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Weniger Mut, mehr Labbadia

Der VfB hat den Punkt weg geworfen, den er sich mehr als verdient hätte, weil er auf Sieg gespielt hat. Das macht den VfB so sympathisch – für den Gegner. Umso ärgerlicher, weil Augsburg und Bielefeld punkten und der VfB nun auf dem Relegationsplatz steht.

Da gibt es wohl kaum zwei Meinungen, der VfB macht ein sehr gutes Auswärtsspiel: griffig, clever, mutig. Dortmund kann seine individuelle Qualität kaum ausspielen, kommt über die Außenpositionen so gut wie nie zu gefährlichen Aktionen, die Schnittstellen in der Mitte schließt vor allem Ata Karazor hervorragend. Nach vorne bekommt der VfB Räume, spielt sie nicht immer konsequent zu Ende, kombiniert sich aber zu einigen guten Chancen: Philipp Förster kommt aus neun Metern nicht richtig hinter den Ball, Tanguy Coulibaly macht bei seiner Aktion alles richtig, aber im Tor steht leider Gregor Kobel. Was hätten wir darum gegeben, hätte es Roman Bürki gehütet.

Das sah alles nicht nach einer verunsicherten Mannschaft aus, der viele wichtige Spieler fehlen. Da war ein Plan zu sehen, die Überzeugung war zu spüren. Auch wenn sich der Eindruck aufdrängte, dass vor allem offensiv Coulibaly und Roberto Massimo ohne Wirkung blieben, so hatten sie ihre Szenen. Wie beim 1:1, das Massimo auf Vorlage von Karazor (vorher Super-Ballgewinn von Förster) einfach überragend macht: Mats Hummels ins Leere laufen und wie einen torkelnden Ex-Nationalspieler mit Restalkohol aussehen lassen und dann mit links arschcool vollenden. Man musste sich um ihn eigentlich nur Sorgen machen, weil ihn Sven Mislintat nach seiner Auswechslung so emotional und überwältigt umarmte.

Gerade nach dem 1:1 hatte man den Eindruck: Wenn noch ein Tor fällt, dann für den VfB. Dortmund war ausser dem überragenden Jude Bellingham verlassen und verloren, desillusioniert und am Boden. Pellegrino Matarazzo wechselte mutig und positionsgerecht und ermöglichte dem 18-jährigen Alexis Tibidi sein Bundesligadebüt. Der hatte kaum Anpassungsprobleme, agierte im Sturmzentrum (Coulibaly rückte auf rechts) und brachte sogar zwei vielversprechende Torabschlüsse auf seinen Zettel.

Weil der VfB nach einer Ecke mit allen Spielern nach vorne rückte und die Konterabsicherung übermütig vernachlässigte, konnte der BVB nach einem High-Speed-Spielzug durch Marco Reus das 2:1 erzielen. Stellen wir uns einmal Bruno Labbadia vor: Der hätte in der 70. Minute Pascal Stenzel, Nicolas Nartey, Clinton Mola und den reaktivierten Georg Niedermeier eingewechselt, defensiv auf eine Sechserkette umgestellt und nach dem Spiel gesagt, man müsse auch einmal beachten, wo man her komme. Ja, es war nicht alles schlecht, was Labbadia machte, es sah halt nur meist Scheisse aus. Er ist ein Pragmatiker, kein Charismatiker, kein Pep, sondern einer, der die einfachen Dinge beherrschte und dabei selbst gut aussah.

Gut ausgesehen hat alles beim VfB bis auf die amateurhafte Absicherung beim VfB nach einem Eckball in der 85. Minute – auswärts in Dortmund vor 57.900 tendenziell enttäuschten Zuschauern. Die Süddeutsche Zeitung schrieb gestern vor dem Spiel, “der Stuttgarter Weg ist nicht nur sehr mutig. Sondern auch extrem riskant.“ Aber das ist irgendwie die DNA des VfB: weniger labbadiaesk, sondern mutig und offensiv zu sein und sich manchmal, durch eigene Unzulänglichkeit, selbst um die Früchte seiner Arbeit zu bringen. In der augenblicklichen Situation ist das eher keine so gute Idee. Um nicht zu sagen: es war fahrlässig und dumm. Aber es ist der VfB. Und darum lieben wir ihn. Irgendwie.

Zum Weiterlesen:
„Love is around the corner“ zum bevorstehenden Comeback von Silas.

Rund um den Brustring bezeichnet den Auftritt als „schön blöd“, während Stuttgart International einen Förster-Effekt im Dortmund-Spiel sieht.

Die Süddeutsche Zeitung spricht von einem glücklichten BVB-Sieg, bei dem “am euphorischsten trotz sichtlich schwerer Atmung der nicht allzu sprintfreudige Mats Hummels jubelte.“

Foto:
Alex Grimm/Getty Images

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11 Kommentare

  1. Clemens sagt

    Emotional versöhnt, rational entsetzt. Das letzte Aufgebot hat sich aufopferungsvoll gewehrt, am Ende aber auch so naiv verhalten, wie es bei einem solchen Kader leider zu erwarten ist. Hätte Coulibaly bei der Ecke vor dem Siegtreffer des BVB den Ball einfach wie gewohnt am Tor vorbei geschossen, alle wären am Ende mit einem Unentschieden zufrieden gewesen. So darf man sich nach diesem Spieltag als tabellarischer Verlierer fühlen.

    Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt, aber sie bekommt bereits erste Risse.

  2. Motzbackenbruddler sagt

    Das war ein gutes Spiel heute – für den VfB. Dortmund war nicht wirklich auf der Spur, hatte halt Kobel, Reus und Malen, die im richtigen Moment den Unterschied gemacht haben. Was ich mich aber wirklich frage: Warum so ein Spiel gegen Dortmund? Warum nicht so ein Spiel gegen Augsburg und Co? Man sagt ja, man wächst an seinen Herausforderungen, aber ich werde das Gefühl nicht los, dass so mancher unserer jungen Helden gegen ‘große’ Gegner plötzlich auf dem Platz mehr leisten, als gegen ‘kleine’… Liegt das daran, dass man sich auf die Zettel der ‘Großen’ spielen will oder eben an bereits genannter These?

    • Clemens sagt

      Die Erklärung für ein solches Spiel liegt doch eigentlich auf der Hand. Das, was den VfB letzte Saison so stark gemacht hat, konnte im Gegensatz zu den Partien gegen Augsburg und Bielefeld heute endlich wieder stattfinden: schnelles Umschaltspiel! Während die beiden anderen Kellerkinder tief in der eigenen Hälfte standen und selbst auf Konter lauerten, hatte der VfB Stuttgart heute einen Gegner, der selbst das Spiel machen wollte. Eigentlich recht einfach zu erklären.

  3. Estrella sagt

    Jetzt komme wieder ich….
    Und nerve wahrscheinlich alle…

    Warum wurde Coulibali nicht früher ausgewechselt?

    Es war offensichtlich, daß er Minuten zuvor schon nicht mehr auf dem Posten war. Dieses dumme, saudumme gelb von ihm war maximal, ja, einfach nur dumm. Danach seinerseits wiederum einige vollkommen unüberlegte, unpassende Aktionen.

    Warum nimmt ihn der Trainer nicht nach der zweiten Dummaktion runter, warum … ?
    Warum lässt man ihn auf dem Platz und warum merkt man nicht, daß er zum maximalen Unsicherheitsfaktor wird?

    Es gibt viele kleine Situationen und Anzeichen, wann was kippen können könnte… Mir war klar, der Coulibali vergeigt es heute mit einer weiteren blöd Aktion.

    Warum sehe ich als Laie das und Rino als Profi nicht? Für mich, sorry dafür, war das Spiel hinten raus einfach wieder mal vercoacht, weil unser Trainer (nochmals sorry) zu viel denkt, analysiert, Dinge mathematisch zerlegt und zuwenig Empathie für schnelle Entscheidungen im Spiel zeigt.

    Coulibali raus, Stenzel von mir aus rein für mehr Sicherheit. Warum Ali G. und nicht Faghir? War mir auch nicht klar. Vieles im letzten Drittel nicht… Daher für mich klar vercoacht.

    Natürlich war unsere Leistung heute Super.
    Bin beim Vorredner, so hätte sie auch schon gegen Augsburg und Bielefeld gehört.

    Den VfB zu lieben, bedeutet maximal leidensfähig zu sein… Manchmal ist es mir hin und wieder zuviel. Manchmal bin ich einfach nur genervt, wenn Menschen nach dreißig mal gleicher Fehler immer noch nix gelernt haben

    Lieber Sven Dein Wort von heute in Gottes Ohr… keine Frage, ich liebe dich wirklich, aber mit und trotz maximalem Stolz auf die Mannschaft stehen wir stand heute näher an Liga 2 als uns lieb. Hätte Wolfsburg nicht mehr ausgeglichen…. Stolz ist gut, aktuell wären Punkt allerdings besser….

    • Meine Meinung sagt

      Ich finde es schwierig, nach so einem Spiel von “vercoacht” zu sprechen. Die “Leistung” eines Trainers sollte man gesamtheitlicher betrachten und nicht nur an ein zwei Personalentscheidungen festmachen. Wenn man Rino dafür kritisiert, möchte ich, dass man ihn mindestens genauso dafür lobt, wie sein Team aufgetreten ist. Extrem mutig und immer bedacht darauf, Dinge spielerisch zu lösen – weil der Trainer das so will. Ito saustark – weil der Trainer seit Wochen auf ihn baut. Förster mit starken Aktionen (Ballgewinn vorm 1:1) – weil der Trainer sich dazu entschieden hat ihn spielen zu lassen. Massimo trifft erneut – weil trotz vieler schwacher Spiele vertrauen da ist und er spielt (klar, sicher auch, weil Alternativen momentan rar sind). Spielerisch über weite Strecken gleichwertig mit dem BVB und gefühlt näher am Sieg – weil der Trainer eben nicht Labbadia heißt, sondern auf Sieg spielen lässt. Und auch wenn das Zustandekommen des zweiten Gegentors nicht zu entschuldigen ist, war doch bei beiden Gegentoren auch viel BVB-Glück dabei (Ito fälscht ab, Reus fällt der Ball auf den Fuß, Mangala eine Nuance zu spät). Lange Rede kurzer Sinn: Ich kann die Ausführungen speziell zu Coulibaly verstehen und hätte ihn zur Halbzeit auch eher draußen gesehen, “vercoacht” hat Rino das Spiel aber deshalb aus meiner Sicht noch lange nicht. Zudem glaube und hoffe ich, dass so ein sehr gutes 1:2 auf lange Sicht (klar wir brauchen jetzt Punkte aber gehen wir einfach mal davon aus, dass die früher oder später schon kommen) deutlich mehr bringt, als ein “Erlabbadiertes” 1:1. Schönen Sonntag!

