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Patt im Pott

Der VfB spielt nicht den Aufbaugegner, Schalke 04 bleibt aber auch im 22. Bundesliga-Spiel in Folge ohne Sieg, der VfB dagegen hat seit acht Ligaspielen nicht mehr gegen die Knappen gewonnen. Es war mehr als ein Punkt drin. Ärgern wir uns darüber? Nein.

Natürlich hätte ich lieber geschrieben “Stuttyacht erobert Schalke“, denn Schalke ist mit einem Punkt noch gut bedient. Aber neun Punkte in sechs Spielen, seit fünf Spielen ungeschlagen, das ist ein mehr als erfreulicher Saisonstart, zumal nicht wenige (auch wir) Teile des Kaders für nicht bundesligareif hielten. Ein zugegeben machbares Programm? Völlig egal, denn der VfB der letzten Jahre hätte dieses Auftaktprogramm vergeigt und sich selbst in Probleme gebracht vor den Spielen gehen Frankfurt, Hoffenheim und Bayern.

Mischa gegen Mislintat ging also 1:1 aus, wobei ich mir einen Sieg gegen den ehemaligen VfB-Sportvorstand Michael Reschke sehr gewünscht habe. Zu viel verbrannte Erde (und verbranntes Geld) hat er in Stuttgart hinterlassen, er wusste alles besser, aber er machte nichts besser. Wie wohltuend ist es heute und was für ein himmelweiter Unterschied zur bleiernen Ära Dietrich, die beiden Verantwortlichen Thomas Hitzlsperger und Sven Mislintat an der Spitze des VfB zu haben. Der Ton ist anders (nicht so überheblich), das Auftreten ist anders (nicht so selbstherrlich) und die Einstellung ist anders, denn der VfB in der augenblicklichen Situation hat Freude daran, sich etwas zu erarbeiten und sucht bei Rückständen nicht nach Ausreden, sondern kämpft sich mutig zurück. Im Gegensatz zum VfB in der jüngeren Vergangenheit, der sich stets selbst überschätzte.

Natürlich funktioniert noch nicht alles. Es ist das Privileg der VfB-Youngsters, cool zu sein: Sie wollen nicht in der Welt der erfahrenen Spieler ankommen, weil es einfach eine unerträgliche Zumutung ist, 30 Jahre alt zu werden. Tanguy Coulibaly und Matteo Klimowicz verweigern sich einfach der Konformität. Sie flippern wild in ihren Offensivaktionen herum, aufgrund ihrer Zappeligkeit führt das natürlich zu einigen Ungenauigkeiten. Sie müssen lernen, mehr Klarheit in ihre Aktionen zu bringen. So wie der drei Meter große Sasa Kalajdzic, der sich von niemandem aus der Ruhe bringen lässt und immer versucht, einfach, direkt und schnörkellos zu spielen.

Spielerische Lösungen sind das Ziel des VfB. Das Spiel des VfB macht Freude, auch wenn es aus der Abwehr heraus von Atakan Karazor und Pascal Stenzel manchmal etwas risikoreich und unsauber ist. Gonzalo Castro war auf Schalke der Ruhepol, eine Rolle, die auch seinem Naturell entspricht. Aber er kann durch kluge Pässe das Tempo anziehen, er sieht Räume und Mitspieler, denen er auch Sicherheit gibt, weil sie ihn immer anspielen können. Seinen Schuss in der 86. Minute halten nicht alle Keeper, das wäre fast der dritte Auswärtssieg in Folge zum Saisonstart gewesen. Etwas, was der VfB in seiner Geschichte noch nie geschafft hat. In der 93. Minute jedoch beinahe ein Eigentor durch Endo. Ein dummes Gegentor in der letzten Minute? Etwas, was der VfB sonst gerne fabrizierte.

