Die Spiele des VfB sind zäh geworden. Auch wenn immer wieder die Spielfreude zu sehen ist – der jugendliche Leichtsinn, dieses „keinen Kopf“ machen, ist ein bisschen verloren gegangen. Weil in der ersten Halbzeit die Überlegenheit nicht in Tore gewandelt wurde, konnte die Hertha mit einem „Kacktor“ (Sasa-Voice) einen Punkt retten.
Wirklich überzeugend oder gar furchterregend traten die Berliner nicht auf. Mit Matheus Cunha und Matteo Guendouzi haben sie zwar zumindest optisch zwei auffällige Akteure in ihren Reihen, aber die beiden wirken zu eitel und zu sehr mit sich selbst beschäftigt, als dass sie dem Berliner Spiel spürbare Akzente geben könnten. Weder positiv noch negativ fiel Santi Ascacibar auf. Hat er überhaupt ein Foul begangen? Ist er in Berlin womöglich zahm geworden? Zur Story des Spiels wurde natürlich die Rückkehr von Sami Khedira gemacht. Außer einer glücklichen (und so nicht gewollten) Vorlage auf Torschütze Luca Netz und sehr stabilen Auftritten vor den Fernsehkameras waren die 30 Minuten alles andere als weltmeisterlich.
Punkt in Stuttgart. Muss Hertha so aufgrund des Spielverlaufs glücklich mitnehmen. Die Leistung hatte keinen Zähler verdient, der VfB es vorher zumachen müssen. Ein schöner Moment für Netz, mehr positives bleibt eigentlich nicht. Das wird eine lange Restsaison. #VfBBSC #hahohe
— Marc Schwitzky (@junger_herr_) February 13, 2021
Das hebe ich mir auf. #VFBBSC pic.twitter.com/q32WuXyJ6f
— Jakob Uebel (@deruebeltaeter) February 13, 2021
In der VAR-Lotterie gewann der VfB dieses Mal. Ein wahrlich enges Hösle, irgendwie fand der Kölner Keller noch ein Körperteil eines Berliners, so dass Sasa Kalajdzic nicht im Abseits stand. Wie diese Szene bewertet wurde, darüber hätte sich Mario Gomez bei seinem „Hattrick“ in Sandhausen gefreut. Wären wir der City Club, wäre unsere Empörung sicher big gewesen.
Trainer Pellegrino Matarazzo hatte durch seine Aufstellung die linke Seite überlagert: Mit Borna Sosa und Erik Thommy machten dort gleich zwei Spieler mächtig Alarm, während rechts der gehypte Silas alleine seine Seite bearbeitete und gegen Maximilian Mittelstädt weitgehend wirkungslos blieb. Ein, zwei Ansätze gab es für seine gefürchteten Sprints, mehr nicht. Natürlich machte es wieder Spaß, Orel Mangala zuzusehen, wie er scheinbar nicht vom Ball zu trennen ist und auch auf engstem Raum und bei vielen Gegegnspielern den Ball und die Übersicht behält. Wataru Endo ist der bessere Ascacibar, weil er ganz unabhängig von seinem Antizipationsverhalten und seiner Pressingresistenz (ist a bissle schlechter geworden) auch versucht, Struktur ins VfB-Spiel zu bringen. Gefährlich seine Schnittstellenbälle und, hey, in der 8. Minute hatte er sogar nach Doppelpass mit Kalajdzic das 1:0 auf dem Fuß! So überlegen der VfB in der ersten Halbzeit auftrat, so passiv und harmlos blieb er in der zweien Halbzeit. Hertha brannte alles andere als ein Feuerwerk ab, der VfB verteidigte das zwar solide weg, aber er strahlte eine gewisse Sorglosigkeit aus. Offensichtlich dachten sie beim VfB, Stuttgart sei viel schöner als Berlin. Erstaunlich: Über Spielergenerationen hinweg liegt dem VfB der Verwaltungsmodus nicht, das ist selten gut gegangen.
Das Spiel gegen Berlin gibt uns eine Idee, wie die nächste Duelle gegen Köln und Schalke laufen könnten. Der VfB bekommt den Ball, Silas hat nicht den Raum, den er braucht (außer bei Umschaltmomenten) und es wird darauf ankommen, dass der VfB seine Torchancen nutzt. Hinten kann immer ein krummer Ball reinfallen, siehe 1:1 von Hertha. Dazu bringt sich der VfB selbst in unnötige Gefahr, durch unsauber gespielte Pässe und Unsicherheiten, wenn die Abwehrspieler angelaufen werden.
Diese Spiele werden ein enges Hösle werden, mit lautem Hurra und großem Glanz wird der VfB sie nicht gewinnen, siehe Hinspiele. Wie überhaupt der Klassenerhalt oder zumindest ein sorgloses Saisonfinale trotz desolater Schalker, elf Punkte Vorsprung auf Mainz und mindestens acht Zähler auf den Relegationsplatz (Bielefeld hat noch zwei Spiele zu bestreiten) noch eine enge Kiste werden kann.
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RALPH ORLOWSKI/POOL/AFP via Getty Images
Ja, die Leichtigkeit ist weg. Die vielen unglücklichen Spielausgänge der vergangenen Wochen haben scheinbar ihre Spuren beim VfB hinterlassen. Längere Spielabschnitte, ja ganze Halbzeiten in Passivität oder Hilflosigkeit häufen sich. Die Punkteausbeute spricht eine deutliche Sprache.
Aber auch in einer solchen Phase sieht man die Spieler mit Rückgrat, auf die sich der Trainer jetzt und auch in der kommenden Saison verlassen kann: Kobel, Anton, Kempf, Endo, Mangala, Sosa und Kalajdzic. Die Einwechslungen waren bislang ein großes Faustpfand und Zeichen für eine gute bzw ausgeglichene Kaderqualität. Dieses Prädikat geht dem VfB allerdings gerade verloren und damit auch die Option, Spiele gegen Ende noch einmal zu drehen. Wie muss sich Matarazzo in diesem Kontext fühlen, wenn sich derzeit seine Einwechslungen in Person von Didavi, Coulibaly, Klimowicz oder auch seine Startelf nominierten Kicker wie Bredlow oder Karazor komplett ohne Wirkung zeigen oder – schlimmer noch – patzen? Im Fall von Didavi dürfte der auslaufende Vertrag vermutlich nicht verlängert werden. Auch Karazor und Kaminski dürften keine allzu große Perspektive mehr beim VfB besitzen.
Bis Saisonende dürfte das Ziel Klassenerhalt somit noch einmal ein “enges Hösle” werden. Zu sehr ist man scheinbar von den Genie-Streichen eines Silas oder Gonzalez abhängig gewesen, benötigte man die Übersicht und Ruhe eines Castro in der Zentrale. Ob Thommy im Saisonendspurt das Zünglein an der Waage wird, Silas noch einmal aufdrehen kann und Gonzalez sich gebührend aus Cannstatt verabschiedet? Wir werden sehen.