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Mein Herz tanzt

Ein echtes Statement: Nach zwei verlorenen Spielen einen Champions League-Teilnehmer dominiert und Borussia Dortmund beim 2:1 wie einen Abstiegskandidaten aussehen lassen.

Ich habe quasi das gesamte Wochenende vor und nach dem Spiel gegen Dortmund mit einem Schalke-Fan verbracht. Dabei habe ich verstanden, wie wichtig ihm ein VfB-Sieg gegen die Schwarzgelben ist und wie gut es dem VfB im Vergleich zu S04 geht. Die Fans der Knappen denken sogar darüber nach, ob es keine so schlechte Idee wäre, Clemens Tönnies wieder in den Verein zu holen. Das wäre in etwa so, als ob wir uns Wolfgang Dietrich als Präsident zurück wünschen würden.

Am Freitag hatte ich mich noch lustig gemacht über die Partie der Schalker gegen Elversberg. Nach dem VfB-Spiel war mein Schalke-Freund natürlich gut auf mich zu sprechen, zufrieden war er nicht: „Aber hör’ ma, Ihr müsst die Bienen doch mit 5:1 aus dem Stadion schießen!“. Da hat er Recht. Dortmund mit einem desolaten Auftritt, 22:5 Torschüsse wies die Statistik nach dem Spiel aus, die Gelegenheiten von Chris Führich, Jamie Lewelig, Deniz Undav und Enzo Millot vereitelte alle der großartige Gregor Kobel, wobei insbesondere die Schüsse von Leweling als Rückgaben getarnt waren.

Verunsicherung nach den zwei Liganiederlagen gegen Hoffenheim und in Heidenheim?
Davon war nichts zu sehen. „Wir wussten, dass die Dortmunder nach der dritten englischen Woche hintereinander schwere Beine haben würden“, sagte Trainer Sebastian Hoeneß und spielte auf einen Teil seines Matchplans an: Die Dortmunder zu stressen. Nach jedem Ballverlust ging der VfB ins Gegenpressing, unnachgiebig, immer aggressiv drauf, ließ die Borussia nie zur Ruhe kommen. Dadurch erlangte der VfB die Spielkontrolle.

Der VfB überzeugte mit Passicherheit, Passgenauigkeit und Raumaufteilung, bei Ballbesitz bewies er Geduld, in Umschaltbewegungen zeigte er Spielfreude. Alles sah so leichtfüßig aus, als ob die Spieler des VfB über den Platz schweben würden, während die Dortmunder knöcheltief im Rasen zu stecken schienen. Der VfB hatte einen Plan, Dortmund hatte keine Energie.

Ich musste das Spiel in Frankfurt in einer schmuddeligen sky-Bar in Bahnhofsnähe anschauen, 13 Gäste waren anwesend, fünf davon VfB-Fans. Irritierend allerdings, dass die anderen vier VfB-Fans (die ich nicht kannte) jubelten, als Hoffenheim in Augsburg in Führung ging. Mühsam war, dass zusätzlich zum sky-Kommentar Musik lief. Cutting Crew, The 4 Non Blondes, Meat Loaf, Loona. Ich verstand dadurch den Kommentar nicht, sah aber, dass der VfB wirklich „Bailando” mit dem BVB spielte. Mittendrin tänzelte Millot, gegen Dortmund war gut seine Bedeutung fürs VfB-Spiel zu sehen, sein Einfluss ist enorm.

Der Soundtrack in der sky-Bar absolut passend, als „Mein Herz tanzt“ von Mia aus den knarzigen Lautsprechern kam. Das Spiel des VfB anzuschauen, einfach eine große Freude, es geht wirklich ans Herz, wie sich dieses Team unter der Führung von Hoeneß verwandelt hat. Deren Auftritt wurde noch nicht einmal knarzig als das völlig lächerliche 0:1 durch Niklas Füllkrug fiel, nachdem Dan-Axel Zagadou kurz den Körperklaus machte und die Hereingabe von Julian Ryerson durch die Beine flutschen ließ.

Nach den vielen brillant herausgespielten Torchancen nutzte Undav sechs Minuten nach dem Rückstand endlich eine. Ein weiter Wow-Ball von Hiroki Ito erreichte Leweling auf der rechte Seite, der den Ball genial unter Kontrolle bekommt und zu Undav durchsteckte. Ruhig blieb er und überwand den schier unüberwindbaren Kobel.

