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Die Vielseitigkeit von Silas

Serhou Guirassy? Leider verletzt. Luca Pfeiffer? Offenbar überfordert. Thomas Kastanaras? Anscheinend noch nicht so weit. Was blieb Bruno Labbadia also anderes übrig, als Silas gegen den 1. FC Köln in die Sturmmitte zu beordern? Dort machte er zwar kein überragendes Spiel, war oft zu hektisch am Ball, musste seine Beine sortieren und traf zu oft genau die falsche Entscheidung. Aber er band auch meist gleich zwei Gegenspieler und hielt die Kölner Abwehr ordentlich auf Trab. Die Fußballsprache hat für ihn den schönen Begriff „ständiger Unruheherd“ erfunden. Das galt allerdings sowohl in seiner Wirkung auf die Kölner Abwehr wie auch auf das Stuttgarter Publikum.

Wir haben Silas unter Pellegrino Matarazzo oft als Wingbacker gesehen, der aber so seine Schwierigkeiten mit der Defensivarbeit hatte. Manchmal fehlte ihm dazu der Willen, manchmal die taktische Intelligenz. Wir haben ihn als reinen Außenstürmer gesehen, dort war er allerdings leichter zu verteidigen. Alles kam auf seine Ballannahme an; hatte Silas einen schlechten Tag oder wurde früh attackiert, blieb er oft wirkungslos. Silas braucht Tiefe, sollte den Ball in den Lauf gespielt bekommen und möglichst nicht mit dem Rücken zum Tor. Und wenn doch, benötigt er im Anschluss viel Raum, wenn er seine Gegenspieler umkurvt hat.

In der Sturmmitte zeigte sich Silas gegen die Kölner Schränke Jeff Chabot und Nikola Soldo erstaunlich robust. Auch wenn eine latente Entscheidungsschwäche auffällig war, hat Silas gezeigt, dass er den Mittelstürmer ohne Probleme geben kann. Gegenspieler anlaufen, Bälle festmachen, Tempo aufnehmen im Umschaltspiel, da scheint ihm zu liegen. Wenn er allerdings im Spielaufbau seine Position in der Mitte aufgibt, herrscht gähnende Leere im gegnerischen Strafraum. Selbst wenn Genki Haraguchi (wie vor dem 1:0) oder Chris Führich oder Wataru Endo in die Box vorstoßen, fehlt ein torgefährlicher, körperlich robuster Spieler in der Mitte. Flanken kann man sich ebenfalls sparen, weil keiner da ist, der sie verwerten kann. Das liegt aber nicht nur an Silas nicht vorhandener Kopfballstärke, sondern vor allem am Kader und am Spielsystem.

Wahrscheinlich werden wir Silas in Zukunft häufiger in der Sturmmitte sehen. Nicht unbedingt weil das die beste Lösung ist, sondern weil Labbadia gerne an Dingen festhält, die einmal funktioniert haben. Was aber gegen (schwache) Kölner funktioniert hat, muss gegen Schalke nicht die richtige Lösung sein. Dort würde Silas auf eine Innenverteidigung mit Yoshida treffen, der ein Geschwindigkeitsproblem hat, und mit Moritz Lenz auf einen Spieler, der eher Mavropanos ähnelt.

Es scheint, als sei der alte Silas endlich wieder zurück. Der mit dem anteckenden Lachen. Vielleicht liegt das auch daran, dass er erst vor kurzem endlich ein Kapitel abschließen konnte, das ihn lange begleitete: Das Stuttgarter Gericht fällte ein Urteil wegen Urkundenfälschung und Erschleichung eines Aufenthaltstitels gegen den jungen Mann aus der Demokratischen Republik Kongo, der bis Juni 2021 unter falscher Identität spielte. Er muss eine Geldstrafe in Höhe von insgesamt 50.000 Euro zu je 10.000 Euro an fünf gemeinnützige Einrichtungen zahlen. Außerdem wird er zwei Fußballtrainings mit jungen Menschen durchführen. Der abschließende Gerichtstermin zeigte noch einmal eindrücklich, wie schwer sein Weg aus dem Kongo bis nach Stuttgart gewesen sein muss: “Ich habe viele schlechte Dinge erlebt. Erst mein Wechsel nach Deutschland hat mir die Augen geöffnet und mir ermöglicht, glücklich und unabhängig zu sein.”

