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Kein „weiter so“, aber auch wenig Konkretes

Wir kennen das: Knallharte Analysen werden beim VfB nach Saisonende eigentlich immer gemacht. Natürlich immer umfangreich, umfassend und selbstverständlich auch schonungslos.

Wie ist das dieses Mal?

Wir haben uns die Verlautbarung des VfB genauer angesehen und versucht zu strukturieren in Problem, Ursache, Lösung, Ziele, denn das geht beim auf der Webseite veröffentlichten Text ein bisschen durcheinander.

Als erstes Problem wurde identifiziert:
„Im Kern geht es darum, wie wir unsere Defizite in puncto Leistungskonstanz, Effektivität und Widerstandsfähigkeit abbauen.”

Die Ursache sieht der VfB in der fehlenden „mannschaftlichen Reife.“ Bedeutet das, dass der VfB verstärkt auf erfahrene Spieler setzen möchte? Erfahrung hatte der VfB doch eigentlich genug im Kader mit beispielsweise Pascal Stenzel oder Genki Haraguchi. Aber es fehlt wohl an Qualität oder die erfahrenen Spieler passen eben nicht zu den Vorstellungen von Trainer Sebastian Hoeneß.

Der Lösungsansatz liegt laut VfB „erstens in der taktischen Arbeit und zweitens natürlich bei der Kaderentwicklung in den kommenden Transferperioden.“ Aha. Und konkret?

Als zweites wesentliches Manko nennt der VfB:
„Wahrscheinlich ist keine Mannschaft in der Liga so weit wie wir unterhalb der eigenen Möglichkeiten geblieben. Es gibt beispielsweise deutliche Unterschiede zur Konkurrenz, wenn es um die Effizienz vor den beiden Toren geht.“

Richtig: Die Jungs aus Cannstatt hätten statistisch betrachtet 47 Punkte sammeln müssen, verbucht wurden allerdings nur 33 Zähler. Und in der Defensive kassiert man fast schon traditionell trotz gutem Personal zu viele Gegentore.

Und wie sieht die Lösung aus? „Hier müssen wir deutlich zulegen“ – das ist ja mal kreativ. Und wie? Das geht wohl nur, wenn der VfB Qualität dazu holt. Mehr Qualität als bisher im Kader vorhanden ist. Hier wird das Statement konkret: „Wir wollen mehr Selbstorganisation auf dem Platz, eine Mannschaft, der es beständiger gelingt, am eigenen Limit zu spielen.“

Man kann diese Aussage so interpretieren wie Riky, mit dem ich auf Twitter darüber diskutierte:

Die Achse besteht im Moment aus Waldemar Anton, Wataru Endo und Serhou Guirassy. Ein stabiler Torhüter sollte auch dazu gehören, hier hat der VfB Handlungsbedarf. Das könnte auch bedeuten, dass der VfB nach Führungsspielern sucht. Das kann teuer werden und risikoreich, wenn der Spieler womöglich sein Leistungszenit überschritten hat. Aufwendiger und zeitintensiver ist es, Führungsspieler selbst zu entwickeln. Bestes Beispiel beim VfB: Wataru Endo. Der Japaner ist in seinen vier Jahren beim VfB gewachsen und unverzichtbar geworden.

Als übergeordneten Lösungsansatz sieht der VfB:
„Zukünftig wollen wir die im Kader vorhandene Qualität länger halten und gleichzeitig das Risiko bei eigenen Verpflichtungen herunterfahren.“

Klingt gut, aber welcher der anderen 35 Profi-Clubs würde das nicht wollen?
Und was bedeutet das konkret? Ist „Risiko bei eigenen Verpflichtungen herunterfahren“ die Umschreibung für (bundesliga-)erfahren, deutschsprachig, wenig Entwicklungspotential? Vorhandene Qualität länger im Club zu halten ist vor allem eine Geldfrage. Wer kann sich das außer Bayern München überhaupt leisten? Durch den Porsche-Einstieg hat sich die grundsätzliche Situation des VfB nicht signifikant verbessert. Auch künftig werden wie zuletzt die vermeintlich Besten verkauft werden müssen: Gregor Kobel, Nicolas Gonzalez, Orel Mangala, Sasa Kaljdzic und jetzt wohl Dinos Mavropanos und Borna Sosa. Also reines Wunschdenken bei der knallharten VfB-Analyse?

