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Der Fight Club

Arbeitssiege, dreckige Siege, glückliche Siege: Dafür steht der VfB nicht unbedingt. Aber der VfB zeigt in dieser Saison sowieso Qualitäten, die man mit ihm traditionell eher nicht in Verbindung bringt. Neben Spielfreude und intelligenter Spielauffassung vor allem Widerstandsfähigkeit, Leidenschaft, Einsatz und unbedingten Siegeswillen. Dafür gibt es keinen Schönheitspreis in Darmstadt, aber drei Punkte. Wenn man oben bleiben möchte, muss man auch einen nicht gerade schönen und eher unverdienten Sieg mitnehmen, zumal in Unterzahl.

Hektisch und hitzig ging es am Böllenfalltor zu. Spätestens nach der ziemlich uncleveren gelb-roten Karte von Pascal Stenzel war klar: Das Feinfüßige und Samtpfotige war nicht gefragt in Darmstadt. Dass der VfB das Kampfspiel demütig annahm, den Schwerpunkt aufs Kämpferische legte und zeitweise sogar Befreiungsschläge einstreute, zeigt die Reife der Mannschaft. Denn sind wir ehrlich: In der Vergangenheit hätte irgendein Darmstädter mindestens den Ausgleich reingewürgt und man hätte gesagt: „Schon ok, wir sind zwar Dritter und die Letzter, aber wir waren sehr lange in Unterzahl“. Der VfB wäre mit weniger zufrieden gewesen, auch gegen einen vermeintlich schwächeren Gegner. Die Selbstzufriedenheit stand den Spielern meistens im Weg. Das Team hatte jedoch in Darmstadt verstanden: Wenn Du schon nicht gut spielst, dann müssen die Basics auf den Platz.

Denn nach dem vermeintlichen Ausgleich durch Marvin Mehlem (16.) und der Unterbrechung durch die Fan-Proteste verlor der VfB völlig seine Souveränität. Brillant hatte der VfB bei den Lilien bis dahin keineswegs agiert, aber er ist in Führung gegangen durch Serhou Guirassys 18. Saisontor. Darmstadt bespielt danach immer wieder die Schnittstellen in der Abwehr, Waldemar Anton bei einer Rettungsaktion beinahe mit einem Eigentor und Fabian Bredlow verhinderte mit einer prächtigen Parade eines der handverlesenen Tore des ausgeliehenen Luca Pfeiffer.

Auch in der zweiten Halbzeit erwies sich der Tabellenletzte als hartnäckiger Gegner. Aber Sebastian Hoeneß hatte umgestellt und stabilsierte mit Josha Vagnoman die Defensive. Natürlich konnte der VfB in Unterzahl nicht anlaufen wie sonst, auf Gegenpressing wurde völlig verzichtet und die Mannschaft stand recht tief. Konfus oder kopflos trat der VfB jedoch nicht auf, sondern erlaubte dem Gegner nur wenige Torgelegenheiten. Wir sahen ein Team, das im Kollektiv den Sieg mit Zähnen und Klauen verteidigte, das fightete für die drei Auswärtspunkte. Auch der grazile Enzo Millot warf sich in den Infight, ließ sich nichts bieten und zirkelte dann einen feinen Ball an den Pfosten, den Mo Dahoud schließlich zum 0:2 einschob. Dass Millot nicht von Anfang an spielte, verwunderte.Sein Einfluss auf das Spiel des VfB ist enorm, einerseits natürlich seine spielerischen Lösungen, andererseits aber seine Widerstandsfähigkeit in Zweikämpfen und sein Talent beim Ballklau.

Natürlich war es ein ziemliches Gewürge, vor allem nach vorne oft fahrig, wir sahen wenig Links-Rechts-Kombinationen. Aber auch wenn der VfB zeitweise wegen der Unterzahl angeschlagen wirkte, k.o. ging er nicht. Was einerseits der Formstärke von Anton und Nebenmann Hiroki Ito zu verdanken ist, andererseits der mangelnden Offensivkraft des limitierten Gegners. So blieb der VfB stabil und aufrecht im Ring von Darmstadt und wurde kurzfristig zum Fight Club mit eisernen Regeln:

Regel 1: Ihr verliert kein Wort über die Champions League.
Regel 2: Ihr verliert KEIN WORT über die Champions League.
Regel 3: Auch wenn der Schiri schlecht ist, beklagt Euch nicht.
Regel 4: Wenns spielerisch nicht geht, dann kämpferisch.
Regel 5: Es kämpft jeder für jeden.

