Die letzten Wochen glichen einem Tennismatch. DFL-Präsidium, Clubs, Presse und Fans lieferten sich einen end- und atemlosen Ballwechsel bestehend aus Statements, Artikeln, TV-Shows, Tweets und Bannern. Und gerade als alle dachten, der fünfte Satz würde in den Tiebreak gehen, kam am Mittwoch Nachmittag die überraschende Meldung:
Das DFL-Präsidium hat den Deal mit einem möglichen Investoren aka strategischem Vermarktungspartner gestoppt. Das kommt auch dem VfB sehr entgegen, hat er doch in dieser Sache weder in der Kommunikation mit seinen Mitgliedern und Fans noch in der öffentlichen Debatte ein besonders gute Figur abgegeben.
Erst stimmt der VfB im Dezember durch seinen Vertreter Alex Wehrle mit „Ja“ für den DFL-Deal, ohne vorher dieses Votum auf eine möglichst breite Basis gestellt zu haben. Mit dem Fan-Ausschuss wurde der Deal zwar besprochen, aber man ging auseinander, ohne einer Meinung zu sein. Dann wagte Präsident Claus Vogt im Februar auf seinem Privataccount in den sozialen Medien den Vorstoß, die Abstimmung im Sinne der “Demokratie und Transparenz“ zu überdenken. Eine “erneute transparente Abstimmung aller 36 Vereine“ würde nach Meinung von Vogt die Fan-Interessen ernst nehmen und könnte dazu beitragen, die Situation in den Stadien zu beruhigen
Aus den gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen hörte und las man zwar, dass Vogt den VfB im Vorfeld über sein Statement informiert haben soll. Begeistert davon schien der Club allerdings nicht gewesen zu sein, jedenfalls sagte die Veröffentlichung auf der VfB-Webseite in vielen Worten – nichts. Vor allem auch gar nichts, wie der VfB zum Vorstoß von Vogt stand. Dass der VfB nun die Entscheidung des DFL-Präsidiums gut heißt, kommt ziemlich heuchlerisch rüber.
“Wir begrüßen diese nachvollziehbare Entscheidung des DFL-Präsidiums, die uns alle, die wir den Fußball lieben, wieder zusammenkommen lässt. Nun gilt es die Rückschlüsse aus den vergangenen Wochen zu ziehen und hieraus eine von möglichst allen mitgetragene Basis für eine… pic.twitter.com/SEljD9AKLa
— VfB Stuttgart (@VfB) February 21, 2024
Denn Alexander Wehrle sagte in verschiedenen Interviews, dass er erneut mit „Ja“ stimmen würde, sollte es zu einem zweiten Voting kommen. Anstrengungen des VfB mit seinen Mitgliedern in den Dialog zu kommen, gab es kaum, von der Ankündigung eines Dunkelroten Tisches einmal abgesehen. Was hat man sich dabei erhofft? Glaubte man, die Mitglieder und Fans damit überzeugen zu können, wenn man ihnen der Deal “schlüssig” erklärt? Das wäre kein wirkliches Gesprächsangebot gewesen und zeigt, dass der VfB kein ehrliches Interesse an der Meinung seiner Mitglieder hatte. Sonst wäre er kommunikativ auf seine Mitglieder VOR der Abstimmung zugegangen.
In bräsigen Sonntagstalks und im Boulevard wird sicher wieder von der „Macht der Ultras“ gefaselt werden. Dabei haben einige Umfragen ergeben, dass sich die Ablehnung des DFL-Deals durch alle Fan-Bereiche zieht und eine Mehrheit abbildet. Überdies gilt: “Mitsprache ist Teilhabe und Teilhabe ist Teil unserer Gesellschaft und das hoffentlich noch lange“, wie Benni Hofmann in seinem kicker-Kommentar schreibt. Und diese Teilhabe sollte durch 50+1 gewährleistet sein und nicht durch eigenmächtiges Vorgehen von Club-Chefs und geheime Abstimmungen unterlaufen werden.
Die Vereine und die DFL sollten daraus lernen, um Schaden vom deutschen Fußball zu nehmen: Intransparentes Vorgehen, inakzeptables Verhalten nach Gutsherren-Art und ignorante Kommunikation funktionieren nicht (mehr), auch wenn das schmerzlich ist für Aki Watzke und Kollegen. Das DFL-Präsidium hat versucht, auf dem scheinbar einfachsten Weg, neues Geld für die Liga zu bekommen, ohne sich dabei den unangenehmen Fragen wie fehlender Spannung und ungerechter Geldverteilung zu stellen. Dieser Versuch ist krachend gescheitert.
Bei so tiefgreifenden Veränderungen reicht es nicht, die Buzz-Words „Digitalisierung“ und Internationalisierung“ zu nennen und dabei überhaupt keine Phantasie und keinerlei Mut in der Umsetzung zu zeigen. Bei dünnen Argumenten und Konzepten ist das Vertrauen gering, mit so großen Summen etwas Vernünftiges anzustellen – zum Preis der möglichen Einflussnahme eines Investors. Denn genug Geld ist im Markt, beim Wirtschaften damit haben viele Vereine ihre Inkompetenz offenbart. Manche haben ihr künftigen TV-Einnahmen bereits verkauft.