In der zweiten Halbzeit blieb der VfB das dynamischere Team.
Entschlossener als der BVB, der vielfach teilnahmslos wirkte. Selbstbewusster, die ganzen vergebenen Torchancen machten dem Team des VfB nichts aus. Auch den Pfostenschuss von Marcel Sabitzer nahm es achselzuckend hin. Denn am Spielfeldrand stand schon Serhou Guirassy und es wirkte als hätte er den Sieg in der Hand, jedenfalls wollten das alle im Stadion und brüllten es aufs Feld. Wir fünf in der sky-Bar in Frankfurt auch, wir standen sogar auf und klatschten, als der Rückkehrer das Spielfeld betrat.

Dass er den Strafstoß verwandelte. Niemand zweiflete daran. Aber man muss auch sagen: Anders wäre wohl kein Tor mehr gefallen. Es musste ein Elfmeter sein und es musste Guirassy sein. Die Geschichte ist zu gut und die Chancenverwertung seiner Kollegen zu schlecht. Dass er nicht wirklich im Vollbesitz seiner Kräfte war, hat man gesehen, bei einem anderen Spielstand hätte ihn Hoeneß auch nicht eingewechselt.

Der VfB bietet wie in der letzten Saison gegen Dortmund ein aufregendes Spiel, das den Zuschauern wieder alles abverlangt hat. Auch wenn bei Dortmund „sehr, sehr viele Spieler unter ihrem Niveau gespielt haben“ (Sebastian Kehl) kann der VfB stolz auf seine Leistung sein.

Als ich die sky-Bar in Frankfurt verließ, lief „König von Deutschland“ von Rio Reiser. So weit ist es noch nicht, aber der VfB der Saison 2023/2024 fühlt sich verdammt gut an!

Zum Weiterlesen:
Für Stuttgart.International ist Maxi Mittelstädt der „Man of the Match” und sieht eine “überzeugende, phasenweise furios aufspielende Mannschaft“

Die Süddeutsche Zeitung meint, der Stuttgarter Heimsieg gegen Dortmund lässt sich nicht durch Statistiken und Zahlen erklären. In einem zweiten Text sieht die SZ in der “Moderation (…) neben der taktischen Finesse Hoeneß’ größte Stärke.“

Bild:
Christian Kaspar-Bartke/Getty Images

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15 Kommentare

  1. soundzecke sagt

    Wir sind Mentalitätsmonster!
    Das ich das mal über den aktuellen VfB schreibe wäre mir wohl nie in Sinn gekommen.
    Eine durch und durch großartige Performance.
    Die gesamte Mannschaft wie aus einem Guss.
    Ich möchte nur kurz auf zwei Spieler eingehen die ich ja immer kritisiert habe. Ich gebe SI da vollkommen recht das Mittelstädt ein hervorragendes Spiel gemacht hat.
    Auch Leweling machte ein gutes Spiel. Nur was hat der mich Puls gekostet ich bin fast durchgedreht. Und wenn wir ehrlich sind, die Vorlage zm 1:1 war seine allererste saubere Offensivaktion in dieser Saison.
    Aber genug gemeckert jetzt ist Genießen angesagt.

    • Jochen sagt

      Der Pass von Leweling zeigt sein Potential. Mich nervt seine Chancenverwertung auch. Führich brauchte gefühlt eine Ewigkeit um eine echte Verstärkung zu sein. Das ist der Preis, den man zahlt, wenn man ganz junge Spieler hat. Leweling wird uns bald große Freude bereiten. Irgendwann geht er rein und dann läuft es. Ansonsten ist es doch einfach zum Weinen schön!

  2. Clemens sagt

    Kann man Elfmeter eigentlich trainieren? Ich frage für drei entfernte Bekannte. Aber vermutlich ist das nicht so einfach zu üben, sonst hätte man das Elfmeterschießen bestimmt schon längst in den Trainingsablauf integriert.

    Ansonsten eine tolle Vorstellung des VfB, was durch das Ergebnis (bedingt durch die unfassbarer schlechte Chancenverwertung) nicht ansatzweise zum Ausdruck kommt. Mein bisheriges Highlight der Saison.

    • Was mir fast am besten gefällt ist die Uneinigkeit der Blogger und Jounalisten beim Thema „Man of the Match“. Das bedeutet für mich, dass das Team ein Team ist und jeder seine Rolle so gut wie möglich auszufüllen versucht. Stark. Ganz, ganz stark. Habe Erinnerungen an die Magath-Zeit so um 2002.

  3. Konny sagt

    Es war magisch ‼️🤩‼️

    Undav gestern im Sportstudio einen überragend sympathischen Auftritt.
    Kaufoption bitte ziehen!
    Anton bitte für Julian.
    Stiller die beste holding 6.
    Und Kane wird auch noch guirassiert 😇

  4. Fritz sagt

    Alles gut, alles richtig, aber der Chancenwucher muss abgestellt werden; in vielen Spielen fällt einem das auf die Füße.

