Autor: Vertikalpass

Glücksfall Labbadia

Wataru Endos 2:1 in der 92. Minute am 34. Spieltag der Saison 21/22 dürfte für viele VfB-Fans der emotionalste Augenblick ihres Fanlebens sein. Umso enttäuschender war es, dass es nicht gelang, die kollektive Kraft dieses einmaligen Moments in die anschließende Saison zu überführen. Im Gegenteil. Und ein Jahr später? Heute vor 12 Monaten wurde die Verpflichtung von Bruno Labbadia bekannt gegeben. Wir schrieben damals „Alles auf Null gestellt“ und die zweite Amtszeit von Labbadia war dann auch tatsächlich eine von vielen erwaretete Nullnummer, die nach knapp fünf Monaten, zwölf Spielen und neun Punkten endete. Wir mussten genau so leiden wie die Mannschaft: Unter dem gleichermaßen uninspirierten wie unerfolgreichen Fußball, dazu unter den vielen Ausreden des Managements und der Trainerbank. Hätte uns damals jemand gesagt, dass der VfB exakt zwölf Monate später nach zehn Siegen aus dreizehn Spielen auf Platz 3 der Bundesliga-Tabelle steht und dazu noch überwiegend begeisternden Fußball spielt, wir hätten wohl die Telefonnummer einer Nervenheilanstalt gewählt. Kein Wunder, denn 2022 hatte es der VfB eben nicht geschafft, aus der Euphorie des späten Klassenerhalts …

Viel Folklore, wenig Vision

Eine Mitgliederversammlung will eigentlich niemand. Den Verein kostet sie rund 500.000 Euro und die Mitglieder einen schönen Sommertag. Und am Ende entscheiden gut 600 von 85.000 über richtungsweisende Satzungsänderungen. Satte 8,5 Stunden dauerte die Versammlung einen Tag nach dem 130. Geburtstag des VfB Stuttgart. Am Ende hatte sich wenig geändert: Es wurden zwei neue Vereinsbeiräte gewählt (einer davon ohne Gegenkandidat*in) und zwei Satzungsänderungen beschlossen. Der Rest war Folklore. Denn beim größten Verein Baden-Württembergs geht es im Grunde genauso zu wie bei einem schwäbischen Kleintierzüchterverein: kleinlich, rechthaberisch, egoistisch, streitsüchtig, wehleidig. Souverän war am Sonntag wenig, höchstens die Technik, die für schnelle und reibungslose Abstimmungen sorgte oder der erstaunlich routinierte Auftritt des AG-Vorstands. Tatsächlich war Alexander Wehrle eine der wenigen Personen, die auf der MV Pluspunkte sammeln konnte, weil er sich in seiner Rede zumindest ein Stück weit selbstkritisch zeigte. Alles andere als souverän waren hingegen weder Inhalt noch Vortrag der Abwahlanträge gegen Claus Vogt, Marc-Nicolai Schlecht und André Bühler, die sich im Kern darum drehten, was irgendjemand irgendwem irgendwann gesagt haben soll, ob Personen auf Mannschaftsfotos …

Wie Mislintat bei Ajax dem VfB helfen kann

Das aufrichtige Bemühen von nicht wenigen Fans, den eigenen Kader heilig zu sprechen, trifft auf die Skepsis von Alex Wehrle und dem kicker, dass dieser Kader zu nichts zu gebrauchen ist. Vor allem nicht für einen harten Abstiegskampf. Was besonders pikant ist, weil Wehrle den Kader mit Sven Mislintat gebaut hat und zuletzt unter Zuhilfnahme diverser Berater und dem neuen Sport-Direktor Fabian Wohlgemuth die Granaten Genki Haraguchi und Gil Dias als „Soforthilfe“ verpflichtet hat. Hilfreich dagegen wäre ein bisschen mehr Selbstkritik, dass die Verpflichtung von Bruno Labbadia ein Fehler war, der den VfB Zeit gekostet hat, im schlimmsten Fall sogar die Zugehörigkeit in der ersten Bundesliga. Nicht wenige haben sowas schon bei der Vorstellung des Trainers im Dezember befürchtet. Die Klubverantwortlichen haben mit der Labbadia-Verpflichtung, begleitet von allerlei Weltuntergangsmusik (“Wir stehen mit dem Rücken zu Wand”), eine Situation erzeugt, die nur schwer zu kontrollieren war, da sich Trainer und Mannschaft von Anfang an nicht grün waren. Es war ein clash of cultures, das passte einfach nicht. Beide beklagten sich übereinander. Labbadia jammerte öffentlich, die Spieler …

