Spielbericht, VfB
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„Wir spielen 2. Liga. Unsere Fans gehören in die Champions League.”

Bild von vfbegeisterung.de

Ein herrlicher August-Abend, 60.000 Zuschauer, gute Stimmung und ein Gegner aus Hamburg – es sieht nach einem schönen Saisonauftakt für den VfB aus. Im Vorfeld wurde viel über die Trikots des HSV diskutiert und vor allem das schreiende Rosa gedisst, aber jetzt laufen die Hamburger mit einem Jersey auf, das dem der Kollegen aus St. Pauli sehr ähnlich ist. War es fehlende Fitness oder wollten die Hamburger ihm Häme ersparen? Filip Kostic feiert jedenfalls nicht sein Pflichtspieldebüt für seinen neuen Arbeitgeber, nicht einmal im Kader ist er. Und auf der Bank versucht es der HSV mit einem ganz perfiden Trick: Bruno Labbadia trägt nicht wie sonst einen schnellen Anzug, sondern Ballonseide und hat sich auch noch eine Ewald Lienen-Maske aufgesetzt.

Insgesamt tritt der HSV mit einer weitgehend unbekannten Mannschaft auf, taktisch überrascht er mit der Nominierung von Khalid Boulahrouz im Sturm. Als der allerdings in der 28. Minute das 0:1 erzielt, wird dem VfB-Team klar: Das ist nicht Boulahrouz, sondern Aziz Bouhaddouz. Das ist nicht der HSV, das ist St. Pauli.

Kurz: Der VfB ist in der ersten Halbzeit noch nicht in der zweiten Liga angekommen. St. Pauli ist spielerisch überlegen, gewinnt die meisten Zweikämpfe, der VfB scheint erstaunt, dass ihm in Liga 2 nichts geschenkt wird. Gut, dass nach dem Wechsel Alexandru Maxim kommt. Der neue Zehner hat sich die Hamburger 45 Minuten von er Bank aus angeschaut und weiss was zu tun ist: 1:1-Situationen suchen und das Spiel schnell machen wie beim Ausgleich, als er einen 50-Meter-Sprint mit einem Schlenzer ins rechte Eck abschließt. Wir werden wohl nie erfahren, ob Jos Luhukay ihn eine Halbzeit auf der Bank schmoren ließ, um ihn bis in die Haarspitzen zu motivieren oder ob der der Trainer wirklich glaubte, ohne Maxim besser dran zu sein. Auch am Siegtor von Christian Gentner ist Maxim beteiligt – also alles gut beim Zweitliga-Auftakt des VfB?

Außer Lichtblicken wie Stephen Sama und Berkay Özcan, die frisch, frei und frech spielen und dem Game-Changer Maxim suchen viele VfB-Spieler ihre Form: Jean “Schäng” Zimmer ist viel zu hektisch am Ball, Hajime Hosogai dagegen bremst das Spiel, weil er den Ball zu lange hält. Die Außenverteidiger (Philip Heise, Florian Klein) sind extrem fehlerhaft, Toni Sunjic fehlen Geschwindigkeit und Passgenauigkeit und Königstransfer Simon Terodde ist zwar eine richtige Kante, in den Zweikämpfen mit 1,96-Mann Lasse Sobiech kann er sich aber kaum durchsetzen, macht wenig Bälle fest und bleibt bis auf eine Torchance blass. Allerdings scheint es auch so, als müsse er im aktuellen System die Bälle auf sich selbst ablegen.

Das 2:1 ist ein sehr schmeichelhafter Sieg. Der VfB ist nicht der FC Bayern München der zweiten Liga, aber den Dusel der Bazis hat er schon. Dennoch ist es der perfekte Start, oder? Wichtige drei Punkte eingefahren und gleichzeitig gibt dieses Spiel überhaupt keinen Anlass in gefährliche Euphorie zu verfallen. Jan Schindelmeiser hat sicher ebenso wie die 60.000 Champions-League-würdigen Fans (so das Zitat von Christian Gentner nach dem Spiel) gesehen, wie wacklig das Spiel des VfB ist und wird hoffentlich die richtigen Schlüsse bis zum Ende der Transferperiode ziehen. Ob die Mannschaft weiterhin mit der zweiten Liga fremdelt, werden die 90 Minuten in Düsseldorf zeigen. Wir müssen skeptisch sein, denn frühzeitige Selbstzufriedenheit war in den letzten Jahren eine der Kernkompetenzen des VfB-Teams.

