Autor: @abiszet

Einstiger Publikumsliebling im Abseits

Er will doch nur spielen. Am liebsten in Stuttgart. Aber Sebastian Hoeneß lässt ihn nicht. Die Tür sei offen, meint der Trainer. Aber er lässt den einstigen Publikumsliebling nicht durchgehen. Schöne Worte, keine Taten. Einst war er der absolute Publikumsliebling in Stuttgart. Heute ist er beim VfB ohne jede Perspektive. Vor einigen Jahren war Silas noch der Spektakelspieler in Stuttgart. Einer, der uns verzauberte und unsere Herzen erreichte. 2020/2021 so etwas wie das Gesicht des VfB, der heißeste Scheiß der Liga, der Höhepunkt sicher das 5:1 in Dortmund, bei dem Thomas Hitzlsperger Konfetti kotzte. Silas stand stellvertretend für die neuen Jungen Wilden aus Cannstatt. Wild, das ist er. Sein Spiel roh und unkonventionell und unberechenbar und das passt nicht zum (Ballbesitz-)Fußball von Hoeneß, vielleicht passt es überhaupt nicht zum modernen Fußball. Silas setzte sehr spät einen Fuß in eine professionelle Fußballakademie, er wechselte bereits nach einem Jahr Profi-Fußball 2019 vom Paris FC zum VfB. Zusammen mit Atakan Karazor, Pascal Stenzel und Fabi Bredlow ist er am längsten beim VfB, bestritt insgesamt 132 Pflichtspiele (34 Tore) …

Und es hat Bumm gemacht!

Es war eigentlich ein typisches VfB-Spiel: Guter Beginn, gleich drin im Spiel, mit einigen hochkarätigen Chancen. Der Torhüter aber gut drauf, wie die meisten Keeper gegen den VfB. Dann nutzt der Gegner seine zweite Chance, weil man im Strafraum viel schläfrig ist und bekommt dazu noch einen absoluten Glücksschuss eingeschenkt. In der zweiten Halbzeit dann eine gelb-rote Karte und letztlich chancenlos, trotz insgesamt ordentlicher Leistung. Es war ein Spiel, das lange Jahre für den VfB typisch war und das jetzt Werder Bremen beim 0:4 nachstellte. Die Begegnung an der Weser hatte durchaus das Potential, richtig schief zu gehen. Zur wackligen Anfangsphase kam noch eine aberkanntes Tor von Deniz Undav. Welche Bilder Guido Winkmann (mit dem der VfB schon schlechte Erfahrungen machte) im VAR-Keller sich zurecht legte und wieviele Millimeter Abseits der VfB-Stürmer mit seinem Unterarm (!) war, das weiss nur er, so wie viele Entscheidungen des VAR willkürlich erscheinen. Jamie Leweling war dagegen in Bremen eine echte Erscheinung: Zwei Assists, das erwähnte Traumtor aus 32 Metern (!) mit einem kaum messbaren xG-Wert. Nicht nur der …

Wenn ein Helikopter zum Hauptdarsteller eines Fußballspiels wird

Die Begegnung in der Europa League gegen Tel Aviv war kein normaler Fußballabend. Am Ende wurde am meisten diskutiert, warum kein Alkohol ausgeschenkt wurde und was die Gründe dafür waren, dass es nur ein eingeschränktes Getränke- und Speisen-Angebot im Neckarstadion gab. Bedeutet: Wenn das die wirklichen Probleme des Spiels sind, war es ein gelungener Abend unter sehr speziellen Vorzeichen und Rahmenbedingungen. Es wurde ein riesiger Aufwand betrieben, um Fans und Mannschaft inklusive Delegation von Tel Aviv zu beschützen, um anti-semitische und Palästina-feindliche Aktivitäten zu verhindern, um „jeder Form der Gewalt mit Nachdruck entgegen zu wirken“ (Stuttgarter Vizepolizeipräsident Carsten Höfler). Geworden ist es ein ruhiger Abend, in dessen Verlauf so langsam die Anspannung nachließ. Sowohl die Stadt als auch der VfB haben gezeigt, dass sie der großen Verantwortung gerecht wurden und der Aufgabe gewachsen waren. Ständiger Begleiter (nicht nur) am Spieltag: ein Hubschrauber, der am Himmel kreiste. Omnipräsent in der Innenstadt, in Bad Cannstatt, am Stadion. Er wurde zum Soundtrack des Abends. Würde der kicker für ihn eine Note vergeben, es wäre eine 2, denn Höchstnoten …