Ein Club am Boden

Erstmals seit 2018 steht der VfB Stuttgart ganz am Ende der Tabelle. Mit zwei Punkten ist der Abstand auf das berühmte rettende Ufer zwar klein, aber noch viel kleiner ist die Hoffnung, dass sich in der aktuellen Konstellation etwas zum Guten ändert. Weil die Maßnahmen des Trainers keine Wirkung zeigen und er nicht bereit ist, sie zu ändern. Weil die Mannschaft nach 1,5 Jahren Abstiegskampf über keinerlei Selbstvertrauen verfügt und einige Spieler offenbar immer noch nicht begriffen haben, dass es um viel mehr geht als ihre persönliche Zukunft in Stuttgart. Weil die öffentliche Kommunikation stellenweise das gleiche Niveau hat wie die Darbietungen auf dem Rasen. Weil in dieser entscheidenden Phase niemand Verantwortung übernimmt und stattdessen immer nur auf andere gezeigt wird. Man kann die Spieler nicht für alles in Schutz nehmen, aber jeder der sich etwas mit Fußball auseinandersetzt, sieht dass Trainer, Taktik und Positionen kein bisschen dazu passen. MIT ANSAGE. #VfB — Seriouz (@Seriouz1893) March 21, 2023 Die Stuttgarter Nachrichten schreiben, dass sich Bruno Labbadia neu erfinden muss. Der Labbadia, den man geholt hat, …

Die Vielseitigkeit von Silas

Serhou Guirassy? Leider verletzt. Luca Pfeiffer? Offenbar überfordert. Thomas Kastanaras? Anscheinend noch nicht so weit. Was blieb Bruno Labbadia also anderes übrig, als Silas gegen den 1. FC Köln in die Sturmmitte zu beordern? Dort machte er zwar kein überragendes Spiel, war oft zu hektisch am Ball, musste seine Beine sortieren und traf zu oft genau die falsche Entscheidung. Aber er band auch meist gleich zwei Gegenspieler und hielt die Kölner Abwehr ordentlich auf Trab. Die Fußballsprache hat für ihn den schönen Begriff „ständiger Unruheherd“ erfunden. Das galt allerdings sowohl in seiner Wirkung auf die Kölner Abwehr wie auch auf das Stuttgarter Publikum. Wir haben Silas unter Pellegrino Matarazzo oft als Wingbacker gesehen, der aber so seine Schwierigkeiten mit der Defensivarbeit hatte. Manchmal fehlte ihm dazu der Willen, manchmal die taktische Intelligenz. Wir haben ihn als reinen Außenstürmer gesehen, dort war er allerdings leichter zu verteidigen. Alles kam auf seine Ballannahme an; hatte Silas einen schlechten Tag oder wurde früh attackiert, blieb er oft wirkungslos. Silas braucht Tiefe, sollte den Ball in den Lauf gespielt …

Der VfB e.V. kommt nicht zur Ruhe

“Wir sind natürlich nicht immer bei allen Themen einer Meinung, das wäre auch nicht normal und auch für den Verein nicht gut. Aber alle wollen immer das Beste für den VfB Stuttgart“, sagte Präsident Claus Vogt am Rand des VfB-Trainingslagers in Marbella. Übersetzt heißt das wohl: Es knirscht mal wieder ganz gewaltig bei den Vereinsgremien des VfB Stuttgart. Und ob immer alle das Beste für den VfB wollen? Zweifel sind angebracht. Jetzt sind die Vereinsbeiräte Susanne Schosser und Martin Bizer von ihren Ämtern mit sofortiger Wirkung zurück getreten. Der Druck sei zu groß geworden, schreiben sie in ihren Rücktritts-Statements. Und das ist noch harmlos formuliert. Schosser schreibt in ihrem Statement: “[…] sowie das für einen engagierten, kreativen und zugewandten Menschen wie mich unerträgliche, unprofessionelle, allein auf Machtsicherung bedachte und diffamierende Vorgehen wesentlicher Mitglieder der Gremien, führen mich zu diesem Rücktritt.” In ihren Schreiben schildern sie die dicke Luft im Vereinsbeirat und den Umgang mit „Abweichlern“, wenn man gerade in der Causa Schlecht/Bühler eine andere Meinung als das Präsidium vertritt. Zur Erinnerung: Ein von Pierre-Enric Steiger …

Der Fleißige, der Brutale, der Retter, der Schleifer, das Arbeitstier

Das Präsidium des VfB schreibt in seinem etwas bemühten Neujahrsbrief an seine Mitglieder, dass die Profi-Mannschaft auf Platz 16 steht mit lediglich einem Punkt Vorsprung auf Rang 17. Das ist absolut korrekt. Aber richtig ist auch, dass es nur drei Punkte Rückstand auf Platz 13 sind. Der VfB kommuniziert immer wieder die Kosten in Höhe von 130 Millionen für den Stadionumbau. Von den 22,5 Millionen, die der Club selbst bezahlen muss, liest und hört man dagegen sehr wenig. Logisch, ist auch nicht so furchteinflößend. Gut: Man hat offensichtlich ein Narrativ gefunden. Schlecht: viel schwarz-weiß und zu wenig weiß-rot. Aber es stimmt schon: Es gab schon einfachere Situationen beim VfB und das Ziel in der Mercedes Straße ist, Fans und Mitglieder mitzunehmen bei der Ausrichtung mit den neuen sportlichen Verantwortlichen Bruno Labbadia und Fabian Wohlgemuth, sie einzuschwören auf die kommenden 19 Spieltage, an deren Ende der Klassenerhalt stehen soll. Wobei der VfB voll auf die Lösung Labbadia setzt. Sie hätte auch Friedhelm Funkel, Felix Magath oder Huub Stevens heißen können, aber so einfallslos ist selbst Alexander …

Ganz großes Kino: Mislintat vs. Wehrle wird verfilmt!