  5. Yannick sagt

    War das zufällig ein Irish Pub in Frankfurt in Bahnhofsnähe? Wir erkennen uns gerade in der Beschreibung der Bar und der anwesenden VfB-Fans wieder ;)

  6. Marcus Fichter sagt

    Es ist schon stark, wie diese Mannschaft, stur wie ein Ziegenbock, nach all den Rückschlägen ( zwei Ligaspiele verloren, Elfmeter verschossen, Gegentor bekommen ) ihr Spiel versucht durchzudrücken und es dann auch schafft. War der BVB jetzt so schwach oder der VfB so stark ? Wahrscheinlich beides. Der BVB war in der 3. englischen Woche, der VfB nicht.
    Ich hatte es bereits im vorigen Thread geschrieben, wer Hummels in die N11 beruft ( bis zu seiner Auswechslung war der sooooo schwach, das ihm die Verletzung sehr gelegen kam ) und Anton außen vor lässt, kann m.E. nur auf mind. einem Auge blind sein !

    Zurück zum VfB: S. Hoeneß hat den Jungs eine Sturheit eingebleut, die sucht ihresgleichen. Immer und immer wieder wird gepresst, angerannt, Chancen erarbeitet…jetzt kommt der negative Part… diese Chancen zu wenig ausgenutzt. Wie D. Undav schon gesagt hat, das Spiel muß in der Halbzeit eigentlich gegessen sein, so überlegen war der VfB. Klar, der Kobel hat einen auf Baumann gemacht, trotzdem mußt Du mehr aus dieser Überlegenheit machen. Wenn Hoeneß das auch noch hinkriegt, dann kannst Du recht stabil unter den Top 8 der Liga mitspielen.
    Für mich die spielentscheidenden Männer sind unsere 6er Karazor und Stiller. Beide sind seit Wochen in bestechender Form. Was die beiden abarbeiten, das Pressing steuern, Spielaufbau organisieren sucht in der Liga seinesgleichen.
    Ich freu mich auf Frankfurt ( ich werde live vor Ort sein ), das wird ein heißer Tanz. Dort nicht verlieren und dann gegen Bremen gewinnen, dann kannst Du Dir langsam neue Ziele setzen.

    • Ich für meinen Teil möchte keine neuen Ziele. Ich möchte Spaß am VfB haben und die Klasse halten. Europa-Cups sind ein Alptraum. Das schaffen sie nicht. Beispiele aus der Vergangenheit gibt’s zur Genüge. Das möchte ich nicht erleben müssen. Es würde alles kaputtgehen.

      • @abiszet sagt

        Tja Hank, wenn der VfB weiterhin so Spaß macht, dann lässt sich das gar nicht vermeiden … ich für meinen Teil bleibe immer im hier und jetzt. Ich denke also von Spiel zu Spiel 😁. Jetzt an die Zukunft denken (das müssen die Verantwortlichen machen) lenkt vom Spaß der Gegenwart ab.

  7. soundzecke sagt

    Mich würde echt mal interessieren wie ihr alle unsere beste Offensive sehen würdet wenn alle fit sind.
    Serhou, Millot und Führich sind klar. Undav kann man eigentlich nicht heraus nehmen.
    Mit ner 5er Kette könnte das gehen.

  8. Roland K. sagt

    Schlicht und einfach ein klasse Spiel………………….vom VfB!

    Tolle Mannschaftsleistung. Mich haben besonders zwei Spieler beeindruckt,denen bereits die Bundesligatauglichkeit abgesprochen wurde: Leweling und Mittelstädt. Letzterer ist eine richtige (darf ich das so schreiben?) Kampfsau, die mit ihrem Einsatz die Kollegen mitzieht.
    Lewelings Pass zum 1:1 war richtig klasse. Zudem spricht für den Mann,dass er in praktisch jedem Spiel zu sog. 100%tigen Chancen kommt, die er bisher aber recht kläglich versemmelt.
    Nicht auszudenken,wenn er die noch reinmacht……….
    Er ist noch jung und entwicklungsfähig.

    Weiter so!

  9. Konrad sagt

    Gestern hab ich tatsächlich ein VfB Spiel vermisst 😳 warum Nagelsmann Anton nicht einlädt versteh ich nicht. Da hätte es Mittelstädt links ebenfalls besser gemacht. Wenn man „unsere“ Defensivkette sieht und dann Nationalmannschaft guckt, grässlich 🫣 da sieht man aber auch klar den Wert unseres Trainers. Hoffentlich geht Anton nicht 😵‍💫

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