„Meine Erfahrung sagt mir, dass man ihm Zeit geben muss. Denn so etwas macht etwas mit einem Menschen.“ sagte Bruno Labbadia nach der Verhandlung. Im Fall von Silas stimmt das gleich in mehrfacher Hinsicht: Er musste nicht nur das Gerichtsverfahren durchstehen, sondern auch zwei schwere Verletzungen verkraften: Am 25. Spieltag der Saison 20/21 zog er sich beim Auswärtsspiel in München einen Kreuzbandriss zu. Bis dahin hatte er nahezu alle Saisonspiele bestritten, elf Tore erzielt und die Liga mit unwiderstehlichen Sololäufen über das gesamte Feld begeistert. Knapp ein Jahr später war Silas gerade auf dem Weg zu alter Stärke, als ihn im Februar 2022 die nächste schwere Verletzung stoppte: Eine ausgekugelte Schulter bedeutete das Saisonaus.

Jetzt ist Silas Katompa Mvumpa wieder zurück. Vielleicht gerade zu rechten Zeit. Denn der VfB braucht ihn. Sein Tempo, sein chaotische Kreativität, die die Gegner an guten Tagen vor Probleme stellt, und an schlechten Tagen seinen Trainer verweifeln lässt. Mit seinen Läufen ist Silas in der Lage, das ganze Stadion in Ekstase zu versetzen. Ein Silas in der Form der Saison 20/21 wäre ein wichtiger Faktor für die Mission Klassenerhalt.

Aber Silas, mittlerweile 24 Jahre alt, muss sich auch beweisen. Zeigen, dass die elf Treffer in 25 Spielen kein Zufall waren. Belegen, dass er in Stuttgart gereift ist, und kein Egozocker ist, sondern sich in den Dienst der Mannschaft stellt.

Erst zu Jahresbeginn wurde der Vertrag mit dem Mann aus Kinshasa bis 2026 verlängert. “Silas bleibt Silas” schrieben wir im Juni 2021. Es wäre schön, wenn er jetzt wieder ganz der Alte wird und mit seinen Qualitäten dazu beiträgt, dass der VfB erstklassig bleibt.

Foto: Adam Pretty/Getty Images

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7 Kommentare

  1. grammaire sagt

    ich hoffe sehr, dass gegen schalke der knoten platzt. go Silas!

    aber ist der begriff “wingbacker” nicht Simeon Kramer vorbehalten? zwinkersmiley*

  2. Bacardihardy sagt

    Silas ist eine richtige schnelle Kante.
    Ich hoffe er verletzt sich nicht in nächster Zeit und sorgt hoffentlich wieder für Überraschungen.

  3. Marcus Fichter sagt

    Man muss ihm nur beibringen, manchmal die richtige Entscheidung zu fällen und dann auch zu vollenden. Dann ist das ein klasse Spieler. Dem fehlt jetzt nur noch ein Tor, dann läuft der wieder wie früher !

  4. Elmar sagt

    Werde morgen vor Ort sein in der Turnhalle – es kribbelt schon sehr, hier im Westen sind alle S04 Fans (Kunden, Freunde) komplett davon überzeugt, dass sie gewinnen gegen uns. Ich halte dagegen und werde berichten…………………schönes Wochenende !

  5. Konny sagt

    Gegen Mainz muss man nicht gewinnen 🫣
    Leider bringts uns nix. Hoffe und bete nur, dass es uns morgen nicht auch so geht. Nach einem sehr guten Spiel kam in kürzer Historie meist gladbachlike ein sauschlechtes… Hoffe, es sind alle wach und angemessen gewarnt.

    Silas tut mir menschlich brutal leid, spielerisch sollte er aber etwas mehr Spielübersicht entwickeln. Es gab einige 2000 prozenter, die von ihm wegen (ich seh den besser stehenden Mann nicht…) vergeigt wurden. Serhou hätte die meisten davon wahrscheinlich versenkt. Der fehlt mir sehr 🥹Hoffe es kommt Das bei Silas noch…

  6. Konrad sagt

    Joah, eigentlich war es ja irgendwie klar, dass auf ein gutes Spiel ein extrem Schlechtes folgt 🙄. Bruno macht den Rino: wir hatten eine super Trainingswoche, ich versteh das nicht🤣😂🤣. Lieber Bruno, um Borna Sosa zu zitieren, dass ist der VfB, das ist normal 😉 Ich mag Sosa auch, heute gehen allerdings alle drei Tore auf seine Rechnung 😵‍💫 plus komplett unnötig Gelb und gesperrt fürs nächste Topspiel🫣

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