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Der VfB-Rekordtorschütze

Ottmar Hitzfeld ist Deutschlands erfolgreichster Vereinstrainer, Welttrainer 1997 und 2001, deutscher Meister, Pokalsieger, er gewann die Champions League für Bayern München und Borussia Dortmund. Aber was machte Hitzfeld, bevor er einen beigen Trenchcoat trug, „Der General“ genannt wurde und sich von Karlheinz Rummenigge sagen lassen musste, Fußball sei keine Mathematik?

Er spielte drei Jahre beim VfB Stuttgart.

Hitzfeld sagte von sich selbst, dass er alles andere als unberechenbar war und “ein eher durchschnittlich begabter, aber sehr schneller Stürmer“ gewesen sei, “der die 100 Meter in 11,7 Sekunden laufen konnte. Läuferisch war ich als ehemaliger Leichtathlet generell stark, konnte gut dribbeln und hatte vor dem Tor gute Nerven.“

Das brachte ihn geradewegs ins Estadio Santiago Bernabeu im damaligen UEFA-Cup gegen Real Madrid. Denn 1971 wechselte er vom Amateurligisten FV Lörrach zum von Helmut Benthaus trainierten FC Basel. Basel hielt gegen die Königlichen gut mit, schied aber nach zwei 1:2-Niederlagen gegen den großen Favoriten in der ersten Runde aus.

Für die Olympischen Spiele 1972 in München wurde Hitzfeld für die deutsche Auswahl nominiert. Der damals 23-Jährige spielte unter anderem mit Manni Kaltz und Ronnie Worm, stürmte an der Seite von Uli Hoeneß und traf in sechs olympischen Turnierspielen fünf Mal. Der spätere Bronzemedaillen-Gewinner DDR stoppte die Auswahl der BRD mit einem 3:2 in der Zwischenrunde. Die Tore für den Gastgeber schossen Hoeneß und Hitzfeld und in dem Südbadener reifte die Erkenntnis, in der Bundesliga mithalten zu können.

Doch es sollte noch fünf Jahre dauern bis er in der höchsten deutschen Spielklasse ankam. Hitzfeld hatte nach Olympia zwar Angebote aus der Bundesliga, auch der FC Bayern München war dabei, aber er rechnete sich aus, dass er dort wenig spielen würde. Er schloss sich anstatt dessen 1975 dem VfB an, der gerade in die zweite Liga abgestiegen war. In der ersten Horror-Saison im Unterhaus (Platz 11) war Hitzfeld sogar noch eine Konstante und schoss immerhin elf Tore.

Hitzfeld hatte nicht nur auf dem Feld den richtigen Riecher, er wusste schon 1975, dass der Stuttgarter Osten kommt und stellte folgende Gleichung auf: “Ich hatte eine schöne Dachgeschoss-Wohnung in Stuttgart-Gaisburg, die im Sommer zu heiß und im Winter zu kalt war und ich habe mich sehr wohl gefühlt.”

Die Gesichter der begeisternden Aufstiegssaison 1976/1977 waren neben Hitzfeld der brave Torwart Helmut Roleder, der temperamentvolle Jürgen Sundermann, der schussgewaltige Bernd Martin, der Treter mit dem Engelsgesicht Karlheinz Förster, der hölzerne Libero Dragan Holcer, der ewige Poster-Boy Hansi Müller, der Schwabenpfeil Dieter Hoeneß und der zuverlässige Hermann Ohlicher. Wobei sich Hitzfeld und der Kapitän nicht immer grün waren. Trainer Sundermann moderierte die Rivalität der beiden und brachten ihnen bei, dass es nur zusammen geht. Der Wundermann vermochte es, die Aufgabe mit jeder Menge Unbekannten in der neuformierten Mannschaft hervorragend zu lösen.

Der 13. Mai 1977, ein besonderer Tag für Ottmar Hitzfeld:
Der VfB gewann 8:0 gegen Jahn Regensburg, Hitzfeld schoss sagenhafte sechs Tore. Dieter Müller gelang dieses Kunststück in der Saison 1977/1978 für den 1. FC Köln in der Bundesliga gegen Werder Bremen, selbst für Rekordtorschütze Robert Lewandowski war diese Aufgabe unlösbar. Und heute? Sogar für Serhou Guirassy wäre es zu schwierig. Hitzfelds letzter Treffer war zugleich das 100. Saisontor des VfB. Mt 22 Kisten trug er den größten Teil dazu bei, neben Ohlicher (15) und Hoeneß (13), auch Linksverteidiger Markus Elmer traf zweistellig (11).

So sah die Aufstellung bei Hitzfelds Rekord-Spiel aus:
Helmut Roleder – Bernd Martin, Karlheinz Förster, Dragan Holcer, Markus Elmer – Hansi Müller, Bernd Schmider, Hermann Ohlicher (59. Helmut Dietterle) – Ottmar Hitzfeld, Dieter Hoeneß (46. Harald Beck), Klaus-Dieter Jank.