Vom Unterschied zwischen abschenken und aufgeben

Bei Bekanntgabe der Aufstellung hat’s schon jeder gewusst: Das kann nix werden, Sebastian Hoeneß schenkt das Spiel gegen Bayern München einfach ab. Dabei ist die Idee durchaus nachvollziehbar, auf schnelle Spieler wie Ramon Hendriks und Ameen al-Dakhil in der Innenverteidigung zu setzen, einem ballsicheren Akteur wie Nicolas Nartey zu vertrauen und den vorwärts denkenden Chema Andrès zu bringen. Der Münchener rigorosen Mannorientierung selbst mit einer Manndeckung zu begegnen, ist ambitioniert. Vor allem nachdem es der Rekordmeister darin zu einer gewissen Exzellenz gebracht hat. Ist das mutig? Unbedingt. Ist das risikoreich? Aber ja. Wie viele jedoch bei Aufstellung und Spielsystem von „abschenken“ sprechen können, ist schwer nachzuvollziehen. Die Mannschaft schlug sich nach anfänglichen Schwierigkeiten und dem 0:1-Rückstand achtbar. Es war aber auch eine gegnerische Elf, die zunächst nicht in Bestbesetzung antrat. Ob Vincent Kompany vor dem Spiel vorgeworfen wurde, er würde das Spiel nicht ernst nehmen oder gar abschenken wollen? Der VfB war beim 0:5 hinsichtlich seiner Spielweise nie ein ernsthafter Gegner. München hat Probleme mit Intensität, mit Körperlichkeit, mit Kampf, mit Gegenwehr, mit Chaos, wenn …

Ein Spiel zum Vergessen

Das letzte Pokalspiel in Bochum verlor der VfB 2:0. Das war 2014 in der ersten Runde, der VfB-Trainer hieß Armin Veh und der Doppel-Torschütze? Simon Terodde. Zudem war es einer der ersten Texte auf diesem Blog. Die StZ schrieb sogar: „Wird die Krise zum Dauerzustand?“ Heute wissen wir: ja – bis Sebastian Hoeneß kam. Der VfB aber nach dem unglücklichen 1:2 gegen den HSV angeblich auch mal wieder in einer Krise. Nur auf Platz 6 in der Tabelle. Zu viel Rotation, zu wenig Automatismen. Zu viel Ballbesitz, zu wenig Konsequenz. Zu viel quer, zu wenig vertikal. Zu viel klein-klein, zu wenig Klarheit. Und dann noch Deniz Undav: Jetzt zwar beeindruckende acht Tore aus den letzten sechs Spielen, er kommt mit dem Zählen selbst durcheinander – aber außer ihm trifft so gut wie kein Stuttgarter. Was stimmt denn da nicht? Im Pokal-Achtelfinale musste sogar ein Eigentor herhalten, um den VfB auf die Siegerstraße zu bringen. Der VfB hatte bis zur 68. Minute einmal aufs Tor geschossen und führte 2:0. Muss man auch erstmal schaffen. Werden die …

Oldschool VfB: dumm gelaufen!

Es gab lange Zeit die Einschätzung, es gäbe kaum eine dümmere Mannschaft im Deutschen Fußball als den VfB. Vor allem unter Pellegrino Matarazzo machte das die Runde weil der VfB auf unerklärliche und unnötige Weise Punkte und Spiele verlor. Gegen den HSV, der genau zwei gute Angriffe hatte, muss der VfB sich wirklich die Frage gefallen lassen: Wie blöd kann man ein Spiel herschenken? Die Aufstellung: Im Nachhinein ist man immer klüger. Nachdem Sebastian Hoeneß meist richtig lag, gingen dieses Mal seine Ideen nicht auf. Wobei nicht explizit ein Personalwechsel ein Fehler war, aber in der Gruppe als Ganzes passte vieles nicht. Lauf- und Passwege, Raumaufteilung, alles nicht optimal, im Detail kam es immer wieder zu Ungenauigkeiten. Auch die Klarheit und Durchsetzungsfähigkeit im letzten Drittel fehlte. Die Arroganz: Die wird Hoeneß von außen gerne unterstellt bei der gewählten Aufstellung. Hatten jedoch nicht die meisten mit einem klaren Sieg gerechnet, selbst mit Pascal Stenzel auf der 10? Deniz Undav, Maxi Mittelstädt, Jamie Leweling und Ata Karazor eine Pause zu gönnen: nachvollziehbar. Ameen Al-Dakhil Spielzeit zu geben: …

So hat europäischer Fußball keine Zukunft

Als gegen Ende des Spiels die verbliebenen VfB-Fans „Deventer, Arschlöcher!“ sangen, dachte ich: Endlich sagt es jemand. Das Auswärtsspiel bei den Go Ahead Eagles war nicht nur ein ungefährdeter 4:0-Sieg, es war ein Abend, der weit über das Sportliche hinaus ging. Da war das widerliche, abstoßende und asoziale Verhalten des eingewechselten Schweden Victor Edvartsen gegenüber Angelo Stiller noch das kleinere Übel. Im Vorfeld wurden Teile der angereisten Fans beim Aussteigen aus dem Bus mit Schlagstöcken „begrüßt”. Laut niederländischer Behörden soll dies eine Reaktion auf „aggressives Verhalten“ der VfB-Fans gewesen sein. VfB-Boss Alex Wehrle widersprach dem leidenschaftlich. Er konnte es gut beurteilen, denn er war über Stunden vor Ort, sah die Eskalationen mit eigenen Augen und zeigte sich anschließend schockiert. Es ist vorbildlich, dass Wehrle sich vehement für die Fans einsetzt und unmissverständlich die Zustände in Deventer kritisiert. Ob sich etwas daran ändert, dass Fans per se unter Generalverdacht stehen und wie Schwerverbrecher behandelt werden, muss allerdings bezweifelt werden. Das Spiel fand in feindseliger Atmosphäre in einer Schuhschachtel statt, die sie in Deventer Stadion nennen. So …

