… ein Rassemann, der Ohlicher!
Alexander Wehrle sagte auf einem der diversen Empfänge im Rahmen des Auswärtsspiels bei Real Madrid, in denen der VfB die Champions League und sich selbst feierte: „Ohne Euch, unsere Legenden, wären wir nicht hier!“. Der VfB-Boss sprach dabei direkt Hansi Müller an, und Guido Buchwald, Timo Hildebrand, Sami Khedira und Cacau, die nach all’ der Scheisse auch mit auf die Reise gingen. Unzweifelhaft eine VfB-Legende ist auch Hermann Ohlicher, der heute Geburtstag feiert.
Von 1973 bis 1985 trug er das Trikot mit dem Brustring. Insgesamt 459 Mal in allen Wettbewerben. Damit ist er nicht nur ein Klassemann, sondern auch der Rekordmann des VfB. 157 Tore schoss er und wird dabei lediglich übertroffen von Karl Allgöwer (164). Ohlicher kam erst mit 23 Jahren zum VfB. Er war Diplom-Ingenieur, schrieb Computerprogramme und hätte bei AEG-Telefunken anfangen können in der Forschungsabteilung.
Anstatt dessen schrieb er Geschichte beim VfB.
Er schoss in seiner ersten Saison erst einmal 17 Tore, in seinem ersten Spiel den Schalke 04 gleich mal drei. Danach gings direkt ins „Aktuelle Sportstudio“. 1974 stand er mit dem VfB im Halbfinale des Uefa-Cups gegen Feyenoord Rotterdam und stieg 1975 in die zweite Liga ab. Er hatte erneut 17 Tore geschossen und hätte überall hingehen gehen. Er galt als kommender Nationalspieler und die Königsblauen aus dem Ruhrgebiet wollte ihn unbedingt verpflichten, warfen mit Geld um sich. Ohlicher blieb.
Er spielte mit seinem VfB zwei Jahre in der zweiten Liga in Pirmasens, Völklingen, Baunatal, Bayreuth, Hof und Reutlingen (nix gegen Reutlingen!). Nach Platz 11 in der ersten Saison folgte der Aufstieg 1977. Ohlicher war Teil des 100-Tore Sturms mit Dieter Hoeneß und Ottmar Hitzfeld. Er führte das Team als Kapitän aufs Feld, an ihm konnten sich alle orientieren, er gab den Ton an – auch wenn dies seinem Sturmkollegen Hitzfeld nicht gefiel.
Hätte man zu seiner Zeit die Laufleistung bereits gemessen, er wäre immer der Laufstärkste gewesen. Wahrscheinlich war er der erste polyvalente Spieler in der Bundesliga. Für seine Position gibt es bis heute keine Bezeichnung, denn er tauchte überall auf, wo es wichtig war: Als Sechser, als Achter, als Zehner, als Mittelstürmer, als Innenverteidiger, als Außenstürmer – und das innerhalb eines Spiels. Pep Guardiola würde das heute wahnsinnig machen. Ohlicher beeinflusste jedoch auf seine Art mit seiner Vielseitigkeit und Spielintelligenz das Spiel des VfB entscheidend.
Als einer der wenigen VfB-Spieler bekam er einen eigenen Gesang:
“Oh-Oh-Ohlicher, ein Klassemann, ein Rassemann, der Ohlicher!” Würde man heute vor allem sprachlich wohl nicht mehr machen. Heute bleibt ein Spieler auch nicht mehr so lange bei seinem Verein (Ausnahmen bestätigen die Regel), was zu der Erkenntnis führte, dass kein Spieler größer ist als der Verein und die einzige Konstante die Fans sind. Ohlicher ist jedoch eine der Persönlichkeiten, die den VfB erst so groß gemacht hat.
Ohlicher sollte noch heute Gesicht und Identifikationsfigur des VfB sein.
Er hat eine Zeit geprägt, die einerseits vom internationalen Geschäft, zum Abstieg 1975 und über den Aufstieg 1977, der Vizemeisterschaft 1979 bis zur Meisterschaft 1984 führte. Andererseits war er der Führungsspieler, der die ersten „Jungen Wilden“ zusammen mit Dragan Holcer und Roland Hattenberger unterstützte und überhaupt erst möglich machte. Er hat Spuren beim VfB hinterlassen und das Selbstverständnis mit entwickelt, sowohl oben mitzuspielen, stets international vertreten zu sein – und dabei eine offensive, mutige Spielweise zu zeigen. Alles Faktoren, die den VfB über lange Zeit ausgezeichnet haben, die über ein Jahrzehnt verloren gingen und jetzt wieder unter Sebastian Hoeneß stilprägend sind.
Von 1986 bis 1990 arbeitete er als Sportdirektor im VfB-Management, von 2016 bis 2021 war er Mitglied es Aufsichtsrat der VfB AG.
Heute feiert Hermann Ohlicher seinen 75. Geburtstag – herzlichen Glückwunsch!
Zum Weiterlesen:
In unserer Rubrik „vp History“ findet Ihr noch weitere Porträts von Legenden der VfB-Geschichte.
Im Interview mit 11Freunde nannte Hermann Ohlicher als Faktor für die Meisterschaft 1984 mit schwäbischem Unterstatement “ein weit überdurchschnittliches Mittelfeld mit mir, Karl Allgöwer, Guido Buchwald und Asgeir Sigurvinsson.“
Bild:
Imago
Wie ja schon bekannt, bin ich (auch) einige Jahrzehnte VfB Fan. Mein Vater ging mit mir in den 80iger Jahren zu einem Testspiel. Ich damals natürlich sehr jung, sehr ehrfürchtig mit sehr großen Augen und enormen Respekt für den VfB – war geradezu sprachlos als mein Vater sich sehr lange nach dem Spiel mit Hermann Ohlicher unterhalten hat. Er war so nahbar, „normal“ und ohne jegliche Allüren. Mich bewegt es noch heute, wenn ich drann denke und wünsche mit einem Danke für dieses Fannahe Erlebnis: Alles Liebe und Gute zum Geburtstag 🍀