Wenn man alles ernst nimmt, was aktuell in Redaktionsstuben, Fan-Foren und Blogs gefordert wird, dann soll und muss alles raus, was und wer beim VfB Verantwortung trägt. Angesichts der Tabellenlage, der Stimmung rund um den Verein und der vakanten Trainerposition ist das schnell gedacht und geschrieben. Es ist eben sehr bequem, gegen alles und jeden zu sein. Es kommt immer gut, es besser zu wissen, ohne selbst den Kopf dafür hinhalten zu müssen. Anti-alles für immer.
Wenn aber alle Verantwortungsträger weg sind, wie steht es dann um den VfB? Schauen wir es uns an:
Robin Dutt
Das letzte Heimspiel gegen Wolfsburg ist die erwartet enge Kiste – der VfB verliert unglücklich mit 0:4. Am Tag danach gibt Robin Dutt auf einer Pressekonferenz seinen sofortigen Rücktritt bekannt. Ihm sei es nicht gelungen, seinen Wunschtrainer Lucien Favre zu verpflichten, gleichzeitig seien die Scouting-Unterlagen zum neuen Innenverteidiger aus Versehen im Trubel der Weihnachtsfeier gelöscht worden.
Bernd Wahler
Der Präsident sitzt mit seiner Frau Petra am ersten Weihnachtsfeiertag am Frühstückstisch, ihm kommt immer wieder die Gans hoch und er hat einen schweren Kopf, weil er es mit dem Rotwein “Fellbacher Lämmler“ übertrieben hat. Wahler schaut deprimiert, dazu hat er noch 1893 verpasste Anrufe von Jens Lehmann, Thomas Berthold, Silvio Meissner und diversen Journalisten, Spielerberatern und Anwälten auf dem iPhone. „Warum tust Du Dir das eigentlich an, Bernd?“, fragt ihn Petra. Wahlers breites Lachen ist verschwunden, sein Blick ist trübe geworden. Plötzlich schaut er entschlossen von seiner Kaffeetasse auf und hat eine Idee: Wenige Minuten später macht der neue Hashtag #Ichbinraus die Runde und der VfB hat keinen Präsidenten mehr.
Martin Schäfer
Als er vom Rücktritt Wahlers auf Twitter erfährt, legt der Würth-Mann sein Mandat als Aufsichtsrats-Vorsitzender nieder: “Die haben doch alle eine Schraube locker beim VfB!“.
Daniel Didavi
Die Fans unterstellen ihm schon lange, dass er sich für seinen neuen Arbeitgeber schont. Jetzt kommt raus: Didavi hat sich in seinen Vertrag schreiben lassen, dass er mit einer fixen Ablösesumme von 8,5 Millionen wechseln kann, wenn innerhalb einer Saison Trainer, Sport-Vorstand und Präsident abgelöst werden. Leverkusen greift zu und Sport-Chef Rudi Völler gibt im Gegenzug Stefan Kießling an den VfB ab, weil er den Fußball liebt.
Die verbliebenen Vorstände Jochen Röttgermann und Stefan Heim sind zwar plötzlich führungslos, aber alles andere als ideenlos. Sie stellen die Trainersuche auf eine breite Basis und binden die Fans durch eine Online-Umfrage ein. Auf der VfB-Webseite stellen sie als neue Trainer zur Wahl: José Mourinho (mittlerweile bei Chelsea entlassen), Felix Magath (allzeit bereit), Jürgen Klinsmann (möchte mal wieder die Familie in Botnang besuchen) und Mirko Slomka (hat ohnehin nichts zu tun). Die Resonanz ist gigantisch, der Webserver bricht zusammen und die überwältigende Mehrheit (88,5%) votiert für Magath. Die eilig in den Merchandising-Shop aufgenommene randlose Magath-Brille ist binnen zwei Stunden ausverkauft!
Magath sagt sicherheitshalber “Sayonara” bei Sagan Tosu, weil er mittlerweile selbst nicht mehr so genau weiß, ob er jetzt Trainer der Japaner ist oder nicht und macht sich sofort auf den Weg nach Cannstatt, um dort Trainer und Sportdirektor in Personalunion zu werden.