Hitzfeld blieb nach dem Aufstieg noch eine Saison beim VfB, absolvierte 22 Bundesligaspiele und schoss fünf Tore. Danach ging‘s auch wegen gesundheitlicher Probleme zurück in die Schweiz.

Seinen Platz in den Geschichtsbüchern des VfB hat Hitzfeld nicht nur wegen seiner sechs Rekord-Tore gegen Regensburg. Im Meisterschaftsjahr 2007 sagte er vor der Begegnung seiner Bayern gegen den VfB: „Den VfB überholen wir sowieso!“, was natürlich eine Steilvorlage und ein kleines bisschen Motivation war, gegen den FC Arroganz zu gewinnen. Ergebnis: 2:0, 2x Cacau. “Ich hatte den VfB eigentlich nicht auf der Rechnung und war mir sicher, dass wir vor dem VfB landen werden. Aber der VfB war zu stark für uns und die anderen Mannschaften“, gab Hitzfeld nach dem letzten Spieltag zu. “Sie haben die Nerven bewahrt, guten Fußball gespielt und sich taktisch fexibel präsentiert. Deshalb ist Stuttgart für mich ein würdiger Meister.“ Danke, Ottmar.

Als studierter Mathematik-Lehrer wird es Hitzfeld gefallen, dass man in Deutschland geradezu besessen ist von Zahlen, Daten und Statistiken rund um das Spiel. Vielleicht ist Fußball doch Mathematik.

Heute feiert Hitzfeld seinen 75. Geburtstag.
Herzlichen Glückwunsch!

Zum Weiterschauen:
Die Sportschau-Zusammenfassung des 8:0 in 1:53 Minuen mit allen Toren und Kommentar von Helmut G. Müller

Zum Weiterlesen:
In unserer Rubrik “vp-History” haben wir prägende Spieler, Trainer und Spiele aus der VfB-Geschichte zusammen gefasst.

Bild:
Imago

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5 Kommentare

  1. Hedelfinger sagt

    Super, vielen Dank für den Text. Es bringt solch schöne Jugenderinnerung hervor, da muss ich mich jetzt doch auch mal einloggen. Das 8:0 gegen Regensburg war nämlich mein erster Besuch im Neckarstadion. Damals als die Rote noch eine Mark fuffzig kostete, haha. Ich finds doch immer wieder interessant, wie schnell man bei grossen Fussballern vergisst, wo sie eigentlich aufgestiegen sind. Man sieht das grade auch bei Wataru Endo in Liverpool — jetzt wo er dort einschlägt, behandeln ihn die LFC fans, als ob er schon immer dort war und sie ihn erst entdeckt hätten. Und so war es bei Otte irgendwie auch… als der dann mal beim BVB und dann bei den Bayern auf der Bank sass, hat man eigentlich nie wieder was von seiner glorreichen VfB Vergangenheit gehört.

  2. @abiszet sagt

    Lieber Hedelfinger, herzlichen Dank für Deine Worte und schön, dass der Text Jugenderinnerungen hervor gerufen hat: Wow, Du warst beim historischen 8:0 dabei!
    Die Frage ist: Hat die Rote für 1,50 damals besser geschmeckt als die heutige?

    • Hedelfinger sagt

      @abiszet das ist ne gute Frage. Also ich glaube nichts übertrifft die Erinnerung an die Rote als 10-jähriger Bub mit grossen Augen (und knurrendem Magen) im Stadion, aber die heutigen Stadionwürste geben schon auch noch was her. Solange der VfB gewinnt, ist mirs eigentlich Wurst, haha.

  3. Roland K. sagt

    In der Saison 76/77 gabs auch für mich ein nettes Erlebnis. Spielte gerade in der Stadionhalle und fragte in der Halbzeit draussen einen Fan auf der Gegengerade ,wie das Spiel VfB-Waldhof stünde. Antwort 1:3 und es seien noch gut 5 Minuten zu spielen. Nach meiner 2.Halbzeit fragte ich auf dem Parkplatz noch Fans,wie das Spiel denn ausgegangen sein und erhielt zu meiner freudigen Überraschung die Antwort 4:3.

  4. Andreas D. sagt

    Nachträglich herzlichen Glückwunsch zum 75. ! In der Saison 76/77 begannen auch für mich die Live-Erlebnisse mit dem VfB und das Spiel gegen Regensburg war das letzte Heimspiel dieser Saison. Ottmar Hitzfeld hatte maßgeblichen Anteil an den 100 Toren dieser Spielzeit, die mit dem Wiederaufstieg in die 1. Bundesliga endete. Gedanken an diese Zeit wärmen mir Herz und Seele.

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