VfB-Boss Alexander Wehrle geht sogar noch einen Schritt weiter:
„Wir wollen in den kommenden Jahren wieder mehr Wert darauf legen, unsere Mannschaft um einen Kern von Profis zu bauen, die über Jahre beim VfB spielen und sich über ihren Vertrag hinaus mit unserem Club und der Region identifizieren.“

Ist das die Lösung der Probleme der letzten beiden Jahre, als bis zuletzt um den Klassenerhalt gekämpft wurde? Ist das nicht sogar Populismus? Und wenn Wehrle auf die Vertragslaufzeiten seiner Spieler schaut, dann stellt er fest: Borna Sosa ist bereits fünf Jahre beim VfB, bei Endo, Silas, Ata Karazor, Stenzel und Fabian Bredlow sind es vier, Anton und Mavropanos sind seit drei Jahren Wahlschwaben.

Die Frage ist: Was tut der VfB eigentlich, damit sich ein Spieler in Verein und Region verliebt? Anderswo sind die Gehälter höher und die sportlichen Aussichten rosiger. Bei Sosa scheint es dennoch gelungen zu sein: Er spricht von Stuttgart als seiner zweiten Heimat und hat lukrative Angebote bereits abgelehnt. Aber er will trotzdem den nächsten Schritt gehen. Romantisch ist es von Wehrle auf jeden Fall. Auch mein Vater hat sich immer gewünscht, dass alle VfB-Spieler ewig in Cannstatt bleiben. Und das war in den 80er und 90er Jahren! Aber heute? Eher unrealistisch.

Ein großes Problem hat der VfB festgestellt, aber es in seinem Statement nicht aufgeführt, mit Fehlerkultur hat der VfB seit jeher so seine Probleme:
Die fehlende Sportkompetenz im Vorstand. Der CEO traf sportliche Entscheidungen, was beispielsweise in der Personalie Labbadia fast zum Abstieg geführt hätte.

Die Lösung: „Alexander Wehrle hat dem Aufsichtsrat der VfB Stuttgart 1893 AG in dessen letzter Sitzung die Berufung eines Sportvorstands empfohlen. Diesem Vorschlag ist der Aufsichtsrat gefolgt.“ Alexander Wehrle sagt: „Trotz des geglückten Klassenerhalts bin ich davon überzeugt, dass wir uns kein „Weiter so“ beim VfB leisten können und unsere Situation eine andere Struktur erforderlich macht. Ich bin dem Aufsichtsrat sehr dankbar, dass er meiner Initiative gefolgt ist, die für mich der Kern meiner Analyse war. Meine Zuständigkeit für den Sport war von Anfang an als Übergangslösung vorgesehen“.

Das ist so nicht richtig. Noch im Juli 2022 sagte er: “Wir werden auf keinen Fall einen externen Sportvorstand implementieren”, was aber sicher auch mit der Personalie Sven Mislintat und den damals bevorstehenden Vertragsverhandlungen zusammen hing. Auch wenn die Einsicht verspätet kommt: Es ist gut, dass Wehrle sich auf seine Stärken konzentrieren kann. Die neue Partnerschaft mit Porsche und MHP zeigt, wo diese liegen.

Drei neue Scouts wurden darüber hinaus verpflichtet, leider ohne über deren Tätigkeitsspektrum zu informieren: Wie lautet die übergeordnete Scoutingstrategie? Wie stark ist Trainer Hoeneß involviert? Wo scouten sie? Nach welchem generellen Profil scouten sie?