Titelbild mit freundlicher Genehmigung von www.vfbegeisterung.de
Danke Ute!

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1 Comment

  1. drausvomLande says

    Ein uralter Brauch soll der Braut Glück bringen:
    Etwas Altes, etwas Neues, etwas Geliehenes, etwas Geschenktes, und ja nichts blaues, gell
    Etwas Altes
    Hurra, wir haben unsere Abwehr noch, sind zwar teilweise andere Namen als letztes Jahr, aber wackeln können sie immer noch, Fehlpässe spielen, Gegner verlieren und das mit den Slapsticks wird schon noch kommen. Auch dass wieder ein vielversprechender Spieler dabei ist, der halt noch Erfahrung braucht, hat sich in die neue Saison gerettet. Auch mangelnde Unterstützung aus dem Mittelfeld ist wieder da. Mensch, das wäre ja nicht auszudenken gewesen, wenn die sicher gestanden hätten und dann evtl. sogar noch die neu geholten Spieler einen konstruktiven Spielaufbau nach vorne hingebracht hätten …
    Auch altbekannt in Stuttgart: wenn mich schon alle in Ruhe lassen, mache ich als Trainer mir meine Probleme selber. Wäre doch gelacht, wenn ich keine Unruhe reinkriegen würde.
    Etwas Neues
    Ganz neu für mich: Toni Sunjic ist nicht zweitligatauglich, also dass er nicht erstligatauglich ist, wusste ich ja, aber dass es auch für die 2. Liga nicht reicht, hoppla. Florian Klein hingegen legt völlig neue Charakterzüge offen: er will, er läuft, er kämpft, klar, er kann immer noch nicht mehr als vorher, aber das versucht er wenigstens wieder auf den Platz zu bekommen. Das ist neu im Vergleich zum letzten Jahr. Wenn das so weitergeht, kauft ihn doch noch jemand. Gente spielt Zauberpässe wie früher Beckenbauer, also wenn die Vorlage für Maxim aus dem eigenen 16er heraus so gewollt war, alle Achtung (neue Position Innenverteidiger?). Mitch motzt Mitspieler an, geil, ein Torwart mit Führungsqualität wie Lehmann, gefällt mir und ist dieses Jahr neu.
    Ansonsten?
    Etwas Geliehenes
    Keine Ahnung, bei wem wer vom VfB angerufen hat, ist mir auch egal, ob es der Aufsichtsrat, der Sportchef, Fritzle oder die Klofrau war: es hat funktioniert. Für 90 Minuten wurde uns massenhaft Glück geliehen, sonst wären wir zur Halbzeit mit 2 Toren hinten gelegen und wären auseinandergebrochen. Maxim hätte sich beim Konter verdribbelt und statt Gente wäre Harnik in Bestform am Pfosten gestanden. Aber Glück ist nur geliehen …
    Etwas Geschenktes
    3 Punkte, einigermaßen gerettete Grundstimmung unter den Fans und, und das bitte dem Aufsichtsrat und Vorstand glasklar vor Augen führen:
    Mit diesen 3 Punkte geschenkte Zeit, ENDLICH zu liefern, in allen Bereichen. Am Montag hat die strukturelle Arbeit der Vereinsführung nicht gereicht, deutlicher unvorbereitet kann man nicht in eine Aufstiegs-Saison gehen.

    Und ja nichts blaues, gell
    Die sind ja abgestiegen und das kann uns ja nicht passieren. Denk ja keiner dran, auf welchem Tabellenplatz wir stehen würden, wenn der Ball nicht an den Pfosten geht.

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