Die Bundesliga macht Pause und beim VfB werden sicher mal wieder die Ergebnisse analysiert. Gleichzeitig werden die Gespräche über Vertragsverlängerungen vertagt, denn irgendwas ist ja immer. Die Cannstatter Hängepartie hat sich mittlerweile sogar bis nach Hollywood herumgesprochen: Namhafte Studios haben Interesse an der Posse rund um Alexander Wehrle und Sven Mislintat und versprechen sich davon einen Kassenschlager. Gleich sieben Produzenten konnten sich die Rechte an dem Drama sichern. Ihre Filme werden bereits im Frühjahr 2023 exklusiv auf VfB TV erscheinen, aber wir durften vorab auf die Rough Cuts schauen: Spiel mir das Lied von der Vertragsverlängerung Als wesentliches Gestaltungsmerkmal für die opernhafte Geschichte rund um Alexander Wehrle und Sven Mislintat dient die musikalische Untermalung. Der schwäbische Rapper Max Herre und der Produzent Dexter begeistern mit einer elektronischen Neuinterpretation von Ennio Morricones Titelmusik. Obwohl mit großer Symbolkraft überrascht das Ende in diesem dreistündigen Epos, in dem Wehrle und Mislintat auf Pferden gemeinsam dem Sonnenuntergang entgegen reiten. Kill Sven Eine überdrehte Autorengruppe rund um @Danny1893_ schrieb das Drehbuch, in das sie als wichtigen Bestandteil hochstilisierte Kampfszenen einbauen, …

So läuft die Saison für den VfB!

Nach einer Sensationssaison 20/21 und einer katastrophalen Spielzeit 21/22 startet der VfB Stuttgart in Jahr Nummer drei seit dem Wiederaufstieg und das tatsächlich immer noch mit dem gleichen Trainer. Nach den Plätzen 9 und 15 wünschen sich viele Fans einfach eine herrlich langweilige Saison im Mittelfeld der Tabelle. Aber sind wir ehrlich: So wird es garantiert nicht kommen. Hier unsere große Saison-Prognose: 1. Spieltag Auch zu Saisonbeginn muss Matarazzo auf Borna Sosa und Sasa Kalajdzic verletzungsbedingt verzichten. Doch das fällt kaum auf, denn der VfB feiert den ersten kleinen Erfolg der Saison und schießt zum zweiten Mal nach 2019 in einer Begegnung mit den Sachsen überhaupt mal ein Tor (Tiago Tomas). Zu Punkten reicht es aber trotzdem nicht: Leipzig gewinnt nach drei Treffern von Christopher Nkunku mit 1:3. Im Stadion anwesend auch Timo Werner, nachdem er sich bei Alaturka zwei Mal Yüksel’s Original XL gegönnt hatte. Nach dem Spiel wird sein leihweiser Wechsel in die Liga bekannt gegeben. Allerdings weder nach Leipzig noch nach Stuttgart. Doch dazu später mehr. 2. Spieltag: Beim letzten Auswärtsspiel in …

So läuft die Saison für den VfB (Teil II)

Mit 14 Punkten aus 9 Spielen surft der VfB Stuttgart auf einer Welle des Erfolgs in den gefürchteten Herbst. Die Stimmung ist gut. Doch der Herbst steht vor der Tür – traditionell nicht die beste Jahreszeit für den VfB. 10. Spieltag: Der VfL Bochum ist in seiner zweiten Saison eingebrochen. Der scheidende Sport-Geschäftsführer Sebastian Schindzielorz als Lame Duck, viele Leistungsträger verloren, Trainer Thomas Reis am 8. Spieltag entlassen. Seit dem ist Philipp Förster ein wichtiger Faktor für den Teamgeist: Alle Spieler tragen einen Schnauzer, vor allem bei Takuma Asano sieht das lustig aus. Die VfB-Spieler kommen während des Spiels aus dem Lachen nicht heraus und retten erst in der Nachspielzeit einen Punkt: Mavropanos verwandelt einen Elfmeter humorlos. 11. Spieltag: Bei Dortmund läuft es nicht rund. In der letzten Sekunde konnte man den Haller-Ausfall zwar überraschend mit Timo Werner ersetzen, doch die Küche im Ruhrpott ist zu viel für den des Steinhaldenfelder. Das Resultat: zu viele Pfunde, zu wenig Tore. Der VfB hingegen rollt und jedes Spiel zaubert Matarazzo einen anderen Spieler aus dem Hut, der …