Seine erste Amtshandlung: Aus dem S21-Aushub lässt er auf dem Club-Gelände den Mount Magath II errichten. Mit den 20 Millionen, die der VfB Stuttgart für Didavi (Leverkusen) und Kostic (Schalke) erlöst hat, kauft Felix Magath acht neue Spieler, von denen zwei einschlagen: Der Finne Teemo Pukki ersetzt Daniel Ginczek und Magath gelingt es tatsächlich, die chronisch wacklige Innenverteidigung zu stabilisieren, indem er seinen alten Wolfsburger Weggefährten und Weltmeister Andrea Barazagli bei Juventus Turin loseist. Keine Rolle mehr spielt Christian Gentner, der Magath noch aus Wolfsburg kennt. Nach Bekanntwerden von Magaths Engagement in Stuttgart meldet sich der Kapitän mit einer mysteriösen Verletzung am Hintern ab und fällt die gesamte Rückrunde aus. Magath macht Serey Dié zum Spielführer und sagt „Er ist mein neuer Soldo“, wobei man bei Magath nie sicher sein kann, ob er das ernst meint. Andere Neuzugänge wie José Manuel Jurado, Ali Karimi oder der ablösefrei verpflichtete Alexander Hleb können sich leider nicht durchsetzen. Den von Robin Dutt erst im November geholten Torwart-Trainer Marco Langner wirft Felix Magath hochkant hinaus und holt stattdessen André Lenz. Zusätzlich verpflichtet er auch einen Offensiv-Trainer, um den VfB-Sturm effizienter zu machen. Es ist niemand geringeres als Europameister Angelos Charisteas.
Wie zu erwarten war, greifen Magaths Maßnahmen sofort und der VfB startet mit rekordverdächtigen sechs Siegen (8:2 Tore) in die Rückrunde. Am Ende der Saison steht das Team auf einem sicheren elften Platz. Weil Magath jedoch schnell feststellt, dass mit dem Kader nicht mehr drin ist und ihm auch kein Budget für Neuverpflichtungen zur Verfügung steht, erklärt er am 30. Spieltag seinen Rücktritt zum Saisonende.
Und so steht der Club wieder einmal ohne sportliche Führung da. Ohne Trainer, Sportdirektor und Präsident bereiten die verbliebenen Vorstände Heim und Röttgermann die Fans auf eine neue Übergangssaison vor. Viele von ihnen freuen sich bereits auf die nächste Online-Abstimmung, wenn es um das Amt des Präsidenten gehen soll. Die besten Chancen werden Erwin Staudt eingeräumt.
Wieso habe ich diesen Blog erst kürzlich entdeckt? Totales Lesevergnügen gepaart mit fundierter Meinung – fühle mich bereichert :-)
Und wir fühlen uns geschmeichelt. :-) Vielen Dank!
Verstehe nicht, was mir der Artikel sagen soll… schlechter als jetzt kann es doch nicht laufen. Ob die “Führungspersonen” da sind oder nicht…
Großartig! Eure Texte sind ein Lichtblick in Zeiten, in denen man als Brustringfetischist ansonsten wenig zu lachen hat.
Vielen Dank, das freut uns. Und sieh’ es positiv: Es kann nur besser werden – zumindest tabellarisch.
Hallo,
ich lese deinen Blog seit einiger Zeit und leide mit.
Was mich interessieren würde, was du/ihr bei VfB andere machen würdet als die aktuelle Vereinsführung. In vielen Foren wird oft geschrieben, dass die Führung weg muss. Und wer sollte dann eurer Meinung nach kommen? Es ist immer die Rede von Personen mit Sachverstand, jedoch hat die Vergangenheit gezeigt, dass auch ehemalig Nationalspieler, anerkannte Experten u.a. scheitern können.
Da ich im Exil wohne (Hessen) kann ich nicht alles nachvollziehen, was in meiner Heimat abgeht oder ob aktuell nur der “Schwabenbruddler” zu Hochform aufläuft. Und damit meine ich nicht dich, sondern die Kommentare in vielen Foren.
Super
Soviel Insider Wissen und dann noch dieser Fachverstand. Warum in die Ferne schweifen …
SR @ Buzze wird neuer spielertrainermanagervorstand !