Die spielfreie Zeit ist eine schwierige Zeit. Ständig springen Selbstvermarkter, Wichtigtuer und Egozentriker wie Plettigoal oder Fabrizio Romano einem mit dem nackten Arsch ins Gesicht. Darauf steht dann immer ein Gerücht oder gar ein „done deal“. Zuletzt mussten wir uns mit Deals beschäftigen, die Abgänge zur Folge haben: Hiroki Ito, Waldemar Anton und Serhou Guirassy, auch wenn es noch am Gesundheitscheck hängt. Jetzt schlägt Fabian Wohlgemuth zurück und verpflichtet Ermedin Demirovic für 21 Millionen plus Boni.
Ein Risiko-Transfer, denn er ist eine Wette auf die Zukunft und signalisiert, dass der VfB sich mit einem Platz im Mittelfeld in der nächsten Saison offensichtlich nicht zufrieden geben möchte und dafür bereit ist, sich in eine finanziell anspruchsvolle Situation zu begeben.
Demirovic wird damit zum Rekordtransfer des VfB und ist doppelt so teuer wie der bisherige Rekordhalter Nico Gonzalez (2018). Das sind ganz neue Dimensionen beim VfB, auch wenn der Transfer das aktuelle Preisniveau widerspiegelt: Wenn man sich zum Beispiel den Wechsel von Joshua Zirkzee anschaut, der für 40 Millionen nach Manchester United geht, nachdem er in der zurückliegenden Saison für den FC Bologna 16 Scorer (elf Tore, fünf Assists) sammelte.
Demirovic kommt auf immerhin 24 Scorerpunkte (15 Tore, neun Vorlagen). Ich habe in der Vergangenheit wenig vom FC Augsburg gesehen, aber natürlich ist bei mir sein Statement nach dem Hinspiel in Stuttgart hängen geblieben: „Ich bin noch nie so hergespielt werden. Noch nicht mal von Bayern München“. Wenn er auf dem Platz genauso auftritt wie vor den Mikros, wäre es mir recht. Aber wir haben gesehen, dass er Dinge auf den Punkt bringen kann und macht damit einen besseren Eindruck vor den Kameras als Waldemar Anton, der in etwa so eloquent ist wie das EM-Maskottchen Albärt.
Der VfB zeigt mit dem Transfer: Wir gehen voll ins Risiko, investieren Einmaleinnahmen wie die Champions League-Gelder und die rund 60 Millionen aus den Verkäufen von Ito, Anton und Guirassy direkt in den Kader. Auch wenn allen klar sein muss, dass sich eine Saison wie die letzte nicht wiederholen lässt.
Nur logisch gewesen wäre es, wenn der VfB aufgrund der Erfahrungen der Vergangenheit (Hashtag „#ChampionsLeague-Falle“) demütig vorgegangen wäre: Tim Kleindienst (28) wäre ein typischer Transfer gewesen. Zwölf Tore, drei Vorlagen letzte Saison sind nicht die schlechtesten Werte, der Heidenheimer wechselte jedoch für 7,5 Millionen nach Gladbach. Demirovic ist deutlich kostspieliger als Kleindienst, bei vergleichbaren Eigenschaften: beide Führungsfiguren, zuverlässige Scorer und Mentalitätsspieler in ihren Teams.
Es scheint so, als würde Demirovic perfekt zu Deniz Undav passen, die sich auch privat verstehen sollen. Wenn denn die Weiterverpflichtung von Undav klappt. Er würde Demirovic gleich als VfB-Rekordtransfer ablösen. Und das wäre der zweite Risiko-Transfer des VfB, durch die Gehälter und die Vertragslaufzeit mit einem bisher nicht gekannnten Volumen.
Ein enormes Wagnis. Sollten sich die sportlichen Erfolge nicht einstellen, könnte der VfB auf Jahre finanziell angeschlagen sein. Wir kennen das von Horst Heldt. Wollen wir hoffen, dass die Transfers von Wohlgemuth besser funktionieren als einst Personalien wie Ewerthon, der Rumpelrusse Pogrebnyak, Yildiray Bastürk und Ciprian Marica.
Das kann man natürlich auch alles ganz anderes sehen: Ist die Verpflichtung von Demirovic nicht vielmehr ein Statement-Transfer?
(Photo by Claudio Villa/Getty Images)
In den letzten zehn Jahren kamen und gingen viele Spieler. Anläßlich unseres zehnjährigen Blogiläums haben wir unsere besten Texte in einem 68 Seiten starken Vertikalmagazin zusammen gefasst. Es sind nur noch wenige Exemplare der limitierten Auflage da. Es lohnt sich also, schnell zu sein.
[…] schönes Pro und Contra verfasst und fragt, ob das jetzt ein Statement-Transfer oder ein Risiko-Transfer […]