten Transfer getätigt hat. Aber auch einige andere haben – vielleicht ohne so ganz auffällig zu agieren – eine gute Leistung über beide Spiele gegen die Hamburger gezeigt.

    Leider wird es einen großen personellen Aderlass bei den Abgängen von Leistungsträgern geben, den ich (auch auch auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen) durch Fabian Wohlgemuth nicht kompensierbar sehe. Mir fehlt die Vorstellungskraft, dass ein Fabian Wohlgemuth außerhalb der 2. Bundesliga ein Netzwerk besitzt, dass uns auch mal ein dänisches, slowakisches oder – ja, sagen wir es ruhig – französisches Talent beschert. Wir zehren also in dem anstehenden Transferfenster von den “low hanging fruits” bei den Spieler Verkäufen, die noch von Mislintat verpflichtet worden sind. Die Kiste mit dem “deutschsprachig” mache ich jetzt nicht auf, aber allein dass so etwas diskutiert wurde, ist für mich hochgradig befremdlich. Dass Wohlgemuth zudem nicht so eine Rampensau wie Mislintat ist, geschenkt. Aber inhaltlich haben seine Interviews dann doch häufig ein wenig Fremdschäm-Charakter. Damit passt er aber zumindest in die semi-professionelle Außendarstellung des VfB mit Wehrle, die derzeit nur von Hoeneß positiv beeinflusst wird.

    Ich mache sehr erleichtert unter diese Relegation einen Haken, aber das Gefühl der Hoffnung auf eine positive Wende zur neuen Saison stellt sich irgendwie noch nicht bei mir ein.

    • MicMa sagt

      Ich denke wir sollten einfach erstmal machen lassen. Warum geben wir in Stuttgart niemandem Zeit in den Job hineinzuwachsen und sich stetig zu steigern? Wehrle hat in Köln einen guten Job gemacht. Mit wenig Mitteln etwas gutes herausgeholt. Er steht voll und ganz zum Verein. Köln ist in der Mitte der Bundesliga angekommen. Wehrle holt sich jetzt in Stuttgart Kompetenz von aussen und damit ein grosses Netzwerk und eine relativ objektive Sicht. Alles hat jahrelang gefehlt. Diese Kompetenz und dieses Netzwerk muss sich Wohlgemut noch besser für sich nutzen. Natürlich wird es mit einem zugedrehten Geldhahn nicht einfacher. Wehrle sollte und muss kein Liebling der Nation sein. Er schaltet einen kleinen Sonnenkönig in die Schranken. Das war wichtig. Auch wenn ich die Sichtweisen von Mislintat super finde. MV haben viele nicht geliebt. Aber nur durch seine Weitsicht und gutes Netzwerk und Rhetorik konnte er Klasse nach Stuttgart lotsen. Lieblinge der Nation sind für mich immer Weichmacher und Scheinheilige. Also lasst mal machen. Das wichtigste ist, dass alle im Management sich gut verstehen und an einem Strang ziehen. Wir als Fans müssen demütig und entspannter sein. Für mich war der wichtigste Aspekt in den letzten Jahren, dass der Klüngel und nicht vorhandenes Management von Hitze herausgekehrt wurde und mehr nachhaltiges Management vorhanden ist. Die Basis steht. Jetzt muss das sportliche nachrücken. Dazu benötigt es auch jemanden mit Weitsicht und gutem Gespür für Spieler und der Gesamtsituation. Der sich traut junge Spieler mit Potential und einer Menge Siegeswillen aufzustellen. Hitze und Mislintat hatten schon immer gesagt, dass alle in und um den Verein dem kleinen Pflänzchen Zeit geben müssen. Ich hoffe es gibt viel Sonne, Wasser und gute Nährstoffe. Alles in der richtigen Mischung.

  6. Bacardihardy sagt

    Bester Trainer seit langem.
    Hoffentlich bleibt er dem VfB noch lange erhalten.

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