Markus Weinzierl macht keinen emotionalen Eindruck, er rüttelt nicht auf. Im Gegenteil: Er kommt cool und distanziert rüber. Manchmal könnte man meinen, das Ganze hier ginge ihn gar nichts an. Und Weinzierl schafft vor allem Distanz zu allen Dingen, die vor ihm (schief) gelaufen sind. Kurz: Der Straubinger wirkt nicht gerade wie eine Rampensau, die alle mitnimmt, motiviert und antreibt. Ihm fehlt die Ausstrahlung, alle hinter sich zu versammeln. Oder ist es gar schon Resignation?
Dass beim Trainerwechsel kein Ruck durch die Mannschaft gegangen ist, ist entlarvend. Normalerweise reißen sich alle Spieler zusammen und drängen sich im Training auf. Nur: Markus Weinzierl hat aktuell wenig Möglichkeiten, etwas zu verändern. Bei fast jedem Trainerwechsel gab es eine signifikante Veränderung. Entweder hierarchisch oder taktisch. Hannes Wolf setzte im Gegensatz zu Jos Luhukay (die Älteren werden sich an ihn erinnern) auf Benjamin Pavard und Carlos Mané, Tayfun Korkut überraschte mit dem Gomczek-Doppel-Ochsen-Sturm. Weinzierl dagegen muss mit der dünnen Spielerdecke arbeiten, die ihm zur Verfügung steht. Vor allem in der Offensive stellt sich die Mannschaft von selbst auf: Mario Gomez, Nicolas Gonzalez, Erik Thommy und Chadrac Akolo heißen seine Optionen – und sie alle befinden sich seit Wochen im Formtief. Gegen Augsburg kommt immerhin der lange verletzte Tassos Donis eventuell als Teilzeitkraft in Frage. Wie könnte Weinzierl da Konsequenzen androhen, Spielern Denkpausen verordnen oder nach Formkurve aufstellen? Von den sogenannten Führungsspielern hat er nur Gonzalo Castro nicht berücksichtigt, was beim desolaten Zustand des ehemaligen Leverkuseners und Dortmunders aber nicht verwunderlich ist.
Durch die Begegnungen mit den Spitzenteams aus Dortmund, Hoffenheim und Frankfurt in den ersten Spielen seiner Amtszeit hatte Weinzierl keine Chance, Erfolgserlebnisse zu schaffen oder auch nur auf der kleinsten Euphoriewelle zu surfen. Im Gegenteil: Das Team fiel bei Widerstand jedes Mal regelrecht auseinander und ging komplett baden. Der VfB-Trainer hat einfach zu viele Baustellen gleichzeitig zu bearbeiten: Die Stabilisierung der Defensive, die Erhöhung der Durchschlagskraft der Offensive, das Aufrichten von Youngsters wie Nicolas Gonzalez und Pablo Maffeo, das Pressingverhalten, das Umschaltspiel. Er muss ausbaden, was in der Vorbereitung versäumt wurde.
Insofern kann ein Trainerwechsel-Effekt erst in der Rückrunde wirken. Wenn Michael Reschke seine Kaderplanung korrigiert hat und Markus Weinzierl wieder mehr personelle Möglichkeiten und personellen Spielraum besitzt.
Immerhin weiß er durch sein Engagement in Augsburg (9 Punkte/Platz 17 nach der Hinrunde, 33 Punkte/Platz 15 nach der Rückrunde) wie man nach der Winterpause das Feld von hinten aufrollt.
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