Wenig überraschend, dass Mähdrescher Wataru Endo seine Arbeit wie immer zuverlässig und akkurat vor der Abwehr verrichtet. Umso überraschender, dass Pellegrino Matarazzo auf Daniel Didavi verzichtete, der bisher gesetzt schien. Der VfB-Trainer scheint konsequent auf Tempo zu setzen. Durch den Verzicht auf einen klassischen Spielmacher wie Didavi mit all seinen Vor- und Nachteilen wird das VfB-Spiel moderner und schneller, unberechenbarer, aber auch hektischer und ungenauer. Die nächsten drei Gegner sind ein anderes Kaliber als Köln und Schalke. Aber für den VfB werden wahrscheinlich mehr Räume entstehen, was Spielern wie Coulibaly, Klimowicz, Silas und dem genesenen Nicolas Gonzalez entgegen kommen wird. Sie müssen allerdings konsequenter genutzt werden als gegen Köln und Schalke, als oft der letzte oder vorletzte Pass nicht ankam.

Wie gesagt: Es gibt keinen Grund, sich über zwei verlorene Punkte zu ärgern. Denn es ist eine Entwicklung zu sehen. Bei einer Mannschaft, die in der fast identischen Zusammensetzung letzte Saison noch gegen Wiesbaden, Sandhausen, Kiel und den KSC mut-, ambitions- und emotionslos verloren hatte. Hoffen wir, dass diese Entwicklung stetig weiter geht und noch nicht zu Ende ist. Auch bei Rückschlägen und Niederlagen, die zweifellos kommen werden.

Das VertikalGIF zur Partie gibt’s hier.

Photo by Friedemann Vogel-Pool/Getty Images

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4 Kommentare

  1. Bernd sagt

    Wieder besser als gegen Köln, was aber vor allem am Gegner lag. Ist schon erschreckend, was Schalke diese Saison abliefert, die haben ja bis auf Standards offensiv überhaupt nix hinbekommen. Allerdings: Gegen tief stehende Gegner, die das Zentrum zumachen, tun wir uns weiterhin schwer. In den nächsten Partien sollte das aber weniger ins Gewicht fallen, dann ist vielleicht die eine oder andere Überraschung drin.

  2. Motzbackenbruddler sagt

    Schade – hier wäre mehr drin gewesen (wie schon gegen den effzeh), aber man muss demütig den Punktgewinn wertschätzen. Gegen Frankfurt wird es noch schwieriger zu Punkten, glaube ich. Wie bereits gesagt, ich hoffe uns fehlen am Schluss nicht diese 1-3 Punkte, die man gegen Freiburg, Köln oder Schalke hätte holen können…

  3. Fritzo62 sagt

    Endo und Castro waren der Garant. Ich finde Ata den besseren Anton, FALLS er sich gegen bessere Teams auch so aus der Affäre ziehen kann. Mit Didavi, Klement, Klimo und Förster gibt es Alternativen, die aber auch spielen dürfen müssen. Dann ist offensichtlich, dass die Abwehr mit langen Aussenflanken größte Probleme hat, Mangala sah da aus wie ein Fußgänger – üben, üben, üben.
    Ansonsten toll, gar keine Frage

  4. grammaire sagt

    in den letzten beiden partien wurden punkte liegengelassen. beide gegentore völlig unnötig. dazu erleidet man große schmerzen beim erinnern and die ganzen chancen.
    didavi (freistoßlatte), coulibaly (horn), gonzalez (abseitspfosten); klimowicz (linksrechtskombi), castro (rönnow), mangala (abgefälscht), etc.

    aber man kann zufrieden sein: allein schon weil und wie diese chancen erspielt wurden. wegen dieser lockeren dominanz in der 2. hälfte auf schalke. und dann stelle man sich mal vor, der endo macht das eigentor: die serie ohne niederlage könnte langfristig wertvoller sein, als hätten wir 1 spiel gewonnen und 1 verloren. aufbaugegner, es war einmal.

    à propos endo. der name entfaltet so langsam einen klang, den man beim VfB auf dieser position schon des öfteren gehört hat..

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