Magical Mystery Show von Undav

Was einen seit sechs Spielen gegen den BVB innerlich überrollte, hatte zu tun mit Fußball-Kunst, die große Gefühle hervorruft. Mit dabei aber immer auch eine starke Übertreibung, die sich oft auch im guten Kitsch findet. Wie vor zweieinhalb Jahren beim 3:3 von Silas in der Nach-Nachspielzeit. Bei den Toren von Deniz Undav beim 5:1-Sieg, beim Eigentor von Waldemar Anton beim letzten Auswärtssieg. Und wie jetzt bei Undavs Ausgleich in der 91. Minute, nachdem zuvor Karim Adeyemi gedacht hatte, er hätte das Spiel entschieden. Es wird ihm ein Mysterium bleiben, wie der VfB 3:3 in Dortmund gewinnen konnte. „Den Ausgleich hatte ich nicht bestellt“, beschwerte er sich. Die Spiele von Dortmund und dem VfB sind nicht nur Kunst und Kitsch, es sind auch moderne Dramen. Aufgeführt wurde im Westfalenstadion ein Dreiakter: Akt eins: Alles wie immer? Der VfB ähnlich wie in Leipzig mit einer nahezu perfekten halben Stunde: bessere Spielanlage, höherer Ballbesitz, größeres Selbstvertrauen. Was fehlte: ein Tor. Der BVB mit typischem Labbadia Kovac-Fußball. Auf Sicherheit bedacht, bieder, mit Umschaltfußball im eigenen Stadion. Aber wahrscheinlich hatte …

Los Auswärts-Wochos

Un Dos Käs! Vier Spiele, drei Wettbewerbe, zwölf Tage – und der VfB muss raus aus der Komfortzone seines heimischen Neckarstadions. Eins ist sicher: Die los Auswärts-Wochos werden die schärfsten Tage für den VfB in dieser Saison. Dortmund, 22.11.: Niko serviert ein ungewürztes Bruno-Menü Startpunkt der Wochos, der Klassiker, gegen Dortmund gewann der VfB die letzten fünf Spiele, das sechste war das monumentale 3:3, Sebastian Hoeneß’ drittes Spiel beim VfB. Der BVB ein Gegner, der defensiv stabil steht, nach vorne aber durchschaubar ist. Nachdem Niko Kovac im Frühjahr das Team stabilisiert hat, wird langsam Kritik laut an seinem einfallslosen Spiel nach vorne. Er ist quasi der Bruno Labbadia der Dortmunder. Er kennt in erster Linie verschieben, kompakt stehen, Räume zustellen, lässt ohne jede Schärfe nach vorne spielen. Es fehlen die Ideen. Umschaltspiel heißt sein einziges Rezept. “Die Laufwerte sind enorm”, geht Hoeneß in der Spieltags-PK auch auf die Athletik ein und weniger auf die spielerischen Mittel der Dortmunder. Hoeneß steht vor der Frage: Soll er sein Spielsystem anpassen und tiefer stehen, was dem BVB überhaupt …

Die Chabos wissen, wer der Daxo ist

Er ist ein mächtiger Mann. Knapp zwei Meter groß, fast zum Fürchten und doch umweht ihn immer ein Hauch von Melancholie. Denn Dan-Axel Zagadou ist der Schmerzensmann des VfB. Zagadou ist jemand, der Menschen berührt, der sie für sich einnimmt. Wir alle haben ihn ins Herz geschlossen. Nicht aus Mitleid. Es ist Respekt für und Stolz auf einen Spieler, der sich immer wieder zurück gekämpft hat und nie selbst aufgab. Der sich nicht beklagte, sondern sein Verletzungs-Schicksal mit Würde ertrug, auch wenn es schwer fiel. Der 26-jährige Franzose ist ein Eingesperrter in seinem verletzlichen Körper. Aber es steckt ein ungeheurer Widerstand in ihm, unverwüstlich, fast schon heroisch kommt er immer wieder zurück. Als er nach 21 Monaten gegen Mainz wieder in der Startelf stand, sagte Deniz Undav sicher zu ihm: “Gönn’ Dir, Bruder!“ Denn es gibt wahrscheinlich niemanden, der nicht mit Daxo mitlitt und der ihm nicht das Beste wünscht. Ebenso freuen sich alle, dass er jetzt gegen Augsburg 90 Minuten auf dem Platz stand. Es sind natürlich romantische Gründe, warum das Comeback des Innenverteidigers …