Das aktuelle VfB-Statement ist immerhin weit mehr als das zur Analyse der vorletzten Saison. Dennoch bleibt Vieles im Unklaren und einige Statements lassen zu viel Interpretationsspielraum. Aber es sind auch einige Dinge enthalten, an denen man die VfB-Verantwortlichen messen kann. Man kann nur hoffen, dass die knallharte Analyse 2023 bessere Konsequenzen hat als die von 2022.

Zum Weiterhören:
Bei SWR Leute gibt Heidenheims Frank Schmidt interessante Einblicke in die Trainerarbeit beim Bundesligaaufsteiger und erläutert seine Sicht der Dinge auf Fußballbusiness und mehr.

Bild: Christian Kaspar-Bartke/Getty Images

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5 Comments

  1. Phil says

    Ein Wahnsinn, an Plattitüden nicht zu toppen, diese knallharte Analyse.

  2. soundzecke says

    Wischi Waschi in Reinkultur. Aber so ists halt wenn man nur Schönredner an der Spitze hat.
    Und ich bin mir immer sicherer, dass diese Transferperiode so richtig gruselig wird.

  3. Konny says

    Insgesamt passiert ja schon was. Bei den Frauen wurde sehr stark in Köln geplündert und das Frauenteam verstärkt. Der Porsche Deal war mehr als respektabel und die insgesamten Erkenntnisse fühlen sich zumindest nicht falsch an.

    Bei den knallharten Analysen geht es ja (auch) um Fehler und Personen der Vergangenheit. So gesehen kann ich es jetzt schon soweit nachvollziehen, dass man die Dinge vorsichtig formuliert.

    Solange es bei den üblichen Verdächtigen keine Angebote gibt, wird man außer dem Torwart nicht nachjustieren. Ich hoff allerdings sehr, dass sie nicht auf Horn von Köln kommen… Unser Kader ist ja ohnehin extrem voll.

    Ich mach´s wieder wie bei Labbadia, ich meckere erst hinterher und schau erst mal, was alles noch passiert… dass das jetzt alles nicht soooo einfach zu regulieren ist vor allem mit den Abgängen, kann ich mir vorstellen. Wünschen würde ich mir persönlich, dass Sankoh und Faghir den Durchbruch schaffen.

    Vielleicht ist es in dieser Transferperiode ja wie mit Porsche. Lange, lange, lange, lange, sehr lange kam gar nix, wir haben maximal gemeckert und dann zauberten sie die eierlegende Wollmilchsau aus dem Hut. Würde es uns allen wünschen, dass es auch mit den Transfers so läuft :-) Ich ziehe das “Unzitat des Jahres” aus dem untersten Regal, vielleicht sollten wir uns entspannen ?
    😶‍🌫️

  4. Bacardihardy says

    Sehr guter Artikel
    Wenig Konkretes passt gut
    Eloquent ist Fabian Wohlgemuth
    Jetzt muss man als VfB Fan einfach mal vertrauen, dass die Verantwortlichen die richtigen Transfers tätigen und das Geld richtig einsetzen
    Jetzt würde ich mal ein paar Mio für einen richtig guten Torwart investieren
    Und zusätzlich Konkurrenz in der Defensive verpflichten
    Vorne neben Silas und Guirassy den Nachwuchs ins kalte Wasser werfen
    Und durchstarten
    Bin positiv gestimmt wenn so kommt
    Auf Jeong würde ich verzichten
    Da hat man genug eigene Nachwuchsalternstiven

  5. Bacardihardy says

    Die ausgemusterten Profis Handanovic Inter Mailand , Tor, und Bonucci Juventus Turin , Abwehr, verlängern ihre Karriere beim VfB Stuttgart, Quelle: Fabrizio Romano , der mit den Transfers tanzt im Sommer
    Beide erhalten einen Porsche 911 ihrer Wahl für ihre Ehepartner und die goldene BreuningerCard

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