In Zukunft müssen die Fans und Mitglieder der Vereine mitgenommen werden. Ehrlich und offen in den Prozess integriert werden. Auf Augenhöhe und ergebnisoffen. Die gewählten Repräsentanten der Clubs müssen ihrer Verantwortung gerecht werden und die Interessen ihrer Mitglieder vertreten. Die Vereinsvertreter des VfB waren seit der Abstimmung im Dezember unsichtbar – bis auf Claus Vogt mit seinem Statement, das vermutlich alles andere als unwichtig war – wenn auch viel zu spät. Das Prinzip 50 + 1 mit Leben zu erfüllen durch konkretes Handeln wurde nicht umgesetzt und hat dazu geführt, dass der Protest so massiv wurde und das Vertrauen in die Vereinsvertreten schwand. Dass der Deal von der DFL in letzter Minute gestoppt wurde, ist dann letztlich pures Glück für den VfB und die anderen 35 Clubs.
In der Mercedesstraße sollte man die Zeit bis zur nächsten Diskussion dieser Art (und die wird kommen!) nutzen, um einen Prozess zu entwickeln, der es ermöglicht, möglichst schnell und unkompliziert ein Stimmungsbild seiner Mitglieder zu erhalten.
Zum Weiterlesen:
Benni Hofmann mit einem Kommentar im kicker, in dem er unter anderem die “Taskforce Zukunft Profifußball“ ins Spiel bringt.
Die Süddeutsche Zeitung spricht von einem “völlig vermurksten Verfahren. Dass jetzt die Reißleine gezogen wurde, war alternativlos.“ In einem zweiten Text meint die SZ: “Ein Festhalten an den Gesprächen mit CVC hätte Schaden angerichtet: Für die Geschäftsfähigkeit und das Ansehen der DFL sowie der Klubs, für den Verhandlungspartner.“
Spiegel Online kommentiert, „die DFL hat so gerade die Kurve bekommen“.
Sehr interessant: Das Rasenfunk-Tribünengespräch mit einer Einschätzung des Deals, der nicht zustande gekommen ist, aus Sicht von Finanzjournalisten.
Bild: Matthias Hangst/Getty Images
Nur um Euren Punkt zu unterstützen: ich bin kein Ultra und “trotzdem” komplett gegen diese Investor-Idee.
Ariane Hingst hat ja in “hart aber fair” die Meinung vertreten, es sei nur eine Frage der Kommunikation, man müsse halt miteinander reden, danach könne dann trotzdem jeder Verein tun, was er wolle…genau dieselbe Haltung, die Ihr von Wehrle beschreibt. Das zeugt von gewaltiger Hybris, von Missachtung demokratischer Prinzipien und von Desinteresse an allen, die nicht der eigenen Meinung sind (also bei den handelnden Personen auch nicht wirklich überraschend). Insofern ist es in der Tat dringend nötig, Regeln aufzusetzen, damit solche Dinge nicht mal mehr ansatzweise passieren können.
Mmmmhhhh, sagen wir mal so, es lief sicher beiderseits nicht optimal. Trotzdem werden „wir“ um wettbewerbsfähig bleiben, Gelder von Aussen brauchen.
Treffender Kommentar hab ich irgendwo auf X gelesen:
Einerseits Harry Kane für 100 Millionen feiern, andererseits Investoren ablehnen.
Meine grösste Sorge ist derzeit weniger die DFL, als mehr dass Bayern unseren Trainer abzieht 🙈
Treffender Kommentar, hahe ich irgendwo auf X gelesen:
“100 Millionen für Kane ausgeben und neues Geld fordern” ;-)
Wobei der Kane-Vergleich wie auch “Warum protestieren die Fans nicht gegen Vereins-Investoren wie Porsche” am Thema total vorbei ist.
Sorge wegen Hoeneß?
Wie bei Guirassy: Wenn er wechseln will, dann wechselt er. Wir können es sowieso nicht beeinflussen
[…] Game, Set, Match. – Vertikalpass […]
Interessante Infos, meinen Dank dafür.
Vieles davon war mir wegen räumlicher Entfernung so nicht wirklich klar.
Das ständige “Mehr” an Geldbedarf nimmt inzwischen Ausmaße ein,die ein alter Mann wie ich eher als obszön empfindet und so gar nicht nachvollziehen kann. Natürlich sollen Spieler ordentlich entlohnt werden, aber inzwischen scheint es dafür gar keine Grenzen mehr zu geben.
Was natürlich daran liegen kann,dass es schlicht zu viel Geld auf diesem Planeten gibt und die Gier offensichtlich kein Ende findet. Daher erinnere ich mal daran,dass besagte Gier doch eine der Todsünden in unserem so gerne aufgerufenem “Wertesystem” darstellt. Halte deshalb auch die Verteilungssysteme eingenommener Fernsehgelder -ebenso wie die der vorgesehenen “Investoren”- lediglich für eine Art Fortschreibung einer bestehenden Ordnung zu Gunsten einiger weniger Vereine,die damit das Aufkommen praktisch jeder Konkurrenz durch Ausverkauf besagter Konkurrenz festschreiben wollen. Letztlich das Ende eines auch nur halbwegs fairen Wettbewerbs und langfristig das Ende dieses Sports.
Ok, dies wird die Masse der Zuschauer,die zu einem “Event” gehen statt zum Sport wohl nicht wirklich beeinflussen. Sehe ein,dass ich da wohl schlicht zu altmodisch bin.
[…] sie will und nicht, was der e.V. anweist. Das haben die Kollegen vom Vertikalpass schon ausführlich getan. Natürlich wird der VfB in der Mitgliederversammlung der DFL von der AG vertreten. […]