  4. drhuey sagt

    Nach den letzten Gurkenspielen war meine Erwartungshaltung extrem tief. Umso grosser war mein Erstaunen wie griffig die Mannchaft als Kollektiv aufgetreten ist. Ihr sprecht anerkennend vom Mut auch des Trainers in einer solchen Situation weiter auf die 3 Punkte zu gehen. Aber mit Ali G.? Hohe Flanken auf den Hünen, wenn dort Akanji und Hummels stehen? Dieser Punkt wäre wichtiger gewesen als die sehr geringe Wahrscheinlichkeit auf ein weiteres Tor in der Besetzung. So verkopft scheint Matarazzo gar nicht zu sein, wenn er alle Rationalität über Bord wirft. Ich denke der Mannschaft hätte dieser Punkt in Dortmund auch psychisch gut getan. Coulibaly hingegen war verbessert, vor allem seine direkt Ballabnahme war sehenswert. Kein einfaches Ding, wenn er Dir im Bogen aus der Richtung vor die Füße fällt. Aber insgesamt fehlt dem Jungen halt doch ein Stück Spielverständnis und -übersicht. Und ich befürchte das kommt auch nicht mehr. Ohne Ball war das unter den gegebenen Umständen ein Schritt nach vorne. Mit Silas, Sasa UND Führich sollten wir in der Rückrunde in der Lage sein den Relegationsplatz zu verlassen. Das wurd nicht einfach und um ehrlich zu sein fallen mir derzeit ausser Fürth keine glasklaren Favoriten auf den Abstieg ein.

  5. Estrella sagt

    Wenn man Ito nimmt. Er ist ähnlich alt wie c. und hat total schnell begriffen, um was es geht. Die Steilpässe gestern waren ja besser als die von Hummels.

    Der Trainer hat ganz sicher Anfangs einen ausgeklügelten Matchplan. Das stimmt.

    Mir fehlen weiterhin intuitive Entscheidungen im Spiel, wie zum Beispiel Coulibali nach der ersten gelben Karte und ein paar weiteren unglücklich Aktionen runter zu nehmen.

    Daß er gegen Kobel nicht trifft ist leider klar… Er hat sich maximal unglücklich und verursachend für das 2.1 verhalten. Er hätte deutlich vorher raus gehört und nicht nachher. Auch zu seinem eigenen Schutz.

    Für mich hätte aus meiner Sicht ein erfahrener Trainer da vorher eingegriffen und für Stabilität gesorgt. Wir haben viele Punkte durch falsche oder deutlich zu späte Reaktionen der Trainer Bank verloren.

    Wobei ich keinen neuen Trainer will, mir nur wünsche, daß er während eines Spiels auf Schwachstellen schneller eingreift und nicht zulange zuschaut…

  6. Stephan sagt

    das Ganze erinnert mich an die Saison als Köln zum letzten Mal abgestiegen ist – immer toll gekickt, unglaublich viel Pech (wer erinnert sich nicht an die Schlussphase hier bei uns….), viele Verletzte – dann noch die Gegner die jetzt zu uns kommen, außer gegen Hertha sehe ich keinen Punkt mehr und sind wir ehrlich, unseren Verantwortlichen traue ich eine Systemumstellung nicht zu, wahrscheinlich wird sich Hitze mit einem Abstieg verabschieden – aber der wird natürlich viel schöner als der letzte

  7. Bacardihardy sagt

    Sehe den VfB im Moment nicht so positiv wie unser Sportdirektor, der von Klopp-Spirit spricht. Klar muss er jetzt die Jungs wieder aufbauen und motivieren. Aber mal ehrlich, unsere Jungs sind immer dann gut, wenns spielerisch wird ,wie gegen den BVB. Wenn Sie gegen Mannschaften spielen, wie Bielefeld oder Augsburg, wo es auch auf Zweikampfhärte ankommt, versagt der VfB meist. Vor dem VfB hat keiner Angst. Bitte bei den nächsten Transfers auch mal an defensive körperlich starke Spieler denken. Bei Abstieg ist das sicherlich wieder gefragt.

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