Zum Weiterlesen:
Stuttgart.International fordert auch Millot in der Startelf und meint, „wenn dich feindselige Einheimische schon am Ortsschild mit provozierenden Gesten empfangen und du hinterher froh bist, dass der Mannschaftsbus unbeschadet auf der Heimfahrt ist, schmeckt ein Auswärtsdreier besonders süß“

Die Süddeutsche Zeitung sieht eine erstaunliche Entwicklung: “Die Elf vollzieht gerade im etwas kleineren Maßstab und natürlich auch auf etwas tieferem Niveau das nach, was in Leverkusen passiert: Die Künstler entwickeln offenkundig eine große Lust daran, miteinander und füreinander zu kämpfen.“

Beim letzten Auswärtsspiel gegen Darmstadt schrieben wir „Bölle, Borna, Ballbesitz“ und beschwerten uns über die brotlose Kunst des Walter-Balls.

Bild:
Kirill Kudryavtsev/AFP

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5 Kommentare

  1. Clemens sagt

    Tobias Welz hatte keinen unerheblichen Einfluss auf den gestrigen Spielverlauf. Gjasulas Brutalo-Foul gegen Stiller blieb ungeahndet, Stenzels angebliche Verzögerung eines Freistoßes wurde hingegen mit Gelb bestraft. Kurz gesagt: Restriktiv bei Kleinigkeiten, ignorant bei markanten Verstößen. Und selbst für das Handspiel von Polter brauchte er Unterstützung des VAR, obwohl er direkt daneben stand. Eine richtig schlechte SR Leistung.

    Um so wichtiger, dass die Mannschaft einigermaßen ruhig geblieben ist (Ausnahme Leweling bei seiner Karte wegen Meckern). Die Viererkette war dabei der Garant für den Erfolg. Auch Ito, der zuletzt einen eher schweren Stand gegen Leverkusen hatte, war wieder in gewohnt guter Verfassung unterwegs. Mit Silas, einem Form verbesserten Guirassy und demnächst vielleicht endlich mal treffsicheren Jeong wird die Mannschaft wieder mehr offensive Alternativen besitzen. Defensiv können wir eh schon sehr gut auf Ausfälle wie von Zagadou oder Rouault reagieren.

  2. Konny sagt

    Krass wie die Darmstädter faul sind und wir kriegen rot. Die erste gelbe Karte für Stenzel für mich so gar nicht nachvollziehbar. Der Schiri hatte wohl noch ziemlich Karneval in den Knochen.

    Warum hat Millot eigentlich nicht begonnen? Was für ein Spieler, unglaublich! Ihm hätte ich so sehr ein Tor gegönnt.

    Auch Bayern verliert beim Treterclub aus dem Pott und wir verkürzen den Abstand. Vielleicht ist das neue Ziel: Vizemeister 😂

    Puuuh, was für ein Spiel, ich freu mich so ⚽️🍀⚽️🍀

  3. Hobbycamper sagt

    Die erste gelbe Karte von Stenzel habe ich nicht verstanden, die zweite geht in Ordnung und damit verbunden leider Gelb/Rot. Insgesamt hatte Welz überhaupt keine Linie, für Kleinigkeiten gibt er Gelb, böse bis sehr harte Fouls belässt er vor allem in der ersten Hälfte gegenüber Darmstadt ohne Verwarnung. Sehr unangenehm fiel hier Darmstadts Nr. 23 auf der mindestens 2x sehr ordentlich zulangte.
    Ganz sprachlos war ich dann bei 8 Min. Nachspielzeit ! Für was bitte ? In der zweiten Hälfte gab es die eine und andere Verletzungsunterbrechung, 3-4 Min. hätte ich unterschrieben, aber 8 Min. – warum ?

  4. drhuey sagt

    Wieder ein wichtiger Meilenstein im Reifeprozess der Mannschaft. Schön zu sehen, dass sie mittlerweile das Tempo bzw. den Handlungsdrang des Gegners durch Ballbesitz mitbestimmen können. Was mir auffällt, ist auch, dass die Mannschaft lebt wie lange nicht. Da wird auf dem Spielfeld gecoacht und kommuniziert und auf der Bank sitzt keiner teilnahmslos herum. Das gefällt mir ausserordentlich gut, da ich glaube, nur so findet ein Team auf dem Platz geeignete Lösungen. Nicht 11 Freunde müsst ihr sein, sondern 11 Leader, die Verantwortung übernehmen und auch für die Fehler der anderen einstehen (frag’ nach bei Anton). So langsam riecht’s nach Europa – ein starkes Argument für die Enzos und Guirassys. Sich mit einem eingeschworenen Team auf der europäischen Bühne zu präsentieren, kann auch eine smarte individuelle Strategie sein.

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